BGer 1C_141/2017
 
BGer 1C_141/2017 vom 02.11.2017
1C_141/2017
 
Urteil vom 2. November 2017
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Stohner.
 
Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Politische Gemeinde Wattwil, vertreten durch den Gemeinderat, 9630 Wattwil,
Baudepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Strassenprojekt Bleikenstrasse (2. Bauetappe),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 20. Januar 2017 (B 2015/163).
 
Sachverhalt:
Mit Beschluss vom 25. Oktober 2011 genehmigte der Gemeinderat Wattwil das Strassenprojekt "Sanierung Bleikenstrasse 2. Bauetappe" sowie den Teilstrassenplan "Bleikenstrasse Nr. 2.76". Innert der Auflagefrist erhoben unter anderen A.A.________ und B.A.________ am 30. November 2011 Einsprache gegen das Projekt samt Teilstrassenplan. A.A.________ und B.A.________ sind Eigentümer des Grundstücks Gbbl. Nr. 464, von welchem für das Strassenprojekt 18 m2 Land in Anspruch genommen werden sollen. Zur Begründung ihrer Einsprache hielten sie fest, dass der gefahrenfreie und ohne zusätzliche Einschränkungen mögliche Werkverkehr zwischen den Fabrikgebäuden auf den Grundstücken Gbbl. Nrn. 464 und 465 zu gewährleisten sei.
Nach Durchführung von Einspracheverhandlungen, welche nicht zu einer einvernehmlichen Lösung führten, beschloss der Gemeinderat Wattwil am 2. Juli 2013 eine Projektänderung mit Verzicht auf die im Projekt von 2011 (im Bereich der Grundstücke Gbbl. Nrn. 367 und 371) geplante Mittelinsel. Am 31. Juli 2013 erwarben A.A.________ und B.A.________ das Grundstück Gbbl. Nr. 465 von zwei anderen Einsprechern. Am 2. August 2013 erhoben sie innert der Auflagefrist Einsprache gegen die Projektänderung und beantragten die Umsetzung des Projekts und des Teilstrassenplans gemäss ursprünglicher Planung mit Bau einer Mittelinsel, eventualiter mit Realisierung von anderen, gleichwertigen verkehrsberuhigenden Massnahmen. Die anschliessende Einspracheverhandlung vom 18. September 2013 führte nicht zu einer Einigung. Mit Entscheid vom 18. März 2014 wies der Gemeinderat Wattwil die Einsprachen gegen das Strassenprojekt und die Projektänderung samt Teilstrassenplan ab.
Diesen Entscheid fochten A.A.________ und B.A.________ mit Rekurs vom 15. April 2014 beim Baudepartement des Kantons St. Gallen an. Dieses führte am 4. November 2014 einen Augenschein durch. Mit Entscheid vom 2. Juli 2015 wies es den Rekurs ab.
Gegen diesen Entscheid erhoben A.A.________ und B.A.________ am 28. August 2015 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen. Mit Entscheid vom 20. Januar 2017 hiess dieses die Beschwerde zwar teilweise gut, dies aber nur hinsichtlich der Formulierung des Dispositivs des Rekursentscheids. In der Hauptsache wies es die Beschwerde ab.
A. Mit Eingabe vom 8. März 2017 führen A.A.________ und B.A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit den Hauptanträgen, es sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben, und es sei in Gutheissung der Beschwerde die Sanierung Bleikenstrasse (2. Bauetappe) gemäss ursprünglichem Projekt und Teilstrassenplan vom 19. August 2011 mit Mittelinsel, eventualiter mit anderen, gleichwertigen verkehrsberuhigenden Massnahmen, zu realisieren.
Das Verwaltungsgericht und die Gemeinde Wattwil stellen Antrag auf Beschwerdeabweisung. Das Baudepartement beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Die Beschwerdeführer halten an ihrem Standpunkt und an ihren Anträgen fest.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid des Verwaltungsgerichts im Bereich des Bau- und Planungsrechts steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (BGE 133 II 353 E. 2 S. 356). Die Beschwerdeführer haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und sind als Eigentümer der vom umstrittenen Strassenprojekt betroffenen Parzellen Gbbl. Nrn. 464 und 465 zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da auch die übrigen Eintretensvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten - einschliesslich Willkür bei der Anwendung kantonalen Rechts und bei der Sachverhaltsfeststellung - gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 281 f.; 136 I 229 E. 4.1 S. 235). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein. Wird eine Verletzung des Willkürverbots geltend gemacht, muss anhand der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 mit Hinweisen).
 
2.
2.1. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK, da das Planänderungsverfahren nicht ordentlich durchgeführt worden sei. Namentlich seien sie erst drei Tage vor Ende der Auflagefrist brieflich über die Projektänderung informiert worden, was nicht rechtskonform sei. Zudem hätten nicht alle massgeblichen Unterlagen aufgelegen, sondern seien teilweise erst Monate später erstellt worden. Zwar sei ihnen im Rekursverfahren Einsicht in diese Unterlagen gewährt worden; eine Heilung der Gehörsverletzung sei aber dennoch ausgeschlossen.
2.2. Die Vorinstanz hat eingehend begründet, dass beim Planänderungsverfahren die einschlägigen Bestimmungen des kantonalen Strassengesetzes vom 12. Juni 1988 (StrG/SG; sGS 732.1) eingehalten worden sind.
Die Beschwerdeführer setzen sich mit dieser Begründung nicht auseinander und rügen keine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts.
2.3. Die Vorinstanz hat weiter dargelegt, dass den Beschwerdeführern sowohl der Amtsbericht des kantonalen Strasseninspektorats vom 13. September 2014 wie auch die verkehrsplanerische Stellungnahme der C.________ AG vom 14. November 2013 anlässlich des Rekursaugenscheins zur Verfügung standen und sie Gelegenheit erhielten, sich hierzu vor Erlass des Rekursentscheids zu äussern. Eine Verpflichtung zur vorgängigen Zustellung der im Amtsbericht ausdrücklich erwähnten verkehrstechnischen Stellungnahme habe nicht bestanden.
Ferner hat die Vorinstanz ausgeführt, soweit die Beschwerdeführer beanstandeten, dass ihnen der Einsprachentscheid vom 18. März 2014 lediglich in Kopie zugestellt worden sei, sei festzuhalten, dass das Fehlen einer Originalunterschrift bzw. das Vorhandensein einer lediglich kopierten Unterschrift auf einem Einspracheentscheid zu keiner schwerwiegenden Verletzung von Parteirechten führe, jedenfalls wenn wie vorliegend von den Beschwerdeführern keine Zweifel an der Echtheit der kopierten Unterschrift geäussert würden. Den Beschwerdeführern seien aus der Heilung des Mangels im Rekursverfahren keine Nachteile erwachsen.
Auch mit dieser Entscheidbegründung setzen sich die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde nicht substanziiert auseinander, sondern stellen einzig ihre eigene Sicht der Dinge dar. Sie zeigen nicht auf, inwiefern die vorinstanzliche Begründung Bundesrecht verletzen sollte. Dies ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere bestreiten die Beschwerdeführer nicht, dass ihnen aus der von der Vorinstanz angenommenen Heilung der Gehörsverletzung im Rekursverfahren keine Rechtsnachteile erwachsen sind.
2.4. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs darin erblicken, dass die Vorinstanz ihren Beweisantrag auf Einholung eines neuen Amtsberichts abgewiesen hat, erweist sich ihr Vorbringen als unbegründet.
Die Vorinstanz hat erwogen, im Amtsbericht des kantonalen Strasseninspektorats vom 13. September 2014 sei eine umfassende Auseinandersetzung mit den Planungsgrundlagen einschliesslich der einschlägigen VSS-Normen erfolgt und eine überzeugende Würdigung vorgenommen worden, weshalb kein Anlass für die Einholung eines neuen Amtsberichts bestehe.
Die Beschwerdeführer legen in ihrer Beschwerde nicht dar, inwiefern diese Beweiswürdigung der Vorinstanz willkürlich sein sollte. Die Tatsache, dass in der im Amtsbericht erwähnten verkehrsplanerischen Stellungnahme der C.________ AG vom 14. November 2013 eine Fahrbahnbreite von rund 5,2 m empfohlen wurde, die projektierte Fahrbahnbreite jedoch 5,8 m beträgt, macht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer die Einholung eines neuen bzw. eines weiteren Amtsberichts nicht erforderlich. Die Abweichung wurde nachvollziehbar damit begründet, dass eine Fahrbahnbreite von 5,8 m das Kreuzen von zwei Lastwagen mit Breiten von je 2,6 m erlaube.
 
3.
Die Vorinstanz hat unter Bezugnahme auf den Rekursentscheid zusammenfassend erwogen, es sei unbestritten, dass die Sanierung der Bleikenstrasse angesichts des schlechten Strassenzustands aus Verkehrssicherheitsgründen erforderlich sei.
Zur Erreichung der angestrebten Verkehrsberuhigung seien sowohl betriebliche als auch bauliche Massnahmen möglich. Die schmale Fahrbahn von 5,8 m Breite und der Bau eines abgesetzten Trottoirs von 2,2 m Breite als Fussgängerschutz, durch welches die Strasse optisch schmaler wirke, verhinderten das Fahren mit übersetzten Geschwindigkeiten. Mit dieser Massnahme, welche auf der ganzen Ausbaulänge wirke, könne eine zureichende Verkehrsberuhigung erzielt werden, sodass sich der Einbau einer Mittelinsel nicht als notwendig erweise. Eine solche würde ohnehin nur eine partielle Wirkung entfalten, weil Fahrzeuglenker nach Passieren der Insel ihr Fahrzeug wieder beschleunigen würden. Damit entfalle die Verkehrsberuhigung bereits nach wenigen Metern. Zudem seien den Beschwerdeführern zusätzliche Verkehrsberuhigungsmassnahmen in unmittelbarer Nähe ihrer Liegenschaften in Aussicht gestellt worden. Die technische Ausführung dieser Massnahmen (rote Pfosten, Bodenmarkierungen und Warntafeln "Werkverkehr") sei im Situationsplan im Massstab 1:500 vom 5. Juni 2013 festgehalten.
Die Vorinstanz hat weiter ausgeführt, auf den beiden Parzellen der Beschwerdeführer befänden sich die Handels- und Produktionsstätten zweier wirtschaftlich eng verbundener Betriebe. Diese seien durch die Bleikenstrasse voneinander getrennt. Mitarbeiter der beiden Betriebe überquerten die Strasse nach Darlegungen der Beschwerdeführer mehrmals täglich (mit und ohne Handwagen). Auf beiden Parzellen erfolgten Be- und Entladungen von Lastwagen. Diese Strassenüberquerungen durch Fussgänger mit Handwagen und die Anlieferungen mit Lastwagen seien auch nach der Strassensanierung weiterhin gefahrlos möglich. Insgesamt bleibe die Benutzung der öffentlichen Strasse für die Beschwerdeführer bzw. für ihren Werkverkehr im gleichen Umfang gewährleistet wie bisher.
 
4.
4.1. Die Beschwerdeführer behaupten eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts. Eine willkürliche Beweiswürdigung oder eine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts wird von ihnen hingegen nicht substanziiert gerügt.
Die Beschwerdeführer bringen vor, nach der Sanierung der Bleikenstrasse sei deutlich mehr Verkehr zu erwarten. Es hätte insbesondere ermittelt werden müssen, mit welchem Verkehrsaufkommen neu zu rechnen sei. Hierfür wäre die Einholung eines neuen technischen Berichts notwendig gewesen. Der Sachverhalt sei mithin nicht rechtsgenüglich ermittelt worden, was offensichtlich unrichtig und willkürlich sei.
4.2. Die Vorinstanz hat in diesem Zusammenhang festgehalten, die von den Beschwerdeführern ins Feld geführte aktuelle und künftige Verkehrsbelastung bilde für die Beantwortung der Frage, ob die Mittelinsel anzubringen sei oder nicht, kein taugliches Kriterium. Zum einen diene eine Mittelinsel insofern nicht der besseren Bewältigung eines künftigen Mehrverkehrs, als sie den Verkehrsfluss als solchen nicht zu verbessern vermöge. Zum anderen dürfte ein künftig erhöhtes Verkehrsaufkommen tendenziell eher tiefere Geschwindigkeiten im betreffenden Strassenbereich bewirken.
4.3. Die Beschwerdeführer gehen in ihrer Beschwerde nicht auf die Begründung der Vorinstanz ein. Weshalb diese unhaltbar sein soll, ist nicht ersichtlich. Die Vorinstanz konnte mithin, ohne hierdurch in Willkür zu verfallen, darauf verzichten, die aktuelle und künftige Verkehrsbelastung mittels Einholen eines Gutachtens abzuklären.
Aus dem gleichen Grund erübrigt sich auch die Durchführung eines Augenscheins im bundesgerichtlichen Verfahren zwecks Feststellung der aktuellen Verkehrsbelastung. Der entsprechende Antrag der Beschwerdeführer ist abzuweisen.
5. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV).
Soweit die Rüge den Begründungsanforderungen überhaupt genügt (vgl. E. 1.2 hiervor), erweist sie sich als offensichtlich unbegründet.
Die Beschwerdeführer beantragen wie bereits im kantonalen Verfahren, es sei die Sanierung Bleikenstrasse (2. Bauetappe) gemäss ursprünglichem Projekt und Teilstrassenplan mit Mittelinsel zu realisieren. Sie beanstanden mithin einzig den mit der Projektänderung erfolgten Verzicht auf die Mittelinsel, nicht aber den mit dem Projekt verbundenen Landerwerb von 18 m2 von Parzelle Gbbl. Nr. 464. Dieser ist von der Projektänderung unabhängig. Letztere führt mithin nicht zu einem Eingriff in das Eigentum der Beschwerdeführer.
Nicht tangiert ist auch die Wirtschaftsfreiheit der Beschwerdeführer. Wie von der Vorinstanz willkürfrei festgestellt und von den Beschwerdeführern auch nicht substanziiert bestritten, bleibt der Werkverkehr der Beschwerdeführer nach der Realisierung des Strassenprojekts im gleichen Umfang gewährleistet wie bisher.
6. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Politischen Gemeinde Wattwil, dem Baudepartement des Kantons St. Gallen und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. November 2017
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Merkli
Der Gerichtsschreiber: Stohner