BGer 2C_298/2014
 
BGer 2C_298/2014 vom 12.12.2014
{T 0/2}
2C_298/2014
 
Urteil vom 12. Dezember 2014
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz, Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Genner.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Katja Ammann,
gegen
Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 17. Februar 2014.
 
Sachverhalt:
A. A.________, ein am 1. Juli 1975 geborener Staatsangehöriger Bangladeschs, reiste am 10. Januar 2004 in die Schweiz ein, um eine Hotelfachschule zu besuchen. Das Amt für Migration des Kantons Luzern erteilte ihm dafür eine Aufenthaltsbewilligung, die zuletzt bis am 14. Oktober 2008 verlängert wurde. Danach hielt er sich einige Monate rechtswidrig in der Schweiz auf. Bereits am 12. Juli 2006 war er ausländerrechtlich verwarnt worden, weil er die Bedingungen, um sich in der Schweiz aufhalten zu dürfen, nicht eingehalten hatte.
B. Am 31. Oktober 2012 widerrief das Migrationsamt die Aufenthaltsbewilligung von A.________ und wies ihn aus der Schweiz weg. Den dagegen erhobenen Rekurs wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich am 6. November 2013 ab, wobei sie infolge Ablaufs der Bewilligung deren Verlängerung verweigerte. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich bestätigte diesen Entscheid mit Urteil vom 17. Februar 2014.
C. A.________ erhebt am 26. März 2014 Beschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Migrationsamt anzuweisen, seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Zudem beantragt er die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung unter Beiordnung seiner Rechtsvertreterin als unentgeltlichen Rechtsbeistand.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Der verfahrensabschliessende Entscheid des Verwaltungsgerichts als letzter kantonaler Gerichtsinstanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts unterliegt grundsätzlich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. a BGG, Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG, Art. 90 BGG). Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt.
1.2. Auf die gleichzeitig erhobene, ebenfalls auf den Bewilligungsanspruch zielende subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist nicht einzutreten (Art. 113 BGG). Die damit geltend gemachte Verletzung von Art. 29 Abs. 2 und Art. 9 BV ist gemäss Art. 95 lit. a BGG im Rahmen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu prüfen.
2. Das angefochtene Urteil wurde dem Beschwerdeführer am 25. Februar 2014 zugestellt. Die Beschwerdefrist von 30 Tagen (vgl. Art. 100 Abs. 1 BGG) hat somit am 26. Februar 2014 zu laufen begonnen und am 27. März 2014 geendet. Die Beschwerdeergänzung vom 1. April 2014 ist daher verspätet (vgl. BGE 132 I 42 E. 3.3.4 S. 47). Die mit dieser Eingabe eingereichte Bestätigung der CSS Versicherung vom 28. März 2014 ist jedoch ohnehin als echtes Novum im bundesgerichtlichen Verfahren unbeachtlich (BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; vgl. auch E. 3.3 hiernach).
 
3.
3.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG); es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 139 II 404 E. 3 S. 415). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 II 304 E. 2.5 S. 314).
3.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen; auf rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsfeststellung geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445).
3.3. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Art. 99 Abs. 1 BGG zielt auf Tatsachen ab, die erst durch das angefochtene Urteil rechtserheblich werden. Solche sogenannte "unechte Noven" sind beispielsweise zulässig, wenn die Vorinstanz ein neues rechtliches Argument anführt, mit dem die Partei zuvor nicht konfrontiert worden war (vgl. Urteil 5A_115/2012 vom 20. April 2012 E. 4.4.2). Unzulässig sind hingegen neue Tatsachen, die bereits der Vorinstanz hätten vorgelegt werden können (BGE 136 III 123 E. 4.4.3 S. 129).
4. Die Vorinstanz begründet die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung in erster Linie damit, der Beschwerdeführer sei nicht erfolgreich integriert. Ein Anspruch aus Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG sei daher zu verneinen, so dass offen gelassen werden könne, ob die Ehe nur zum Schein geschlossen worden sei und die Berufung darauf rechtsmissbräuchlich sei. Zudem habe der Beschwerdeführer den Widerrufsgrund von Art. 62 lit. e AuG gesetzt, nachdem er und seine Frau während rund dreieinhalb Jahren durch die öffentliche Sozialhilfe hätten unterstützt werden müssen und der Beschwerdeführer für Forderungen von insgesamt Fr. 9'494.75 habe betrieben werden müssen sowie im Jahr 2009 einen offenen Verlustschein aufgewiesen habe.
5. Der Beschwerdeführer moniert, die Vorinstanz habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV, teils in Verbindung mit dem Willkürverbot nach Art. 9 BV, verletzt.
5.1. Die Vorinstanz habe die Tatsache übergangen, dass er - der Beschwerdeführer - vor und nach seinem Eheleben keine Sozialhilfe bezogen habe. Sie habe unberücksichtigt gelassen, dass seine Ehefrau vor, während und nach der Ehe Sozialhilfegelder habe beziehen müssen und während der Ehe kaum gearbeitet habe. In Berücksichtigung dieser Tatsachen hätte die Vorinstanz seine wirtschaftliche Integration bejahen müssen.
5.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe die Schweiz in den letzten zehn Jahren nie verlassen und fast einen Drittel seines Lebens ununterbrochen hier verbracht. Die Vorinstanz sei aktenwidrig davon ausgegangen, dass er sich erst fünf Jahre in der Schweiz aufhalte, und habe die Zumutbarkeit einer Rückkehr nach Bangladesch zu Unrecht bejaht.
5.3. Sodann habe die Vorinstanz die Tatsache übergangen, dass er - der Beschwerdeführer - in der Schweiz verheiratet sei. Allein diese Tatsache begründe eine vertiefte Integration.
 
6.
6.1. Die Aufenthaltsbewilligung war dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 43 Abs. 1 AuG erteilt worden. Gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG besteht nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft der Anspruch des Ehegatten auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach den Art. 42 und 43 AuG weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration vorliegt. Aus dem Sachverhalt, wie er dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt wurde, ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die Ehegemeinschaft vor dem 20. Juni 2012 aufgelöst worden oder dass die Ehe gar nur zum Schein geschlossen worden wäre. Es ist somit davon auszugehen, dass die Ehegemeinschaft während mehr als drei Jahren bestanden hat. Es beleibt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer erfolgreich integriert ist.
6.2. Gemäss Art. 77 Abs. 4 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) liegt eine erfolgreiche Integration im Sinn von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG vor, wenn die Ausländerin oder der Ausländer namentlich die rechtsstaatliche Ordnung und die Werte der Bundesverfassung respektiert (lit. a) und den Willen zur Teilnahme am Wirtschaftsleben und zum Erwerb der am Wohnort gesprochenen Landessprache bekundet (lit. b). Nach Art. 4 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern (VintA; SR 142.205) zeigt sich der Beitrag der Ausländerinnen und Ausländer zu ihrer Integration namentlich in der Respektierung der rechtsstaatlichen Ordnung und der Werte der Bundesverfassung (lit. a), im Erlernen der am Wohnort gesprochenen Landessprache (lit. b), in der Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen in der Schweiz (lit. c) sowie im Willen zur Teilnahme am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung (lit. d). Es fragt sich, ob der Beschwerdeführer die in Art. 77 Abs. 4 lit. b VZAE genannten Anforderungen, welche in Art. 4 lit. b und d VintA nochmals erwähnt werden, erfüllt.
6.3. Rechtsprechungsgemäss ist eine erfolgreiche Integration zu verneinen, wenn eine Person kein Erwerbseinkommen erwirtschaften kann, welches ihren Konsum zu decken vermag, und während einer substanziellen Zeitdauer von Sozialleistungen abhängig ist (Urteile 2C_930/2012 vom 10. Januar 2013 E. 3.1; 2C_857/2010 vom 22. August 2011 E. 2.3.1; 2C_546/2010 vom 30. November 2010 E. 5.2.3 und 5.2.4). Eine erfolgreiche Integration setzt indessen nicht voraus, dass die ausländische Person eine gradlinige Karriere in einer besonders qualifizierten Tätigkeit absolviert hat. Ebenso wenig ist nötig, dass ein hohes Einkommen erzielt wird. Berufliche Stabilität kann auch durch die Ausübung einfacher Tätigkeiten im mittleren oder niedrigen Lohnsegment erreicht werden, beispielsweise in der Reinigungsbranche (Urteile 2C_749/2011 vom 20. Januar 2012 E. 3.3; 2C_426/2011 vom 30. November 2011 E. 3.3). Entscheidend ist, dass die ausländische Person für sich sorgen kann, keine (nennenswerten) Sozialhilfeleistungen bezieht und sich nicht verschuldet (Urteil 2C_430/2011 vom 11. Oktober 2011 E. 4.2).
6.4. Die berufliche und wirtschaftliche Integration des Beschwerdeführers kann nicht als erfolgreich bezeichnet werden.
6.4.1. Obwohl er eine Ausbildung in Luzern abgeschlossen und diverse Praktika absolviert haben will, gelang es ihm nicht, auf dem Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Die am 4. Januar 2010 in einem Hotel angetretene Stelle kündigte der Beschwerdeführer nach wenigen Monaten von sich aus und wechselte im Juni 2010 in ein Restaurant in Luzern. Dieses Arbeitsverhältnis dauerte nur wenige Wochen, bevor es Ende Juni 2010 wieder aufgelöst wurde. In den folgenden sieben Monaten war der Beschwerdeführer arbeitslos; von Februar 2011 bis März 2012 arbeitete er in zwei verschiedenen Restaurants in Zürich. Ab April 2012 war er erneut arbeitslos; wie lange, geht weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus der Beschwerdeschrift hervor.
6.4.2. Der Beschwerdeführer verdiente mit seinen Aushilfstätigkeiten deutlich zu wenig, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten bzw. seinen Anteil zum Lebensunterhalt des Ehepaars beizutragen. Deswegen mussten er und seine Frau während dreieinhalb Jahren von der Sozialhilfe mit insgesamt Fr. 82'927.30.-- unterstützt werden. Diese Dauer ist zweifellos substanziell im Sinn der zitierten Rechtsprechung; in dieser Zeit haben der Beschwerdeführer und seine Frau monatlich rund Fr. 2'764.-- bezogen.
6.5. Die Vorinstanz verneint eine gelungene Integration zudem mit dem Hinweis, die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers seien mangelhaft: Bei der Eheschutzverhandlung vor dem Bezirksgericht Bülach vom 7. August 2012 sei er auf eine Übersetzung angewiesen gewesen.
6.6. Nach dem Gesagten sind die Voraussetzungen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG nicht erfüllt. Ein Anspruch aus Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG wird nicht geltend gemacht.
7. Zu prüfen bleibt, ob die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung verhältnismässig ist (BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381).
8. Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.
8.1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der unterliegende Beschwerdeführer gemäss Art. 66 Abs. 1 BGG grundsätzlich kostenpflichtig; er hat indessen um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. In Anbetracht der Sach- und Rechtslage und der Rechtsprechung in Fällen wie dem vorliegenden waren dem Rechtsmittel keine realistischen Erfolgsaussichten beschieden. Die Beschwerde erweist sich damit als aussichtslos. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen und die (umständehalber reduzierten) Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.
8.2. Ausgangsgemäss ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.
2. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
3. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
4. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
5. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 12. Dezember 2014
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Die Gerichtsschreiberin: Genner