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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_540/2009
Urteil vom 26. Februar 2010
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Bundesrichter Karlen,
Gerichtsschreiber Winiger.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Regierungsrat des Kantons Zürich.
Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Kammer,
vom 29. Juli 2009.
Sachverhalt:
A.
X.________ (geb. 1957) ist Staatsangehörige der Ukraine und reiste anfangs April 2006 in die Schweiz ein. Am 19. April 2006 heiratete sie den Schweizer Staatsangehörigen Z.________ (geb. 1949), worauf ihr die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich eine Aufenthaltsbewilligung erteilte. Im Sommer 2006 reiste ihr Sohn Y.________ (geb. 1992), der aus einer früheren Beziehung stammt und ebenfalls ukrainischer Staatsangehöriger ist, in die Schweiz ein. Das Migrationsamt erteilte ihm eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei der Mutter. Die Aufenthaltsbewilligungen wurden letztmals bis zum 18. April 2008 verlängert.
Das eheliche Zusammenleben zwischen X.________ und Z.________ wurde spätestens im Oktober 2008 aufgegeben, weshalb die Sicherheitsdirektion die Gesuche von X.________ und Y.________ vom 26. Februar 2008 um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung mit Entscheid vom 7. November 2008 abwies. Die Sicherheitsdirektion erwog, mit der Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft sei der Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung erloschen. Da die eheliche Gemeinschaft weniger als drei Jahre gedauert habe, sei über den weiteren Aufenthalt nach freiem Ermessen zu entscheiden. Es liege keine massgebliche Integration vor, die zu berücksichtigen sei, und die Rückkehr in die Ukraine sei für X.________ zumutbar, womit auch die Grundlage für eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für Y.________ entfalle.
Hiergegen rekurrierten X.________ und Y.________ erfolglos beim Regierungsrat des Kantons Zürich. Eine beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eingereichte Beschwerde wurde von diesem mit Urteil vom 29. Juli 2009 abgewiesen.
B.
Mit Eingabe vom 31. August 2009 erhebt X.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Sie beantragt sinngemäss die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils ("Ich und mein Sohn ersuchen Sie, unsere Beschwerde gutzuheissen und uns zu ermöglichen, in der Schweiz zu bleiben").
C.
Der Regierungsrat des Kantons Zürich - vertreten durch seine Staatskanzlei - und das Bundesamt für Migration schliessen auf Abweisung der Beschwerde, während das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich hat sich nicht geäussert.
D.
Mit Verfügung vom 14. September 2009 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Erwägungen:
1.
1.1 Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG schliesst die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide über ausländerrechtliche Bewilligungen aus, auf deren Erteilung weder nach dem Bundes- noch dem Völkerrecht ein Rechtsanspruch besteht.
1.2 Gemäss Art. 42 Abs. 1 des auf den 1. Januar 2008 in Kraft getretenen, hier unbestrittenermassen anwendbaren Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) haben ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von Schweizerinnen und Schweizern Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen.
X.________ ist zwar seit dem 19. April 2006 mit einem Schweizer Bürger verheiratet; das eheliche Zusammenleben wurde aber spätestens im Oktober 2008 aufgegeben, sodass gestützt auf Art. 42 Abs. 1 AuG kein Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abgeleitet werden kann. Hingegen beruft sich die Beschwerdeführerin auf Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG, wonach bei einer Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft ein Anspruch des Ehegatten auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung besteht, wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen. Die Beschwerdeführerin kann somit gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG einen Anspruch im Sinne von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG geltend machen (Urteile 2C_416/2009 vom 8. September 2009 E. 2.1.2; 2C_216/2009 vom 20. August 2009 E. 1.4).
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist damit zulässig und die Beschwerdeführerin ist hierzu legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die im Übrigen fristgerecht eingereichte Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten (vgl. jedoch E. 1.4 hiernach).
1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt bzw. vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine entsprechende Rüge, welche rechtsgenüglich substantiiert vorzubringen ist (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.), setzt zudem voraus, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
1.4 Hier ist jedoch selbst bei einer gegenüber Laienbeschwerden grosszügigen Betrachtungsweise fraglich, ob die Beschwerdeschrift den gesetzlichen Begründungsanforderungen zu genügen vermag. Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Rechtsschrift die Begehren und deren Begründung zu enthalten; im Rahmen der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Vorbringen müssen sachbezogen sein, damit aus der Beschwerdeschrift ersichtlich ist, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid beanstandet wird. Eine diesen Anforderungen genügende Begründung ist hier nur teilweise zu erkennen. Soweit eine solche fehlt, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
2.
2.1 Gemäss Art. 50 Abs. 1 AuG besteht der Anspruch des ausländischen Ehegatten eines Schweizers auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 42 AuG (vgl. auch E. 1.2 hiervor) weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (lit. a) oder wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (lit. b). Wichtige persönliche Gründe nach Abs. 1 lit. b können gemäss Art. 50 Abs. 2 AuG namentlich dann vorliegen, wenn die Ehegattin Opfer ehelicher Gewalt wurde und die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (vgl. auch Art. 77 Abs. 2 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201] für den Familiennachzug im Rahmen von Art. 44 AuG).
Art. 50 AuG bezweckt die Vermeidung von schwer wiegenden Härtefällen bei der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002, BBl 2002 3753 Ziff. 1.3.7.5). Ein weiterer Aufenthalt in der Schweiz kann sich etwa dann als gerechtfertigt erweisen, wenn der in der Schweiz lebende Ehepartner verstorben ist oder wenn aufgrund der gescheiterten Ehe die familiäre und soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark erschwert wird. Dies gilt auch, wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind, zu denen eine enge Beziehung besteht und die in der Schweiz gut integriert sind. Zu berücksichtigen sind jedoch stets auch die Umstände, die zur Auflösung der Gemeinschaft geführt haben. Steht fest, dass die im Familiennachzug zugelassene Person durch das Zusammenleben in ihrer Persönlichkeit ernstlich gefährdet ist und ihr eine Fortführung der ehelichen Beziehung nicht länger zugemutet werden kann, ist dies beim Entscheid besonders in Rechnung zu stellen. Demgegenüber ist eine Rückkehr zumutbar, wenn der Aufenthalt in der Schweiz nur kürzere Zeit gedauert hat, keine engen Beziehungen zur Schweiz geknüpft wurden und die erneute Integration im Herkunftsland keine besonderen Probleme stellt (BBl 2002 3754 Ziff. 1.3.7.6).
Dabei ist zu beachten, dass die Aufzählung in Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG nicht abschliessend ist (vgl. den Ausdruck "namentlich"), so dass den Behörden ein gewisser Beurteilungsspielraum verbleibt. Die eheliche Gewalt einerseits und die starke Gefährdung der sozialen Wiedereingliederung im Herkunftsland andererseits können ihrem Ausmass und den Gesamtumständen entsprechend bei der Beurteilung je für sich allein bereits einen wichtigen persönlichen Grund begründen; die eheliche Gewalt muss dabei aber eine gewisse Intensität erreicht haben. Unter Umständen können somit - entgegen den Ausführungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid (E. 2.7.1) - sowohl die eheliche Gewalt wie auch die Gefährdung der sozialen Wiedereingliederung im Herkunftsland grundsätzlich einen wichtigen persönlichen Grund im Sinne von Art. 50 Abs. 2 AuG darstellen; diese Bedingungen müssen nicht kumulativ erfüllt sein. Sind jedoch beide Bedingungen erfüllt, drängt sich die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für die Ehegattin auf (BGE 2C_460/2009 vom 4. November 2009 E. 5.3).
2.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass die Vorinstanz zu Unrecht festgestellt habe, für sie und ihren Sohn sei die Rückkehr in die Ukraine zumutbar. Sie führt aus, dass sie ein eigenes Geschäft aufgebaut habe und als Schneiderin arbeite sowie all ihren Verpflichtungen regelmässig nachgekommen sei. Sie spreche fliessend die hiesige Landessprache. In der Ukraine gebe es für sie keinerlei Arbeitsmöglichkeiten und sie habe auch keinen Kontakt mehr zu Bekannten in der Ukraine. Zudem stehe sie in psychologischer Behandlung aufgrund einer "posttraumatischen Belastungsstörung", die sie infolge der von ihrem Ehemann ausgehenden Gewalt erlitten habe; diese Behandlung könnte sie in der Ukraine nicht weiterführen. Auch ihr Sohn habe sich in der Schweiz gut integriert; dieser könnte seine gewünschte Ausbildung in der Ukraine nicht weiterführen.
2.3 Im angefochtenen Entscheid kam die Vorinstanz zwar zum Ergebnis, die Beschwerdeführerin habe das Vorliegen ehelicher Gewalt genügend glaubhaft gemacht. Hingegen erachtete die Vorinstanz eine Rückkehr der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes in ihre Heimat als zumutbar; sie verwies dabei auf die relativ kurze Anwesenheitsdauer in der Schweiz und die fehlenden engen, privaten Beziehungen. Zudem vermutete sie, dass die Beschwerdeführerin in der Ukraine noch über familiäre Bindungen verfüge. Sie führte weiter aus, die gesellschaftlich-wirtschaftliche Wiedereingliederung in der Ukraine erscheine nicht als stark gefährdet. Ebenso wenig könne von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Falle einer Rückkehr ausgegangen werden.
2.4 Die Einwendungen der Beschwerdeführerin sind nicht geeignet, die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts als offensichtlich unrichtig und die von ihm daraus gezogenen Schlussfolgerungen als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen: Zunächst ist weder ersichtlich noch dargelegt, dass die von der Vorinstanz festgestellte eheliche Gewalt eine Intensität aufweist, welche für sich alleine bereits einen wichtigen persönlichen Grund im Sinne von Art. 50 Abs. 2 AuG begründen könnte. In Bezug auf die Gefährdung der sozialen Wiedereingliederung im Herkunftsland durfte die Vorinstanz davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin gut qualifiziert ist und ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden, intakt sind. Aus den Hinweisen auf die Situation auf dem ukrainischen Arbeitsmarkt kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten. Insgesamt bleiben ihre Ausführungen sehr allgemein und sind zu wenig substantiiert, um eine starke Gefährdung ihrer Wiedereingliederung zu belegen. Dazu kommt, dass die Beschwerdeführerin nur kurze Zeit in der Schweiz gelebt hat und deshalb nicht von einer sehr engen Beziehung zur Schweiz gesprochen werden kann; daran ändert nichts, dass sie hier als Schneiderin arbeitet und angibt, die deutsche Sprache fliessend zu sprechen. Ebenso wenig kann der Beschwerdeführerin gefolgt werden, wenn sie angibt, in der Ukraine könne ihre psychologische Behandlung nicht fortgeführt werden. Der Umstand, dass eine betroffene Person in der Schweiz eine bessere medizinische Versorgung erhält als im Herkunftsland, kann eine Wiedereingliederung nicht bereits als gefährdet erscheinen lassen.
2.5 Zusammenfassend ist bei dieser Sachlage nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz annimmt, es liege kein wichtiger persönlicher Grund im Sinne von Art. 50 Abs. 2 AuG vor, welcher eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin begründen würde. Bei dieser Sachlage entfällt auch die Grundlage für die weitere Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für den Sohn der Beschwerdeführerin.
3.
Damit erweist sich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Sicherheitsdirektion, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht (4. Kammer) des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. Februar 2010
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Müller Winiger