BGE 98 Ib 133
 
19. Urteil vom 28. Januar 1972 i.S. X. gegen Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich.
 
Regeste
Wehrsteuer: Unter welchen Voraussetzungen sind Vergütungen, die der nicht zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichtete Grundeigentümer von einer Unternehmung als Entgelt für die Ausbeutung von Kiesvorkommen erhält, steuerfrei?
 
Sachverhalt


BGE 98 Ib 133 (134):

Sachverhalt:
A.- Mit Dienstbarkeitsvertrag vom 2. April 1965 räumte X. der Y. AG in Z. auf fünf mit den Nummern 51, 56, 57, 60 und 118 bezeichneten, bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücken ein am 1. Januar 1962 beginnendes und am 31. Dezember 1981 endigendes Sand- und Kiesausbeutungsrecht ein. Die Berechtigte hatte X. für die Sand- und Kiesentnahme pro Kubikmeter entnommenes Material eine Entschädigung zu bezahlen, die sich, von einem Basisbetrag von Fr. -.35 aus berechnet, nach dem jeweiligen Stand des Zürcher Baukostenindexes richtete und jährlich neu festzusetzen war. Ausserdem war sie gehalten, bei Inkrafttreten des Vertrages eine Vorauszahlung in Höhe von Fr. 2.- für jeden Quadratmeter des dienstbarkeitsbelasteten Landes zu entrichten. Nach Ziff. 2 des Vertrages ist jedes ausgebeutete Grundstück innert Jahresfrist von der Berechtigten auf eigene Kosten auszuplanieren und mit einer mindestens 50 cm dicken Humusschicht abzudecken. Das humusierte Terrain darf vom Grundeigentümer wieder benutzt werden mit Ausnahme derjenigen Flächen, die für die werkeigenen Materialtransporte benötigt werden. Letztere Flächen sind ebenfalls nach Abschluss der Ausbeutungsarbeiten, spätestens aber innert Jahresfrist nach Vertragsablauf ebenfalls einzudecken. Soweit durch den Abbau die landwirtschaftliche Nutzung der belasteteten Grundstücke verunmöglicht wird, bezahlt die Berechtigte dem Eigentümer oder seinem Pächter eine jährliche "Inkonvenienzentschädigung" von Fr. 10.- pro Are.
Die bei Vertragsschluss fällige Vorauszahlung belief sich auf Fr. 19'070.--; sie wurde bei der Veranlagung des X. für die 14. Wehrsteuerperiode unwidersprochen als Einkommen erfasst. Der Kiesabbau begann aber erst im Jahre 1968 und zwar auf den Parzellen Nr. 51, 56, 57 und 60; er war auf den drei erstgenannten 1969 beendet, auf der letzten im Jahre 1970. Auf der Parzelle Nr. 118 ist mit der Ausbeutung noch nicht begonnen worden und es steht auch nicht fest, wann damit begonnen wird, da die Y. AG offenbar ein weites Areal, das verschiedenen Eigentümern gehört, nach einem bestimmten Zeitplan sukzessive ausbeuten will.
Für die Kiesentnahme im Jahre 1968 erhielt X. Fr. 50'831.--. Dieser Betrag wurde von den zürcherischen Veranlagungsbehörden

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für die 15. Wehrsteuerperiode (Steuerjahre 1969/70, Bemessungsjahre 1967/68) als Einkommen gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. b WStB erfasst und X. mit einem steuerbaren Durchschnittseinkommen von Fr. 38'000.-- eingeschätzt.
B.- X. bestritt die Steuerpflicht für die Kiesausbeutungsentschädigung, da diese gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht Vermögensertrag, sondern Kapitalgewinn darstelle, für den er, da er nicht buchführungspflichtig sei, der Wehrsteuer nicht unterliege. Die Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich wies jedoch am 2. April 1971 eine dahingehende Beschwerde ab.
C.- X. führt gegen das Urteil der Wehrsteuer-Rekurskommission Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, das wehrsteuerpflichtige Einkommen sei um Fr. 25'200.-- auf Fr. 12'900.-- herabzusetzen. Im festgesetzten wehrsteuerpflichtigen Einkommen seien Fr. 25'190.--, d.h. die Hälfte von Fr. 50'381.-- Entschädigungen für die Kiesentnahme im Jahre 1968 enthalten. Solche Entschädigungen stellten nach einem Bundesgerichtsentscheid vom 22. September 1966 nicht Vermögensertrag, sondern Kapitalgewinn dar, der von der Wehrsteuer nicht erfasst werde, weil der Beschwerdeführer nicht buchführungspflichtig sei. Die Erwägungen des Bundesgerichts träfen auch auf diesen Fall zu. Die Y. AG sei berechtigt, das Kies innert kürzester Frist zu entnehmen und habe das auch getan. Der Beschwerdeführer habe einen Teil der Substanz des Grundstücks veräussert; die Gruben seien nicht mit Kies aufzufüllen, es könne auch anderes Material dafür verwendet werden. Die Tatsache, dass mit dem Abbau nicht sofort nach Vertragsabschluss begonnen wurde, sei nicht massgebend. Die Verpflichteten erwarteten von der Gesellschaft, dass sie den Abbau vorantreibe.
D.- Die Wehrsteuer-Rekurskommission und die Eidg. Steuerverwaltung (EStV) beantragen Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 21 WStB unterliegt das gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen aus Erwerbstätigkeit, Vermögensertrag oder andern Einnahmequellen der Wehrsteuer, nach lit. b insbesondere jedes Einkommen aus unbeweglichem Vermögen. Art. 21 Abs. 1 lit. d unterwirft hingegen Kapitalgewinne nur dann der Wehrsteuer, wenn sie im Betrieb eines zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmens erzielt

BGE 98 Ib 133 (136):

werden. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer kein solches Unternehmen betreibt. Kapitalgewinne sind Vermögenszugänge, diejemand dadurch erzielt, dass er ihm gehörende Vermögensstücke veräussert oder verwertet (KÄNZIG, N. 83 zu Art. 21 WStB). Einkommen aus unbeweglichem Vermögen ist dagegen der Ertrag, der aus Vermögensstücken bei Wahrung ihrer Substanz gezogen wird. Streitig ist, ob die Einkünfte - und zwar der Gesamtbetrag von Fr. 50'831.-- und nicht bloss, wie die Vertreterin des Beschwerdeführers aus offensichtlichem Versehen schreibt, Fr. 50'381.-- -, die der Beschwerdeführer im Jahre 1968 für die Kiesausbeutung bezogen hat, Ertrag oder Kapitalgewinn darstellen.
2. Das Bundesgericht hat in seinem Urteil BGE 86 I 233 bemerkt, Vergütungen, die der Eigentümer von dem zur Mineralgewinnung Berechtigten erhalte, könnten insoweit nicht als Quellenerträgnisse im Sinne des Art. 21 WStB betrachtet werden, als sie eine Wertverminderung ausgleichen sollen, die das Grundstück infolge der Ausbeutung über den Verlust des Wertes der abgebauten Sache hinaus erfährt. Im Urteil BGE 92 I 489 hielt es fest, wenn ein Grundstück auf lange Sicht ausgebeutet werde, so bleibe es trotz Wegnahme von Bestandteilen auflängere Zeit hinaus seiner wirtschaftlichen Funktion, wiederkehrende Erträgnisse abzuwerfen, erhalten. Das nur wirtschaftlich zu verstehende Erfordernis der Substanzschonung sei damit erfüllt. Die Ausbeutung verschaffe in diesen Fällen dem Grundeigentümer Quellenerträgnisse im Sinne von Art. 21 WStB. In einem Abbau, durch den ein Mineralvorkommen in ganz kurzer Zeit erschöpft werde, sei hingegen die Veräusserung eines Teils der Substanz des Grundstücks zu erblicken. Das Entgelt dafür sei Veräusserungspreis, ein allfälliger Gewinn demnach Kapitalgewinn.
An dieser Rechtsprechung, deren Berechtigung an sich weder von der Wehrsteuer-Rekurskommission noch von der EStV in Zweifel gezogen wird, ist festzuhalten. Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für seine Ausübung ein Interesse besteht (Art. 667 Abs. 1 ZGB). Nach dem Umfang des Nutzens, den das Grundeigentum dem Eigentümer gewährt, bemisst sich auch der Wert des Grundstückes. Enthält ein Grundstück abbaufähige und wirtschaftlich abbauwürdige Stoffe, so wird sein Wert weitgehend durch den durch deren Abbau zu erzielenden

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Erlös bestimmt, sofern nicht durch eine bessere Verwendung als Standort oder durch landwirtschaftliche Nutzung ein grösserer Ertrag zu erwarten ist. Eine Verminderung dieser Stoffe führt deshalb zu einer Wertabnahme des Grundstückes, sofern die abgebauten Stoffe nicht neu zugeführt werden (wie z.B. bei einer Kiesgrube, die durch Flussgeschiebe immer wieder nachgefüllt wird). Die Entnahme von wirtschaftlich verwertbarem Kies und Sand aus einem Grundstück führt deshalb in der Regel zu einer Werteinbusse des Grundstücks und damit, sofern sie nicht durch ein entsprechendes Entgelt wettgemacht wird, zu einem Substanz- oder Kapitalverlust. Das Grundstück ist ohne das abgebaute Material weniger wert als mit diesem. Das trifft sogar dann zu, wenn der Abbau während eines längeren Zeitraumes und in zeitlicher Regelmässigkeit erfolgt.
Zwar ist im vorliegenden Fall vorgesehen, dass die Berechtigte die durch die Entnahme von Sand und Kies entstandene Grube wieder ausfüllt. Aber es ist klar, dass dies nicht wieder mit Sand oder Kies geschehen wird, da das wirtschaftlich sinnwidrig wäre. Mit der Ausbeutung der Kieslager entsteht somit ein dauernder Substanzverlust. Das Terrain mag später landwirtschaftlich oder unter Umständen wegen seiner Standortqualität als Bauland weiter verwendbar sein. Eine weitere gewinnbringende Kiesentnahme ist aber nicht möglich. Das Entgelt für den Abbau ist deshalb Entschädigung für den Substanzverlust, der einer Veräusserung eines Teiles des Wertes des Grundstückes gleichkommt und, soweit er zu einem Vermögenszugang beim Eigentümer führt, Kapitalgewinn.
In Anlehnung an die zivilrechtliche Betrachtungsweise kann ein Abbau von Mineralien, die nicht mehr ersetzt werden, dann als Nutzung unter Wahrung der Substanz gelten, wenn er sich über sehr lange Zeit erstreckt (MEIER-HAYOZ, N. 8 zu Art. 643 ZGB, HAAB, N. 6 zu Art. 643 ZGB, der aber davon ausgeht, dass die Bodenmaterialien in solchen Quantitäten vorhanden sind, dass die Ausbeutung ohne voraussehbare zeitliche Schranke möglich ist). Es trifft auch zu, dass Bodenbestandteile Gegenstand einer Nutzniessung sein können (Art. 771 ZGB) und deren Ausbeutung deshalb als Fruchtgenuss betrachtet wird, immerhin auch nur in dem Masse, als ein ordnungsgemässer schonender Abbau erfolgt (LEEMANN, N. 1-3 zu Art. 771 ZGB). Das ändert jedoch nichts daran, dass der Nutzniessungsbelastete durch die Nutzniessung nach Art. 771

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ZGB unter Umständen einen erheblichen Substanzverlust erleidet (Art. 752 Abs. 3 ZGB). Er wird ihm zugemutet, weil sonst die Bestellung einer Nutzniessung an derartigen Grundstücken, die z.B. Bestandteil eines ganzen Nutzniessungsvermögens bilden können, nicht möglich wäre. Der auch in diesen Fällen nicht zu vermeidende Substanzverlust muss aber dazu führen, den Erlös aus einem solchen Abbau bloss dann als Nutzung zu erfassen, wenn der Abbau während langer Zeit und regelmässig, d.h. schonend, erfolgt.
3. Die Ausbeutung der Kiesgruben verschaffte dem Beschwerdeführer bisher kein dauerndes, regelmässig fliessendes Einkommen, weil die Nutzung der Vorkommen nur unregelmässig, sozusagen schubweise, erfolgte. Die Vorauszahlung, die er bei Vertragsabschluss erhielt, war eine einmalige Leistung der Berechtigten, die ins Jahr 1965 fiel. Im weitern hat er bloss 1968, 1969 und 1970 noch ein Einkommen erzielt, das aus dem vollständigen Abbau des Kieses in vier von den fünf Parzellen herrührt. Ausgebeutet werden kann in der Zukunft lediglich noch eine einzige Parzelle, und zwar die kleinste von ihnen. Wann mit dem Kiesabbau auf diesem Grundstück begonnen wird, geht aus den Akten nicht hervor und ebensowenig weiss man noch über die Dauer des geplanten Abbaus. Es ist aber erlaubt, von der bisherigen Art der Ausbeutung auch auf die Art und Weise zu schliessen, in der das Kiesvorkommen auf der letzten Parzelle abgebaut werden wird. Danach ist anzunehmen, dass der Abbau sehr rasch, vermutlich innert Jahresfrist erfolgen wird, so dass der Beschwerdeführer vielleicht nur einmal oder höchstens zweimal noch eine Entschädigung für Sand und Kies erhalten wird. Sollte diese Annahme wider Erwarten nicht zutreffen, und der Abbau des letzten Kiesvorkommens sich mit einer gewissen Regelmässigkeit über Jahre hinziehen, so müsste die Besteuerung dieser Einkünfte als Erwerbseinkommen vorbehalten bleiben.
Allerdings erhält der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der EStV ein verhältnismässig lange Zeit fliessendes Einkommen, weil die ausgebeuteten Grundstücke noch längere Zeit nicht landwirtschaftlich genutzt werden können, so dass die Y. AG die als "Inkonvenienzentschädigung" bezeichneten Ersatzleistungen zu erbringen hat. Diese Entschädigungen sind aber von den für den Kiesabbau zu entrichtenden ihrer Natur

BGE 98 Ib 133 (139):

nach verschieden und steuerlich auch anders zu behandeln (vgl. Erw. 4). Bei ihnen handelt es sich nicht um einen Ertrag im Sinne der erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung, sondern um ein Ersatzeinkommen.
Die Vorinstanz hat freilich angenommen und ihren Entscheid zur Hauptsache damit begründet, dass der Beschwerdeführer darüber hinaus mit einer langfristigen Ausbeutung der Parzellen gerechnet und offenbar darauf abgezielt habe, dass ihm bei möglichst geringer Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Nutzung seiner übrigen Grundstücke auf längere Zeit ein zusätzliches regelmässiges Einkommen gesichert werde. Diese Feststellung der Rekurskommission über die vom Beschwerdeführer beim Vertragsabschluss verfolgten Ziele betrifft Tatsachen und ist demgemäss für das Bundesgericht nach Art. 105 Abs. 2 OG verbindlich. Der Beschwerdeführer behauptet zwar, er sei an einem möglichst raschen Kiesabbau interessiert. Das genügt jedoch nicht, um die Feststellung der Rekurskommission als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen. Indessen kommt es ebensowenig wie auf die Vertragsdauer an sich darauf an, was der Beschwerdeführer sich beim Vertragsabschluss möglicherweise vorgestellt hat, sondern massgebend ist, wie der Abbau im Rahmen des Vertrages bisher tatsächlich vor sich ging und wie er sich vermutlich weiter gestalten wird. Der Abbau ist aber nach den gesamten Umständen nicht als Nutzung des Kiesvorkommens unter Wahrung der Substanz, sondern als teilweise Veräusserung der Substanz selbst zu bewerten. Die Beschwerde ist somit begründet. Die von der EStV beklagte Ungleichheit in der Besteuerung, die dadurch entsteht, dass die beträchtlichen in Frage kommenden arbeitslosen Einkommen wehrsteuerfrei bleiben, während Landwirte, die ihre Grundstücke nur landwirtschaftlich nutzen können, den daraus resultierenden Ertrag grundsätzlich zu versteuern haben, ist eine Folge der Vorschrift des Wehrsteuerbeschlusses, die Kapitalgewinne, die nicht gewerbsmässig oder im Betrieb eines buchführungspflichtigen Unternehmens entstehen, steuerfrei zulässt.


BGE 98 Ib 133 (140):

5. Der Beschwerdeführer hat es unterlassen, für das Verfahren vor Bundesgericht eine Parteientschädigung zu beantragen. Nach Art. 159 OG hat das Bundesgericht mit dem Entscheid über die Streitsache selbst zu bestimmen, ob und in welchem Masse die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. Im Zusammenhang mit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde prüft es diese Frage von Amtes wegen (anders noch BIRCHMEIER, N. 1 zu Art. 159/160 OG). Ob die Parteien eine Entschädigung beantragen, ist deshalb grundsätzlich bedeutungslos. Die Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen es, den Kanton zu einer Entschädigung an den Beschwerdeführer von Fr. 250.-- zu verpflichten.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen.