Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
9C_843/2016
Urteil vom 11. April 2017
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Keiser,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle Schaffhausen,
Oberstadt 9, 8200 Schaffhausen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 21. Oktober 2016.
Sachverhalt:
A.
Die 1961 geborene A.________ arbeitete zuletzt von Februar 2000 bis Juni 2010 (letzter Arbeitstag: 30. Januar 2009) als Küchenhilfe im Spital B.________. Im August 2009 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an unter Hinweis auf ein am 1. Februar 2009 gebrochenes Kreuzbein und einen Bandscheibenvorfall. An diesem Tag war sie mit den Skis bei einer Sesselbahn gestürzt.
Die IV-Stelle Schaffhausen zog die medizinischen Akten des Unfallversicherers bei, inklusive ein polydisziplinäres Gutachten (orthopädisch, psychiatrisch und neurologisch) der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 20. September 2012. Des Weitern veranlasste sie eine Haushaltabklärung, welche am 6. Dezember 2012 stattfand. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach sie A.________ für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 31. Mai 2012 eine ganze Invalidenrente zu (Verfügung vom 19. März 2014).
B.
Beschwerdeweise liess A.________ beantragen, es sei auf die Rentenbefristung zu verzichten und ihr auch über den 31. Mai 2012 hinaus eine Rente auszurichten. Des Weitern habe die IV-Stelle die Kosten des Berichtes des Dr. med. C.________, FMH Rheumatologie, FMH Innere Medizin, vom 22. November 2013 im Betrag von Fr. 567.45 zu übernehmen. Mit Entscheid vom 21. Oktober 2016 wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen die Beschwerde ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die Aufhebung des kantonalen Entscheides sowie die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zur weiteren Abklärung beantragen.
Erwägungen:
1.
1.1. Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Beschwerdeschrift die Begehren und deren Begründung zu enthalten; im Rahmen der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt, das Grund (Art. 95 ff. BGG) einer Beschwerde beim Bundesgericht bilden kann (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 49 E. 1.4.1 S. 53). Aus der Beschwerdeschrift muss ersichtlich sein, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid beanstandet wird. Der blosse Hinweis auf frühere Rechtsschriften oder auf den angefochtenen Entscheid genügt den Begründungsanforderungen nicht (BGE 134 I 303 E. 1.3 S. 306; 134 II 244 E. 2.1 S. 245; vgl. BGE 131 II 449 E. 1.3 S. 452; 123 V 335 E. 1a S. 336).
1.2. Da die Beschwerde an das Bundesgericht grundsätzlich ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG), muss sie einen Antrag in der Sache (vgl. Art. 42 Abs. 1 BGG) enthalten; ein blosser Antrag auf Rückweisung genügt nicht, ausser wenn das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden könnte (BGE 136 V 131 E. 1.2 S. 135 f.; 134 III 379 E. 1.3 S. 383).
1.3. Aus der Beschwerdebegründung, die in diesem Zusammenhang zur Interpretation beigezogen werden kann, ergibt sich, dass die Versicherte im Wesentlichen auf die Aufhebung der Rentenbefristung abzielt. Daher und weil das Bundesgericht im vorliegenden Fall bei Gutheissung der Beschwerde nicht reformatorisch entscheiden könnte, ist auf das Rechtsmittel einzutreten.
2.
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).
Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher Tatsachen, die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den Beweiswert von Arztberichten. Die konkrete Beweiswürdigung und die darauf beruhende Feststellung des Gesundheitszustandes bzw. der Arbeitsfähigkeit einer versicherten Person stellen demgegenüber Sachverhaltsfragen dar (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 142 V 342, veröffentlicht in SVR 2016 IV Nr. 41 S. 131).
3.
3.1. Das kantonale Gericht mass in Würdigung der medizinischen Akten dem MEDAS-Gutachten vom 20. September 2012 entscheidende Bedeutung zu. Gestützt darauf ging es davon aus, die Beschwerdeführerin sei ab 1. März 2012 lediglich noch zu 40 % arbeitsunfähig und es liege damit eine wesentliche Verbesserung ihres Gesundheitszustandes vor, so dass die Rente nach Ablauf von drei Monaten gemäss Art. 88a Abs. 1 IVV per 31. Mai 2012 aufzuheben sei. Die abweichenden späteren Einschätzungen der behandelnden Psychiaterin Dr. med. D.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, vom 25. August 2013 und 23. Februar 2014 vermöchten das MEDAS-Gutachten vom 20. September 2012 nicht in Frage zu stellen. Der Therapiebeginn bei der Psychiaterin sei erst im Juni 2013 erfolgt, mithin über ein Jahr nach dem massgebenden Referenzzeitpunkt (März 2012), weshalb eine psychische Komorbidität für diesen Zeitraum ausser Betracht falle. Ausserdem deute der Therapieunterbruch von November 2013 bis Februar 2014 darauf hin, dass die beschriebene mittelgradige depressive Episode keine dauerhafte invalidisierende Störung begründet habe. Die ärztlichen Berichte betreffend das somatische (Rücken-) Leiden, die nach dem MEDAS-Gutachten erstellt worden seien (unter anderem von Dr. med. C.________ am 15. Oktober 2012 und 22. November 2013), enthielten keine neuen Diagnosen, die nicht schon das Gutachten anführe. Unter Anwendung der gemischten Methode errechnete das Gericht wie die IV-Stelle einen Invaliditätsgrad von 32 %. Im Anteil "Erwerb" (80 %) wurde von einer Einschränkung um 40 % (gewichtet: 32 %) und im Anteil "Haushalt" (20 %) von einer Einschränkung um 0 % ausgegangen. Schliesslich wies das Gericht den Antrag ab, die Kosten für den ärztlichen Bericht des Dr. med. C.________ vom 22. November 2013 der IV-Stelle aufzuerlegen, da dieser keine neuen medizinischen Tatsachen hervorgebracht und zur Sachverhaltsabklärung nichts beigetragen habe.
3.2. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin kollidiert der angefochtene Entscheid in verschiedener Hinsicht mit Bundesrecht: Das Gericht habe den Sachverhalt qualifiziert falsch festgestellt, indem es angenommen habe, sie habe die Berichte der behandelnden Psychiaterin erst im Beschwerdeverfahren eingereicht. In Tat und Wahrheit seien diese bereits mit der Einsprache zu den Akten gegeben worden. Im Weitern habe die Vorinstanz - ebenfalls bundesrechtsverletzend - übersehen, dass mit der Verfügung vom 19. März 2014 auch über den Anspruch für die Zeit nach der Befristung (also nach Mai 2012) entschieden worden sei. Demgegenüber habe sich das Gericht aber "fälschlicherweise auf den Zeitpunkt der Aufhebung der befristeten Rente per 31. Mai 2012 fixiert", womit der Untersuchungsgrundsatz von Art. 43 ATSG schwerwiegend verletzt sei. Schliesslich bewirke die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als diskriminierend qualifizierte gemischte Methode, dass nicht einmal ein Anspruch auf eine Viertelsrente resultiere.
4.
4.1. Der Beschwerdeantrag lautet ausschliesslich auf Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids und Rückweisung zur weiteren Abklärung. Der Begründung lässt sich nicht entnehmen, weshalb auch bezüglich der (von der Vorinstanz verneinten) Kostenübernahmepflicht für den ärztlichen Bericht des Dr. med. C.________ vom 22. November 2013 eine weitere Abklärung angezeigt sein soll. Soweit das Rechtsbegehren auch diesen Punkt beinhaltet, ist darauf mangels Begründung nicht einzutreten.
4.2. Unbestritten sind die massgeblichen Vergleichszeitpunkte für die rückwirkend erfolgte Leistungszusprache der 1. Februar 2010 und der 31. Mai 2012 als Beginn und Ende des Rentenanspruchs. Davon ging zu Recht auch die Vorinstanz aus.
4.3. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, hat die IV-Stelle in der Verfügung vom 19. März 2014, mit welcher sie rückwirkend eine befristete Rente bis Mai 2012 zusprach, auch über den fehlenden Rentenanspruch für die Zeit zwischen Juni 2012 und März 2014 entschieden, denn der Beurteilungszeitraum einer Rentenverfügung umfasst die Zeit bis zu ihrem Erlass (BGE 121 V 362 E. 1b S. 366). Entgegen der Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz dies allerdings nicht übersehen, sondern gegenteils begründet, weshalb die von ihr im Einzelnen aufgeführten medizinischen Berichte nicht geeignet sind, die Einschätzung der MEDAS-Gutachter vom 20. September 2012 in Frage zu stellen. Sie hat mit anderen Worten nicht das Ende des Rentenanspruches (Mai 2012) "fixiert", sondern erwogen, der späte Therapiebeginn im Juni 2013 und ein Therapieunterbruch von November 2013 bis Februar 2014 wiesen darauf hin, dass keine langfristige invalidisierende Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Sowohl die entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen als auch die daraus folgende Beweiswürdigung, somit die begründete Entscheidung des fehlenden Rentenanspruchs von Juni 2012 bis März 2014 (Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung), verletzen Bundesrecht nicht. Ebenso wenig ist die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und die daraus abgeleitete Würdigung der somatischen Seite des Leidens zu beanstanden. Das kantonale Gericht hat begründet, weshalb die späteren rheumatologischen bzw. neurochirurgischen Berichte die frühere Einschätzung und Prognose des MEDAS-Gutachtens vom 20. September 2012 nicht in Frage zu stellen vermögen. Dem ist nichts beizufügen. Bundesrechtskonform hat das Gericht über den Rentenanspruch der Beschwerdeführerin für den ganzen Zeitraum bis und mit Verfügungserlass entschieden.
5.
5.1. Zu beurteilen ist schliesslich die Rüge der "Verletzung bindenden Rechts im Sinne von Art. 95 BGG", weil unter Anwendung der gemischten Invaliditätsbemessungsmethode nicht einmal eine Viertelsrente resultiere und die Beschwerdeführerin aus diesem Grund gemäss dem EGMR-Entscheid vom 2. Februar 2016 (7186/09) betreffend die gemischte Methode der Invaliditätsbemessung diskriminiert sei. Sie habe es, so ihr Vorbringen, vor dem Unfall im Jahr 2009 geschafft, neben der Besorgung des Familienhaushalts und dem Aufziehen der Kinder ausserhäuslich in einem 80 %-Pensum tätig zu sein. Dies dürfe ihr nach dem Entscheid des EGMR nicht zum Verhängnis werden.
5.2. Gleich aus mehreren Gründen ist auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen: Vorab genügt es den qualifizierten Anforderungen an die Begründung der Rüge von Verfassungs- und Konventionsverletzungen nicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254). Sodann geht es hier - anders als im Urteil des EGMR Di Trizio gegen Schweiz vom 2. Februar 2016 (7186/09) - um eine erstmalige Rentenzusprache an eine während des ganzen massgebenden Beurteilungszeitraumes als teilerwerbstätig mit Aufgabenbereich zu qualifizierende versicherte Person, auf welche Konstellation die gemischte Methode grundsätzlich weiterhin Anwendung finden kann (vgl. E. 4.4 des zur Umsetzung des EGMR-Entscheides vom 2. Februar 2016 ergangenen, zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteils 9F_8/2016 vom 20. Dezember 2016). Schliesslich wird weder begründet noch ist ersichtlich, auf welche Weise aufgrund des ausschliesslich auf "Rückweisung zur weiteren Abklärung" lautenden Beschwerdeantrages das von der Versicherten anvisierte Ziel, die Ermittlung ihres Invaliditätsgrades anhand einer vorteilhafteren Methode, erreicht werden könnte.
6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde betreffend den Rentenanspruch unbegründet. Damit hat es mit der auf die Zeit von Februar 2010 bis Mai 2012 befristeten Rente, wie mit Verfügung vom 19. März 2014 zugesprochen, sein Bewenden.
Soweit in der Beschwerde auch eine Rückweisung der Sache in Bezug auf die geforderte Kostenübernahme von Fr. 567.45 beantragt wird, ist darauf nicht einzutreten (vgl. vorne E. 4.1).
7.
Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 11. April 2017
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann