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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4C_1/2008
Urteil vom 9. März 2009
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiberin Sommer.
Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
gegen
Staatsrat des Kantons Wallis,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrages,
Beschwerde gegen den Beschluss des Staatsrates
des Kantons Wallis vom 27. August 2008.
Sachverhalt:
A.
Die X.________ AG (Beschwerdeführerin), Treuhand und Informatik, mit Sitz in A.________ befasst sich mit der Beratung und Betreuung von Personalverleihbetrieben, die dem Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih unterstellt sind. Ihre Dienstleistungen umfassen die Erledigung der Einsatzverwaltung, Lohnadministration, Fakturierung und des Inkassowesens sowie der kaufmännischen und betrieblichen Buchführung. Im Weiteren stellt die Beschwerdeführerin ihren Klienten eine Software zur Verfügung, welche sie bei der Suche von Kandidaten und Stellenangeboten, bei der Einsatzverwaltung sowie bei der richtigen Anwendung von für allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen unterstützt.
Die Beschwerdeführerin erhob am 22. Juli 2008 beim Staatsrat des Kantons Wallis (Beschwerdegegner) Einsprache im Sinne von Art. 10 des Bundesgesetzes vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (SR 221.215.311; AVEG) gegen den am 11. Juli 2008 im Amtsblatt des Kantons Wallis publizierten Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages des Metallbaugewerbes des Kantons Wallis (GAV). Dabei beanstandete sie die Bestimmung von Art. 25 Abs. 6 GAV betreffend die "Krankenversicherung" und verlangte, sie durch eine hinreichend bestimmte Regelung zu ersetzen.
B.
Mit Beschluss vom 27. August 2008 erklärte der Beschwerdegegner den Gesamtarbeitsvertrag des Metallbaugewerbes des Kantons Wallis als für das Gebiet des Kantons Wallis allgemein verbindlich. Dieser Beschluss wurde vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement am 15. Oktober 2008 genehmigt. Am 24. Oktober 2008 erfolgte die Publikation des Beschlusses im Amtsblatt des Kantons Wallis.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihre Einsprache sei ignoriert worden. Sie habe deshalb am 6. November 2008 beim SECO den Widerruf der Genehmigung gemäss Art. 13 Abs. 4 AVEG beantragt.
C.
Am 24. November 2008 reichte die Beschwerdeführerin beim Bundesgericht eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein. Sie beantragt, den Beschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages des Metallbaugewerbes des Kantons Wallis aufzuheben. Der Kanton Wallis sei anzuweisen, das bundesrechtlich vorgeschriebene Verfahren gemäss Art. 7 ff. AVEG ordnungsgemäss durchzuführen. Die Beschwerdeführerin rügt, dass ihre Einsprache übergangen worden sei. Stattdessen sei im Beschluss vom 27. August 2008 vermerkt, dass gegen den Antrag vom 11. Juli 2008 keine Einsprachen erfolgt seien. Das stelle eine klare Verletzung der Verfahrensvorschriften nach Art. 13 Abs. 2 AVEG dar. Zudem sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt worden. Die wahrheitswidrige Information, dass keine Einsprachen ergangen seien, sei zudem ein krasser Fall staatlicher Willkür.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde als gegenstandslos abzuschreiben. Eventuell sei sie abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Seinen Hauptantrag begründet er damit, dass die Beschwerdeführerin ihrer Einsprache nur den deutschen Text des beanstandeten Art. 25 Abs. 6 GAV zugrunde gelegt habe. Massgebend sei aber die französische Version, worauf in der Publikation wie folgt hingewiesen worden sei: "Im Zweifelsfall gilt der französische Originaltext." In der Zwischenzeit sei die irrtümlich unkorrekte deutsche Version korrigiert und die richtige Fassung als Erratum im Amtsblatt des Kantons Wallis vom 23. Januar 2009 publiziert worden. Die Beschwerde sei daher gegenstandslos.
Erwägungen:
1.
In der Beschwerdebegründung wird ausgeführt, die Beschwerdeerhebung erfolge vorsorglich für den Fall, dass das SECO die Genehmigung nicht widerrufe. Bis heute ist dem Gericht nicht bekannt gegeben worden, ob die Genehmigung widerrufen wurde oder nicht. Es fragt sich, ob eine unzulässige bedingte Beschwerdeführung vorliegt, auf die nicht einzutreten wäre (vgl. dazu BGE 134 III 332). Dies ist zu verneinen, weil die Beschwerdeerklärung selber unbedingt erfolgt und nur in der Begründung auf das hängige Verfahren betreffend den Widerruf der Genehmigung hingewiesen wird. Unter diesem Aspekt steht dem Eintreten auf die Beschwerde somit nichts entgegen.
2.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Beschluss des Staatsrates des Kantons Wallis, mit dem der Gesamtarbeitsvertrag des Metallbaugewerbes des Kantons Wallis als für das Gebiet des Kantons Wallis allgemein verbindlich erklärt wurde. Zunächst ist die Rechtsnatur dieses Beschlusses zu klären.
Eine Verfügung, mithin ein individuell-konkreter Hoheitsakt, liegt nicht vor, da sich der Beschluss des Staatsrates des Kantons Wallis nicht an einzelne, bestimmte Personen richtet und nicht ein konkretes verwaltungsrechtliches Rechtsverhältnis rechtsgestaltend oder feststellend in verbindlicher und erzwingbarer Weise regelt. Dies gilt jedenfalls gegenüber Aussenseitern, also nicht gegenüber den Antrag stellenden Vertragsparteien (BGE 128 II 13 E. 1d).
Gegenüber den Aussenseitern ist der Beschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung als Erlass zu betrachten (BGE 128 II 13 E. 2a S. 18). Die Wirkung dieses Rechtsetzungsaktes beschränkt sich freilich auf die Ausdehnung der Vertragsbindung, ohne dass der Inhalt des GAV mitgestaltet wird. Mit anderen Worten schafft die behördliche Allgemeinverbindlicherklärung selbst keine Rechtssätze, sondern es wird nur der personelle Geltungsbereich bestehender Normen (eben derjeniger des GAV) ausgedehnt (Portmann, in: Basler Kommentar, 4. Aufl. 2007, N. 21 zu Art. 357 OR; Vischer, Der Arbeitsvertrag, 3. Aufl. 2005, S. 363).
Beschränkt sich die Allgemeinverbindlicherklärung auf das Gebiet eines Kantons oder auf Teile desselben, bildet sie einen kantonalen Erlass. Gegen kantonale Erlasse ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht zulässig (Art. 82 lit. b BGG). Im vorliegenden Fall, der das Sachgebiet des Arbeitsrechts betrifft, ist zu deren Behandlung die Erste zivilrechtliche Abteilung zuständig (Art. 31 Abs. 2 BGerR).
Da im Kanton Wallis kein Rechtsmittel gegen Erlasse offen steht, ist unmittelbar die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig (Art. 87 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdefrist wurde eingehalten (Art. 101 BGG).
3.
Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (Art. 89 Abs. 1 BGG).
3.1 Das Erfordernis der formellen Beschwer entfällt, wenn direkt gegen einen Erlass Beschwerde ergriffen wird (BGE 133 I 286 E. 2.2 S. 290).
Die Voraussetzung des besonderen Berührtseins schliesst denjenigen aus, der lediglich ein allgemeines Interesse ohne persönliche Betroffenheit hat. Der Beschwerdeführer muss stärker als jedermann betroffen sein; er muss besonders berührt sein.
Anders als bei den Beschwerden in Zivil- und in Strafsachen, bei denen der Beschwerdeführer ein rechtlich geschütztes Interesse haben muss (Art. 76 Abs. 1 lit. b und Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG), genügt bei der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein schutzwürdiges Interesse. Dieses kann rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein (BGE 133 I 286 E. 2.2 S. 290).
Bei der Anfechtung von Erlassen braucht die persönliche Betroffenheit nur virtuell zu sein, d.h. es muss die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Erlass einmal auf den Beschwerdeführer Anwendung findet (BGE 133 I 286 E. 2.2; 131 I 291 E. 1.3 S. 296). Das Anrufen bloss allgemeiner öffentlicher Interessen genügt zur Begründung der Legitimation nicht; auch zur Anfechtung von Erlassen ist ein drohender Eingriff in schutzwürdige eigene Interessen erforderlich (vgl. BGE 123 I 41 E. 5b S. 42 f.; 122 I 44 E. 2b S. 45 f.).
3.2 Im vorliegenden Fall gebricht es an diesen Voraussetzungen für die Beschwerdelegitimation. Die Beschwerdeführerin ist ein Treuhand- und Informatikunternehmen mit Sitz in A.________ im Kanton Zürich. Die für das Gebiet des Kantons Wallis allgemein verbindlich erklärten Normen des Gesamtarbeitsvertrages des Metallbaugewerbes des Kantons Wallis finden auf die Beschwerdeführerin von ihrem Tätigkeitsbereich her keine Anwendung. Sie ist demnach nicht einmal virtuell betroffen. Wenn sie geltend macht, sie sei mittelbar betroffen, indem ihre Kunden (Personalverleihbetriebe) gewissen Bestimmungen des GAV unterstellt sein könnten, so genügt dies nicht. Die Betroffenheit darf nicht bloss mittelbar sein, sondern der Beschwerdeführer muss in den eigenen Interessen betroffen sein. Vorliegend besteht die Wahrscheinlichkeit nicht, dass der streitbetroffene GAV auf die Beschwerdeführerin Anwendung finden wird.
Die Beschwerdeführerin ist demnach nicht zur Beschwerde berechtigt, weshalb auf ihre Beschwerde nicht einzutreten ist.
4.
4.1 Damit erübrigen sich Ausführungen zur Zulässigkeit der erhobenen Beschwerdegründe. Bemerkt sei immerhin, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör im Rechtsetzungsverfahren nicht gilt (BGE 131 I 91 E. 3.1 S. 95; 121 I 230 E. 2c S. 232; 119 Ia 141 E. 5c/aa S. 149 f.). Was die Einhaltung der Verfahrensvorschriften des AVEG betrifft, so wird die ordnungsgemässe Durchführung des Verfahrens im Genehmigungsverfahren überwacht (Art. 13 Abs. 2 AVEG).
4.2 Offen bleiben kann die Frage, ob die Beschwerde im Sinne der Ausführungen des Beschwerdegegners als gegenstandslos zu betrachten ist, nachdem die von der Beschwerdeführerin in der Einsprache beanstandete deutsche Fassung von Art. 25 Abs. 6 GAV zwischenzeitlich durch eine korrigierte Fassung ersetzt worden ist. In diesem Zusammenhang ist bloss festzuhalten, dass sich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde lediglich über Verfahrensmängel beschwert, nicht aber materielle Bestimmungen des GAV anficht. Ob dies statthaft ist, erscheint fraglich (vgl. Erwägung 4.1).
5.
Auf die Beschwerde kann nicht eingetreten werden. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Staatsrat des Kantons Wallis ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. März 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Die Gerichtsschreiberin:
Klett Sommer