BGer 1C_34/2018
 
BGer 1C_34/2018 vom 06.09.2018
 
1C_34/2018
 
Urteil vom 6. September 2018
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Eusebio,
Gerichtsschreiber Schoch.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Fürsprecher Dr. René Müller,
gegen
Gemeinderat Turgi, 5300 Turgi,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Heer,
Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau, Rechtsabteilung,
Entfelderstrasse 22, Postfach 2254, 5001 Aarau.
Gegenstand
Baubewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau,
3. Kammer, vom 23. November 2017
(WBE.2017.28 / tm / wm [BVURA.16.530]).
 
Sachverhalt:
A. Am 13. Juni 2012 reichte die A.________ AG ein Baugesuch für die Umnutzung der Liegenschaft Spinnereistrasse "..." in Turgi (AG) in achtzehn Alterswohnungen ein. Mit Beschluss vom 25. März 2013 erteilte der Gemeinderat Turgi dafür die Baubewilligung, unter anderem mit der Nebenbestimmung, zur Sicherstellung der einwandfreien Detailgestaltung der Balkone und der Erschliessungslauben sowie der Schlepplukarne seien dem Gemeinderat vor der Ausführung entsprechende Muster zur Materialisierung und Farbgebung vorzulegen und nachträglich bewilligen zu lassen. Die Bemusterungen seien mindestens 6 Wochen vor der Ausführung einzureichen.
Nachdem die Baubewilligung unangefochten in Rechtskraft erwachsen war, nahm die A.________ AG die Bauarbeiten vor. Dabei wurden unter anderem Kunststofffenster mit Rahmenverbreiterungen im Sturzbereich sowie Storenkasten mit Rafflamellenstoren eingebaut.
Am 14. Dezember 2015 forderte der Gemeinderat die A.________ AG auf, die Detailgestaltungen frühzeitig bewilligen zu lassen. Zu besprechen und noch nicht bewilligt seien inbesondere die montierten Kunststofffenster samt Blenden. Aufgrund des Ortsbildschutzes seien Holzfenster ohne Blenden zu verwenden. Ebenfalls nicht bewilligt seien die Farbgestaltung, der Sonnenschutz und die Storenkasten. Lamellenstoren seien nicht bewilligungsfähig, weshalb ausschliesslich Stoffstoren zu verwenden seien.
Nach mehrmaliger Aufforderung durch den Gemeinderat reichte die A.________ AG am 9. Mai 2016 ein nachträgliches Baugesuch für die Fassaden ein. Am 11. Juli 2016 beschloss der Gemeinderat Turgi, dass die bereits eingebauten neuen Kunststofffenster und der Sonnenschutz (Rafflamellenstoren) bewilligungspflichtig seien, wies das nachträgliche Baugesuch ab und forderte die Bauherrschaft auf, innert 30 Tagen den rechtmässigen Zustand herzustellen oder ein Baugesuch für einen neuen, bewilligungsfähigen Zustand einzureichen.
B. Gegen den kommunalen Entscheid führte die A.________ AG Verwaltungsbeschwerde beim Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) des Kantons Aargau, welches diese am 20. Dezember 2016 abwies, soweit es darauf eintrat. Die Beschwerde der A.________ AG hiergegen wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 23. November 2017 ab.
C. Die A.________ AG führt mit Eingabe vom 18. Januar 2018 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragt, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an dieses zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht und das BVU schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Der Gemeinderat beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Die Beschwerdeführerin hat repliziert und hält an ihren Anträgen fest.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid eines obersten kantonalen Gerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG fällt und daher mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden kann (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerin ist als Eigentümerin durch den angefochtenen Entscheid beschwert und zu dessen Anfechtung befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht und von kantonalen verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 95 lit. a und c BGG). Das Bundesgericht prüft Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG frei, die Anwendung kantonalen Rechts dagegen nur auf Bundesrechtsverletzungen, d.h. namentlich auf Willkür hin (BGE 138 I 143 E. 2 S. 149 f.). Das Bundesgericht wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht prüft es aber nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeschrift muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische (allein das bereits Vorgebrachte wiederholende) Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246 mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin begründet ihre Rügen zum Teil nicht in rechtsgenügender Weise. Nicht den Substantiierungsanforderungen entsprechend ist etwa die Begründung des Vorwurfs, sie sei gegenüber den anderen Rechtsunterworfenen in der Zone Spinnerei ungleich behandelt worden. So bringt die Beschwerdeführerin dazu lediglich vor, einzig ihr Gebäude sei als Schutzobjekt ausgewählt und daran ein Exempel statuiert worden, während sämtliche übrigen Gebäude vollständig abgerissen oder stark verändert worden seien. Dies sei willkürlich und verstosse gegen Art. 8 BV. Aus der Beschwerde geht jedoch nicht ausreichend hervor, worin die Ungleichbehandlung liegen soll (vgl. zum Willkürverbot BGE 144 IV 136 E. 5.9 S. 143; 141 I 70 E. 2.2 S. 72; zum Gebot der Rechtsgleichheit 139 II 49 E. 7.1 S. 61; je mit Hinweisen). Auf derart pauschale Kritik ist nicht einzutreten.
 
2.
2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die vorinstanzliche Erwägung, der Ersatz der bisherigen Fenster werde nicht durch die Baubewilligung gedeckt, sei offensichtlich falsch und beinhalte eine willkürliche Beweiswürdigung. So hätten die Fenster bereits vor dem Umbau aus Kunststoff bestanden. Zudem werde im Systemnachweis Energie des Fritz Gygax vom 27. Juli 2012, welcher Grundlage der Baubewilligung gebildet habe, mehrfach erwähnt, dass die Türen und Fenster in Kunststoff ausgeführt würden. Da am Gebäude schon vor dem hier zu beurteilenden Bauvorhaben Rafflamellenstoren angebracht gewesen seien, sei die Vorinstanz des Weiteren in Willkür verfallen, indem sie den Ersatz der Storen durch das identische Material als nicht mit der Bau- und Zonenordnung vereinbar beurteilt habe. Offensichtlich unhaltbar sei überdies, ein Material zu verlangen, das sich von einem anderen nicht unterscheiden lasse, wie dies gemäss der Aussage der Fachperson für Ortsbildschutz des BVU bei Holz- und Kunststofffenstern der Fall sei.
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung kann es nur berichtigen oder ergänzen, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und für den Verfahrensausgang entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 143 IV 500 E. 1.1 S. 503; 140 III 264 E. 2.3 S. 266; je mit Hinweisen).
Eine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch dessen Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar als zutreffender erscheinen mag, genügt nicht (BGE 141 I 70 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen).
2.3. Die Vorinstanz erwägt mit Hinweis auf die einschlägigen kantonalen Normen, das streitbetroffene Gebäude sei im Kurzinventar der Baudenkmäler von kommunaler Bedeutung aufgeführt und sei der Spezialzone Spinnerei zugeordnet, welche die Erhaltung der kulturgeschichtlich bedeutsamen Bauten und Anlagen sowie deren Umgebung bezwecke (§ 15 Abs. 1 der vom Regierungsrat genehmigten Bau- und Nutzungsordnung der Gemeinde Turgi vom 24. November 1995 [BNO]). Um- und Ausbauten seien gemäss § 15 Abs. 4 BNO zulässig, soweit sie die charakteristische Bausubstanz nicht beeinträchtigen würden. Das hier zu beurteilende Verwaltungsgebäude der ehemaligen Spinnerei stehe unter kommunalem Substanzschutz. Nach § 23 Abs. 1 BNO dürften solche Gebäude nicht abgebrochen werden und seien zu unterhalten; innerhalb des bestehenden Bauvolumens dürften sie aus- und umgebaut werden, soweit dies dem Schutzziel nicht entgegenstehe. Da der Ersatz von Fenstern Auswirkungen auf das äussere Erscheinungsbild habe, sei dieser bewilligungspflichtig.
Mit Hinweis auf die Stellungnahme des BVU, Abteilung Raumentwicklung, Fachstelle Ortsbild, Siedlung, Städteentwicklung, schloss die Vorinstanz sodann, die Befensterung präge die Erscheinung wesentlich mit und Kunststofffenster seien aufgrund ihrer Materialisierung bei vergleichbaren Substanzschutzobjekten nicht bewilligungsfähig. Obwohl bekannt sei, dass bereits vor dem Umbau Rafflamellenstoren am Gebäude vorhanden gewesen seien, seien diese nicht bewilligungsfähig, da im Rahmen des Fensterersatzes eine Verbesserung anzustreben sei.
Die Vorinstanz erwägt weiter, auf dem mit dem Baugesuch vom 13. Juni 2012 eingereichten Fassadenplan seien die Fenster nicht mit roter Farbe eingezeichnet, weshalb deren Auswechslung nicht von der Bewilligung für den hier zu beurteilenden Umbau erfasst werde. Durch den Systemnachweis Energie vom 27. Juli 2012 seien die Kunststofffenster nicht genehmigt worden, da dieser im Gegensatz zum Energienachweis vom 25. Februar 2013 nicht mittels Verweis zum Inhalt der Baubewilligung geworden sei. Zudem handle es sich dabei um einen "nicht mehr gültigen Wärmedämmnachweis". Im Übrigen seien die eingebauten Fenster auch mit dem Energienachweis nicht bewilligt worden.
2.4. Bei der Renovation von Baudenkmälern kann verlangt werden, dass die ursprünglichen Materialien verwendet werden, soweit sie als charakteristische Eigenschaften zum Zeugniswert des Objektes beitragen (vgl. dazu Urteil 1C_578/2016 vom 28. Juni 2017 E. 4.6 mit Hinweisen, in: ZBl, 119/2018 S. 202). Grundsätzlich stellt es daher eine vertretbare Anwendung der oben erwähnten Bestimmungen dar, beim hier zu beurteilenden Umbau Anordnungen hinsichtlich des zu verwendenden Materials zu treffen. Im vorliegenden Fall lässt auch keine Willkür erkennen, beim Ersatz der Storen auf eine Verbesserung der optischen Erscheinung abzuzielen. So geht aus den Akten hervor, dass die vor dem Umbau am Gebäude vorhandenen Rafflamellenstoren ohne Baubewilligung installiert worden waren. Daher ist es haltbar, deren Ersatz durch neue Rafflamellenstoren als die charakteristische Bausubstanz beeinträchtigend bzw. dem Schutzziel entgegenstehend zu beurteilen. Da die Beschwerdeführerin nicht vorbringt, sie hätte für die zuvor angebrachten Kunststofffenster über eine Bewilligung verfügt und dies auch nicht ersichtlich ist, gilt dieselbe Überlegung auch für die Fenster. Deshalb ist für den Ausgang des Verfahrens nicht entscheidend, aus welchem Material diese im Zeitpunkt der Einreichung des Baugesuchs bestanden oder ob nach deren Ersatz ein Unterschied zum vorherigen Zustand sichtbar ist. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die eingebauten Kunststofffenster mit Rahmenverbreiterung den Anblick der Fassade verändern, da sie dicker und klobiger sind als Holzfenster. Selbst wenn bereits vor dem hier strittigen Bauvorhaben Rafflamellenstoren und Kunststofffenster am Gebäude angebracht waren, hält daher vor dem Willkürverbot stand, dass die Vorinstanz diese gestützt auf die Einschätzung der Fachbehörde als bewilligungspflichtig, aber nicht bewilligungsfähig erachtete. Dafür hatte sie keine weiteren Beweise abzunehmen. Schon aufgrund des Umstands, dass der Systemnachweis Energie in der Baubewilligung nicht erwähnt wird, ist im Übrigen auch der Schluss, durch diesen seien die Kunststofffenster nicht bewilligt worden, vertretbar.
Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz weder die Beweise willkürlich gewürdigt noch in offensichtlich unhaltbarer Weise kantonales Recht angewendet.
 
3.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine auszurichten (Art. 68 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Gemeinderat Turgi, dem Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau, und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. September 2018
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Merkli
Der Gerichtsschreiber: Schoch