Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_512/2011
Urteil vom 8. September 2011
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber C. Monn.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Lisa Zaugg,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
2. Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Fredy Fässler,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Fristwiederherstellung; mehrfache sexuelle Handlungen mit einem Kind; Willkür,
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 14. Dezember 2010.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das angefochtene Urteil wurde dem seinerzeitigen Vertreter des Beschwerdeführers am 28. Januar 2011 zugestellt. Die Beschwerde hätte daher, um rechtzeitig zu sein, bis spätestens Montag, 28. Februar 2011, beim Bundesgericht eingereicht werden müssen (Art. 100 Abs. 1 BGG). Innert der Frist ging keine Beschwerde ein. Auf eine Beschwerde, die der Beschwerdeführer persönlich am 4. März 2011 eingereicht hatte, trat das Bundesgericht mit Urteil 6B_158/2011 vom 10. März 2011 nicht ein, weil sie verspätet war.
Mit Eingabe vom 5. August 2011 wendet sich die neue Vertreterin des Beschwerdeführers ans Bundesgericht. In prozessualer Hinsicht beantragt sie, die versäume Frist zur Beschwerde ans Bundesgericht sei wiederherzustellen (Beschwerde S. 2).
2.
Der Beschwerdeführer bezieht sich auf die schweizerische Strafprozessordnung (Beschwerde S. 5). Da es um die Wiederherstellung der Beschwerdefrist vor Bundesgericht geht, ist indessen das Bundesgerichtsgesetz (BGG) anwendbar.
3.
Ist eine Partei oder ihr Vertreter bzw. ihre Vertreterin durch einen anderen Grund als die mangelhafte Eröffnung des angefochtenen Entscheids unverschuldeterweise abgehalten worden, fristgerecht zu handeln, so wird die Frist wiederhergestellt, wenn die Partei unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt (Art. 50 Abs. 1 BGG).
Der Beschwerdeführer macht geltend, ihn treffe am Versäumnis kein Verschulden. Sein seinerzeitiger Vertreter habe ihm das angefochtene Urteil weitergeleitet und mitgeteilt, dass er nicht bereit sei, ihn weiter zu vertreten, zumal er einen Weiterzug des Urteils für praktisch aussichtslos halte. In der Folge habe er, der Beschwerdeführer, selber eine Beschwerde ans Bundesgericht verfasst, wobei er davon ausgegangen sei, dass nicht der Eingang des Urteils bei seinem seinerzeitigen Vertreter massgebend sei, sondern der Tag, an dem das Urteil bei ihm persönlich einging (Beschwerde S. 6 - 9).
Indem der Beschwerdeführer ohne weiteres von der irrigen Annahme ausging, massgebend sei der Eingang des Urteils bei ihm persönlich, hat er die gebotene Sorgfalt vermissen lassen. In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Entscheids hatte die Vorinstanz ausdrücklich festgehalten, das Urteil werde an den Vertreter zugestellt, und massgebend für den Lauf der Beschwerdefrist sei die Zustellung des Urteils (S. 17). Der Beschwerdeführer, der nach den eigenen Angaben bereits ausreichend mit der Justiz zu tun hatte und sich überdies der Bedeutung der Fristen bewusst ist (Beschwerde S. 7), hätte Anlass gehabt, sich nach der genauen Bedeutung der Rechtsmittelbelehrung zu erkundigen. Da er dies unterlassen hat, trifft ihn an der Säumnis ein Verschulden, so dass die Frist nicht wiederhergestellt werden kann. Im Übrigen ist das Gesuch noch aus einem anderen Grund abzuweisen.
Wie ausgeführt, muss die Partei innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachholen. Dem Beschwerdeführer war spätestens am 17. März 2010, als ihm das bundesgerichtliche Urteil 6B_158/2011 vom 10. März 2011 ausgehändigt wurde, bekannt, dass er die Beschwerdefrist verpasst hatte. In Berücksichtigung der Gerichtsferien über Ostern hätte er somit die versäumte Rechtshandlung spätestens am Montag, 2. Mai 2011, nachholen müssen. Die neue Beschwerde datiert indessen erst vom 5. August 2011. Zur Begründung dieser dreimonatigen Verspätung macht der Beschwerdeführer geltend, das Mandatsverhältnis mit seiner neuen Vertreterin sei erst am 6. Juli 2011 zustande gekommen, und erst an diesem Datum sei der Säumnisgrund weggefallen (Beschwerde S. 10). Davon kann nicht die Rede sein, zumal es dem Beschwerdeführer ja mindestens möglich gewesen wäre, bis zum 2. Mai 2011 persönlich eine Beschwerdeschrift einzureichen (wie er es am 4. März 2011 bereits getan hatte). Die Ansicht, er habe statt dessen zunächst einen Anwalt oder eine Anwältin suchen und erst nach dessen oder deren Mandatierung die versäumte Rechtshandlung nachholen können, ist verfehlt.
Das Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist ist abzuweisen. Folglich ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
4.
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdegegnerin 2 ist keine Entschädigung auszurichten, weil sie nicht zur Vernehmlassung aufgefordert wurde und vor Bundesgericht deshalb keine Umtriebe hatte.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Das Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist wird abgewiesen.
2.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
3.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
4.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. September 2011
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Der Gerichtsschreiber: C. Monn