BGer 8C_319/2018
 
BGer 8C_319/2018 vom 20.09.2018
 
8C_319/2018
 
Urteil vom 20. September 2018
 
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
Gerichtsschreiber Grunder.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Rufener,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung
(Invalidenrente; Wiedererwägung; Revision),
Beschwerde gegen den Entscheid
des Bundesverwaltungsgerichts
vom 8. März 2018 (C-3056/2017).
 
Sachverhalt:
A. A.________ (Jahrgang 1954) ist deutscher Staatsbürger und wohnt in Deutschland. Ab 1973 arbeitete er in der Schweiz (mit Unterbrüchen) als Krankenpfleger, zuletzt in der schweizerischen Klinik B.________. Am 16. Juni 2002 meldete er sich wegen chronischer Rückenschmerzen mit Bewegungs- und Belastungseinschränkungen zum Leistungsbezug bei der Schweizerischen Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Thurgau (im Folgenden: IV-Stelle oder Verwaltung) sprach dem Versicherten eine ab 1. März bis 31. Mai 2002 befristete, halbe Invalidenrente zu (Verfügung vom 1. November 2002). Am 16. November 2002 machte er eine Verschlechterung des Gesundheitszustands geltend. Die Verwaltung holte das Gutachten des Dr. med. C.________, FMH Rheumatologie und Rehabilitation, vom 14. Oktober 2003 ein und veranlasste berufliche Eingliederungsmassnahmen. Mit Verfügung vom 28. April 2004 sprach sie dem Versicherten ab 1. November 2002 eine unbefristete Viertelsrente zu. Die in den Jahren danach von Amtes wegen durchgeführten Revisionsverfahren ergaben jeweils einen unveränderten Gesundheitszustand (vgl. Mitteilungen vom 18. Mai 2005 und 6. November 2007). Auf ein erneutes Leistungsgesuch vom 17. April 2009 hin, veranlasste die IV-Stelle die Gutachten des Dr. med. D.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 15. Mai 2010 sowie des Dr. med. E.________, Facharzt für Rheumatologie und Innere Medizin, vom 26. Mai 2010. Nach dem von der Verwaltung durchgeführten Vorbescheidverfahren hielt die nunmehr zuständige IV-Stelle für Versicherte im Ausland (IVSTA), Genf, fest, die Verfügung der IV-Stelle vom 28. April 2004 werde wiedererwägungsweise aufgehoben und die damit zugesprochene Invalidenrente werde auf das Ende des der Zustellung der Verfügung vom 10. Februar 2011 folgenden Monats eingestellt.
In Gutheissung der von A.________ hiegegen eingereichten Beschwerde sprach ihm das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 24. Oktober 2013 über den 31. März 2011 hinaus eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu. Zur Begründung führte es aus, die Verfügung der IV-Stelle vom 28. April 2004 sei zwar zweifellos unrichtig gewesen, indessen sei die Renteneinstellung solange nicht zu rechtfertigen, als die Verwaltung die notwendigen beruflichen Eingliederungsmassnahmen nicht gewährt habe (Entscheid vom 24. Oktober 2013).
In Beachtung dieses Entscheids liess die IV-Stelle ihren Eingliederungsspezialisten unter anderem am 26. Februar 2014 sowie am 9. Oktober 2015 Gespräche mit dem Versicherten hinsichtlich vermittelbarer Arbeitstätigkeiten durchführen (vgl. Case Report). Am 19. November 2015 teilte die Verwaltung dem Versicherten mit, da er sich weiterhin nicht arbeitsfähig fühle, werde die Arbeitsvermittlung abgeschlossen. Sie holte in der Folge das auf orthopädisch-traumatologischen und psychiatrischen Untersuchungen beruhende Gutachten der SMAB AG, Schweizerisches Zentrum für medizinische Abklärungen und Beratungen, St. Gallen, vom 19. September 2016 ein. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren hob die IVSTA mit Verfügung vom 12. Mai 2017 die Invalidenrente wiedererwägungsweise auf das Ende des der Zustellung folgenden Monats auf.
B. Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 8. März 2018 ab.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.).
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
 
2.
2.1. Streitig und zu prüfen ist in erster Linie, ob das Bundesverwaltungsgericht Bundesrecht verletzt hat, indem es in Bestätigung der Verfügung der IVSTA vom 12. Mai 2017 die Wiedererwägungsvoraussetzungen gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG hinsichtlich der Rentenverfügung vom 28. April 2004 als gegeben erachtet und die Invalidenrente daher ex nunc et pro futuro voraussetzungslos neu geprüft hat. Prozessthema bildet dabei in erster Linie die Frage, ob die Vorinstanz von einem bundesrechtskonformen Verständnis der zweifellosen Unrichtigkeit ausgegangen ist. Die Feststellungen, die der Beurteilung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs zugrunde liegen, sind tatsächlicher Natur und folglich nur auf offensichtliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit (vgl. E. 1.2 hievor) hin überprüfbar (vgl. SVR 2008 IV Nr. 53 S. 177 f., I 803/06 E. 4.2). Dagegen ist die Auslegung (Konkretisierung) des Begriffs der zweifellosen Unrichtigkeit nach Art. 53 Abs. 2 ATSG eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei beurteilt (Urteil 9C_994/2010 vom 12. April 2011 E. 2).
2.2. Die Vorinstanz hat die bei der Beurteilung des Streitgegenstands zu beachtenden Rechtsgrundlagen zutreffend dargestellt. Darauf wird verwiesen.
 
3.
3.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen, aufgrund seines Entscheids vom 24. Oktober 2013 stehe die zweifellose Unrichtigkeit der Rentenverfügung vom 28. April 2004 und damit der seitherigen revisionsweisen Bestätigungen fest. Darin habe es erkannt, die Verwaltung sei bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades vom tatsächlich erzielten Verdienst im bisherigen Beruf ausgegangen, ohne das Einkommen in einer anderen, gemäss ärztlichen Auskünften vollzeitlich zumutbaren Tätigkeit ohne Leistungseinschränkung zu berücksichtigen. Daher sei von einer zweifellosen Unrichtigkeit der Rentenverfügung vom 28. April 2004 auszugehen.
3.2. Was der Beschwerdeführer geltend macht, dringt nicht durch. Wohl hatte die Vorinstanz mit dem rechtskräftig gewordenen Entscheid vom 24. Oktober 2013 die Verfügung der IVSTA vom 10. Februar 2011 aufgehoben, indessen hatte sie in Dispositiv-Ziffer 2 klar entschieden, dass der Versicherte über den 31. März 2011 hinaus Anspruch auf eine Viertelsrente der Invalidenversicherung hatte. Die Verfügung der IVSTA vom 8. Januar 2014, mit der dieser Anspruch bestätigt wurde, hatte daher weder prozess- noch materiellrechtlich eine Bedeutung. Anfechtungsobjekt konnte daher im vorinstanzlichen Verfahren einzig die Verfügung der IVSTA vom 12. Mai 2017 bilden, mit welcher sie den Rentenanspruch ex nunc et pro futuro verneinte. Zur Verdeutlichung ist anzufügen, dass sich unbestritten zu keinem Zeitpunkt aus den Ergebnissen der medizinischen Abklärungen revisionsrechtlich erhebliche Veränderungen des Gesundheitszustands mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit ergaben. Vielmehr hielten zuletzt die medizinischen Sachverständigen der SMAB AG im Gutachten vom 19. September 2016 fest, anamnestisch und aktuell betrachtet sei angesichts des gesamten Krankheitsverlaufs von keiner erheblichen Arbeitsunfähigkeit in einer angepassten Erwerbstätigkeit auszugehen. Dazu ist zu den Vorbringen des Beschwerdeführers anzufügen, dass nach der Regeste von BGE 140 V 514 (Wiedererwägung einer Revisionsverfügung) in Verbindung mit E. 5.2 S. 520 der Rentenanspruch einer versicherten Person, der eine halbe Rente der Invalidenversicherung zugesprochen wurde und der die Rente in der Folge zweifellos zu Unrecht auf eine ganze Rente erhöht wurde, für die Zukunft auch dann frei zu prüfen ist, wenn bezüglich der ursprünglichen Verfügung kein Rückkommenstitel vorliegen würde. Im Lichte dieser Rechtsprechung hat die Vorinstanz zu Recht in Bestätigung der Verfügung der IVSTA vom 12. Mai 2017 den Rentenanspruch voraussetzungslos neu geprüft.
 
4.
 
4.1.
4.1.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat weiter erwogen, dass zur Beurteilung des Gesundheitszustands und der Arbeitsfähigkeit auf das in allen Teilen beweiskräftige Gutachten der SMAB AG vom 19. September 2016 abzustellen sei. Danach litt der Explorand mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit an einer Coxarthrose beidseits, einem rezidivierenden thoracolumbalen, pseudoradikulären Schmerzsyndrom bei Hohlrundrücken mit ausgeprägter Spondylosis in der mittleren und unteren Brustwirbelsäule sowie mit Facettenarthrose auf Höhe der Lendenwirbelkörper 4/5 und 5/1 beidseits. Weiter diagnostizierten die medizinischen Sachverständigen ein laterales Meniskusganglion sowie Läsion des Innenmeniskushinterhorns und des Hinterhorns sowie Pars intermedia des Aussenmeniskus am rechten Kniegelenk. Im angestammten Beruf als Krankenpfleger war der Explorand zu 60 % arbeitsfähig. Für körperlich leichte, wechselbelastend, vorwiegend sitzend ausübbare Tätigkeiten, die keine Verrichtungen über Kopf oder in Zwangshaltung der Wirbelsäule erforderten, war er vollständig arbeitsfähig. Die anamnestisch festzustellende rezidivierende depressive Störung (ICD-10: F33.4) war aktuell remittiert, weshalb daraus keine Arbeitsunfähigkeit abzuleiten war
4.1.2. Der Beschwerdeführer wiederholt wörtlich die im vorinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Einwände gegen den psychiatrischen Teil des Gutachtens der SMAB AG, weshalb in diesem Punkt auf die nicht zu beanstandenden Erwägungen im angefochten Entscheid verwiesen wird.
4.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat weiter erwogen, dass das Bundesgericht mit Urteil 8C_130/2017 vom 30. November 2017 (BGE 143 V 418) und 8C_841/2016 vom 30. November 2017 (BGE 143 V 409) in Änderung der Rechtsprechung festgestellt habe, dass sämtliche psychischen Erkrankungen, namentlich auch depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger Natur, einem strukturierten Beweisverfahren gemäss BGE 141 V 281 zu unterziehen sind. Sodann hat die Vorinstanz einlässlich dargelegt, dass sich anhand des Gutachtens der SMAB AG die Standardindikatoren gemäss BGE 141 V 281 E. 4.1.3 S. 297 f. zuverlässig prüfen liessen. Sie ist zum Schluss gelangt, dass im Zeitpunkt der Wiedererwägungsverfügung der IVSTA vom 12. Mai 2017 kein psychischer Gesundheitsschaden mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit vorgelegen haben könne. Dazu äussert sich der Beschwerdeführer nicht, weshalb auch in diesem Punkt auf die nicht zu beanstandenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen wird. Anzufügen ist zur Bekräftigung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung und der daraus gezogenen Schlussfolgerung nur, dass gemäss BGE 143 V 409 ein strukturiertes Beweisverfahren anhand der Standardindikatoren entbehrlich ist, wenn im Rahmen beweiswertiger fachärztlicher Berichte eine Arbeitsunfähigkeit in nachvollziehbar begründeter Weise verneint wird und allfälligen gegenteiligen Einschätzungen mangels fachärztlicher Qualifikation oder aus anderen Gründen kein Beweiswert beigemessen werden kann.
 
5.
5.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat sodann nach Darlegung der Rechtsprechung die Frage geprüft, ob der Versicherte angesichts seines fortgeschrittenen Alters nach allgemeiner Lebenserfahrung in einem als ausgeglichen unterstellten Arbeitsmarkt noch als vermittelbar gelten konnte und die ihm verbliebene Leistungsfähigkeit erwerblich zu verwerten vermochte. Es hat erwogen, der Versicherte sei gemäss Gutachten des Dr. med. C.________ vom 14. Oktober 2003 in einer den körperlichen Beschwerden angepassten Erwerbstätigkeit vollumfänglich arbeitsfähig gewesen. Dr. med. D.________ (psychiatrisches Gutachten vom 15. Mai 2010) und Dr. med. E.________ (rheumatologisch-innermedizinisches Gutachten vom 26. Mai 2010) seien zum Schluss gelangt, der Explorand vermöge ohne Leistungseinschränkung ein Arbeitspensum von 90 bis 100 % zu bewältigen. Die medizinischen Sachverständigen der SMAB AG (Gutachten vom 19. September 2016) seien von einer vollständigen Arbeitsfähigkeit in einer den körperlichen Beeinträchtigungen angepassten Erwerbstätigkeit ausgegangen. Der Versicherte sei im Zeitpunkt der letztgenannten Expertise zwar bereits 62.5 Jahre alt gewesen. Angesichts der genannten medizinischen Auskünfte sei er jedoch praktisch während des gesamten Zeitraums des Leistungsbezugs zwischen 90 und 100 % arbeitsfähig gewesen, weshalb schon aus diesem Grunde die Verwertbarkeit in einer angepassten Erwerbstätigkeit zu bejahen sei. Hinzu komme, dass er den zu fordernden subjektiven Eingliederungswillen auch anlässlich der von der IV-Stelle durchgeführten Arbeitsvermittlung nicht gezeigt habe. Daher wäre die Verwirklichung des Vorbringens, die IV-Stelle hätte vor der Renteneinstellung ein Mahn- und Bedenkzeitverfahren durchführen müssen, zum Vornherein gescheitert und hätte nur zur weiteren Ausrichtung einer offensichtlich während Jahren nicht geschuldeten Invalidenrente geführt.
5.2. Der Beschwerdeführer setzt sich mit diesen im Übrigen einlässlich begründeten Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht auseinander. Insbesondere ist aus seiner Beschwerdeschrift nicht ersichtlich, inwiefern der angefochtene Akt Bundesrecht verletzt (vgl. Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkt unbegründet.
6. Schliesslich nimmt der Beschwerdeführer nicht Stellung zu den zur Bestimmung des Invaliditätsgrades gemäss Art. 16 ATSG zugrunde zu legenden Vergleichseinkommen. Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Invaliditätsgrad von 32 % ermittelt, der keinen Anspruch auf eine Invalidenrente begründet. Die Beschwerde ist insgesamt abzuweisen.
7. Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 20. September 2018
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Der Gerichtsschreiber: Grunder