BGer 9F_11/2015
 
BGer 9F_11/2015 vom 10.02.2016
{T 0/2}
9F_11/2015
 
Urteil vom 10. Februar 2016
 
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiber Fessler.
 
Verfahrensbeteiligte
vertreten durch B.________,
Gesuchstellerin,
gegen
Gemeinde Maur, Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV, Zürichstrasse 8, 8124 Maur,
Gesuchsgegnerin.
Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 9C_681/2015 (Beschluss ZL.2014.00072) vom 13. November 2015.
 
Sachverhalt:
A. Mit Beschluss vom 13. Juli 2015 verpflichtete das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Gemeinde Maur, A.________ eine Prozessentschädigung von Fr. 600.- (inkl. Barauslagen und MWSt) für das Verfahren ZL.2014.00072 betreffend Zusatzleistungen (Ergänzungsleistungen nach Bundesrecht und Beihilfen nach kantonalem Recht) zu bezahlen.
B. Mit Urteil 9C_681/2015 vom 13. November 2015 trat das Bundesgericht a uf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten von A.________ nicht ein, da verspätet (Poststempel des Briefumschlags, in welchem die Rechtsschrift samt Beilagen enthalten war: 15. September 2015).
C. Mit Eingabe vom 11. Dezember 2015 ersucht A.________ um Revision des Urteils 9C_681/2015 vom 13. November 2015 in dem Sinne, dass auf die am 14. September 2015 der Schweizerischen Post übergebene Beschwerde gegen den Beschluss ZL.2014.00072 vom 13. Juli 2015 einzutreten und materiell darüber zu entscheiden sei, unter Befreiung von der Bezahlung von Gerichtskosten.
 
Erwägungen:
1. Das Revisionsgesuch, mit welchem die Revisionsgründe nach Art. 121 lit. d BGG und Art. 123 Abs. 2 lit. b BGG geltend gemacht werden, wurde rechtzeitig eingereicht (Art. 124 Abs. 1 lit. b und d BGG). Es genügt den Anforderungen an Antrag und Begründung (vgl. Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; Urteil 5F_2/2014 vom 4. Februar 2014 E. 1), sodass darauf einzutreten ist.
2. Das Bundesgericht begründete seinen Nichteintretensentscheid vom 13. November 2015 (E. 3) nach Darlegung der Rechtsgrundlagen im Wesentlichen wie folgt:
"Vorliegend lief die Beschwerdefrist unter Berücksichtigung des Stillstands vom 15. Juli bis und mit dem 15. August (Art. 46 Abs. 1 lit. b BGG) am 14. September 2015 ab. Der Briefumschlag, in welchem die Rechtsschrift samt Beilagen enthalten war, trägt den Poststempel vom 15. September 2015. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin hält dazu Folgendes fest: "Die Beschwerde wurde am Montag, den 14. September 2015, an einem kantonalen Feiertag (Knabenschiessen) vor zwei Zeuginnen in einen Briefkasten der Schweizerischen Post eingeworfen". Gemäss der nachträglichen Eingabe vom selben Tag handelt es sich bei den Zeugen um die Beschwerdeführerin und deren Tochter, welche unterschriftlich bestätigen, beobachtet zu haben, dass ihr Rechtsvertreter gegen zwanzig vor zwölf Uhr am Abend einen Briefumschlag, in dessen Sichtfenster die Adresse des Bundesgerichts in Luzern zu sehen gewesen sei, in den Briefkasten der Post bei der Bushaltestelle C.________ in D.________ geworfen habe.
Trotz der detaillierten und übereinstimmenden Angaben kann nicht auf diese Aussagen abgestellt werden. Weder die Beschwerdeführerin als Mandantin ihres Rechtsvertreters noch deren Tochter aufgrund des engen verwandtschaftlichen Verhältnisses können als unabhängige Zeugen für den behaupteten rechtzeitigen Einwurf der die Beschwerdeschrift samt Beilagen enthaltenden Briefsendung in einen Briefkasten der Post kurz vor Mitternacht des letzten Tages der Frist gelten. So oder anders bestätigen die beiden Damen lediglich, dass ein Briefumschlag mit der Adresse des Bundesgerichts in Luzern eingeworfen worden sei (...)."
3. 
3.1. Nach Art. 121 lit. d BGG kann die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts u.a. verlangt werden, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Dieser Tatbestand ist gegeben, wenn ein bestimmtes Aktenstück übersehen oder eine bestimmte wesentliche Aktenstelle unrichtig, insbesondere nicht mit ihrem wirklichen Wortlaut oder in ihrer tatsächlichen Tragweite wahrgenommen wurde, nicht hingegen wenn die Tatsache oder das Aktenstück in der äusseren Erscheinung richtig wahrgenommen und allenfalls bloss eine unzutreffende beweismässige oder rechtliche Würdigung vorgenommen wurde. Erheblich ist eine Tatsache, wenn sie geeignet ist, zu einem anderen, für den Gesuchsteller günstigeren Ergebnis zu führen (Urteile 2F_20/2012 vom 25. September 2012 E. 2.1 mit Hinweisen; 9F_3/2007 vom 20. Februar 2008 E. 1.3; ELISABETH ESCHER, in: Basler Kommentar Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 9 zu Art. 121 BGG). Zu den in den Akten liegenden Tatsachen im Sinne von Art. 121 lit. d BGG gehören auch Rechtsschriften und deren Inhalt. Unkenntnis des Inhalts eines bei den Akten liegenden Schriftstücks kann Anlass zur Revision geben (Urteil 2F_5/2009 vom 3. Juli 2009 E. 3.3 mit Hinweisen).
3.2. Nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG kann die Revision auch u.a. in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verlangt werden, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie in früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss von Tatsachen und Beweismitteln, die erst nach dem Entscheid entstanden sind. Erheblich in diesem Sinne sind Tatsachen, die geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer anderen Entscheidung zu führen (Urteil 5F_9/2009 vom 2. Februar 2010 E. 3.1 mit Hinweisen; ESCHER, a.a.O., N. 5 ff. zu Art. 123 BGG).
3.3. Allgemein gilt, dass die Revision nicht dazu dient, um angebliche Rechtsfehler, wie etwa die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, zu korrigieren (Urteile 2F_20/2012 vom 25. September 2012 E. 2.1 mit Hinweisen; 9F_15/2013 vom 24. März 2014 E. 2.2; Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Aufl. 2015, N. 21 zu Art. 121 BGG; ESCHER, a.a.O., N. 9 zu Art. 121 BGG).
 
4.
4.1. Die Gesuchstellerin bringt vor, nach der Rechtsprechung und aufgrund des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei bei Gesuchen um Revision eines Nichteintretensentscheids des Bundesgerichts wegen angeblicher verspäteter Beschwerdeerhebung die Geltendmachung von neuen Tatsachen und die Einreichung oder der Beizug neuer Beweismittel zulässig. Dieser Rechtsauffassung kann in dieser absoluten Form nicht beigepflichtet werden. Die in diesem Zusammenhang erwähnten Urteile 1F_26/2014 vom 28. Juli 2014, 6F_15/2012 vom 2. Oktober 2012 und 5C.282/2006 vom 4. April 2007 sind insofern nicht von präjudizieller Bedeutung, als das Bundesgericht in allen Fällen einzig aufgrund des nach Ablauf der Rechtsmittelfrist datierenden Poststempels auf die Beschwerde nicht eingetreten war. Die betreffenden Beschwerdeführer konnten somit weder Tatsachen vorbringen noch die dazu erforderlichen Beweismittel einreichen zum Nachweis der rechtzeitigen Erhebung des Rechtsmittels bzw. im Fall 5C.282/2006 des rechtzeitig gestellten Gesuchs um Verlängerung der Frist zur Zahlung des Kostenvorschusses. Vorliegend hatte indessen die Gesuchstellerin - im Wissen darum, dass der Poststempel nach Ablauf der Rechtsmittelfrist datierte - in der Beschwerde geltend gemacht, ihr Rechtsvertreter habe die Rechtsschrift samt Beilagen vor Mitternacht des letzten Tages der Frist in einen Briefkasten der Post geworfen; zum Beweis legte sie je eine schriftliche Bestätigung von ihr und ihrer Tochter des im Einzelnen geschilderten Vorgangs ins Recht (E. 2 vorne). Das Bundesgericht hat den Beweis nicht als erbracht erachtet, im Wesentlichen wegen der fehlenden Unabhängigkeit der beiden Zeuginnen. Soweit es dabei das Recht unrichtig angewendet haben sollte, wie die Gesuchstellerin namentlich unter Hinweis auf das Urteil K 77/03 vom 1. Mai 2005 E. 1.4 vorbringt, könnte darauf im Revisionsverfahren nicht zurückgekommen werden (E. 3.3 vorne; vgl. in diesem Zusammenhang auch Urteil 1C_458/2015 vom 16. November 2015 E. 2.2-4, wo die rechtzeitige Beschwerdeerhebung durch Einwurf der Rechtsschrift in einen Briefkasten, nachträglich bestätigt durch eine Drittperson und den Rechtsvertreter, ohne deren Einvernahme aufgrund der Umstände nicht als nachgewiesen erachtet wurde). Nicht anders verhält es sich, soweit durch den Verzicht auf weitere Abklärungen das rechtliche Gehör verletzt worden sein sollte.
4.2. Weiter bringt die Gesuchstellerin vor, das Bundesgericht habe mehrere in den Akten liegende erhebliche Tatsachen übersehen oder diese nicht in ihrer tatsächlichen Tragweite wahrgenommen. Was sie zur Begründung vorträgt, sticht indessen nicht: Vorab kann der Hinweis in der Beschwerde auf das Urteil K 77/03 vom 1. Mai 2005 nicht als Tatsache im Sinne von Art. 121 lit. d BGG betrachtet werden, liefe dies doch letztlich auf die erneute rechtliche Beurteilung der im Urteil 9C_681/2015 vom 13. November 2015 geprüften und verneinten Frage der rechtzeitigen Postaufgabe hinaus (E. 3.3 vorne). Sodann trifft zwar zu, dass die beiden Zeuginnen den Einwurf der "Beschwerde" in einen Briefkasten der Post kurz vor Mitternacht des letzten Tages der Frist bestätigten und nicht bloss den Einwurf eines Briefumschlags mit der Adresse des Bundesgerichts in Luzern, wie in E. 3 dieses Erkenntnisses festgehalten wurde (E. 2 vorne). Diese Feststellung ist indessen Ergebnis der Beweiswürdigung; diesbezügliche Kritik kann im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Im Übrigen verkennt die Gesuchstellerin, dass die fehlende Unabhängigkeit der beiden Zeuginnen der hauptsächliche Grund dafür war, dass der Beweis für die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung nicht als erbracht erachtet wurde. Weiter ist nicht einsehbar, inwiefern die angeblich vom Bundesgericht ebenfalls übersehene Tatsache der unterschiedlichen Poststempel und der unterschiedlichen Art der Frankatur auf dem Briefumschlag der Beschwerde und denjenigen der beiden Bestätigungen von entscheidwesentlicher Bedeutung ist bzw. gewesen wäre. Schliesslich kann keine Rede davon sein, das Bundesgericht habe im Sinne von Art. 121 lit. d BGG Datum und Uhrzeit des Ausdrucks von zwei Kontoauszügen übersehen, welche die Gesuchstellerin mit der Beschwerde eingereicht hatte, dienten diese Dokumente doch, wie sie selber festhält, dem Nachweis der Bedürftigkeit als eine Voraussetzung der beantragten unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 64 Abs. 1 BGG).
4.3. Das Revisionsgesuch ist unbegründet.
5. Umständehalber werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 10. Februar 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Glanzmann
Der Gerichtsschreiber: Fessler