BGer 8C_702/2008
 
BGer 8C_702/2008 vom 04.02.2009
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
8C_702/2008
Urteil vom 4. Februar 2009
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Lanz.
Parteien
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Mario Bortoluzzi, Münchhaldenstrasse 24, 8008 Zürich,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Mai 2008.
Sachverhalt:
A.
Der 1968 geborene A.________ war als Chauffeur eines Betonmischer-Fahrzeuges in der Firma X.________ AG tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert. Am 11. Februar 2002 verletzte er sich bei einem Arbeitsunfall am linken Ringfinger. Dies hatte eine Arbeitsunfähigkeit und verschiedene medizinische Behandlungen zur Folge. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung; Taggeld). Ab Herbst 2004 bestand wieder eine volle Arbeitsfähigkeit. Im Januar 2005 wurde der Behandlungsabschluss ärztlich bestätigt. Mit Verfügung vom 1. April 2005 sprach die SUVA dem Versicherten für die verbleibende Schädigung an der linken Hand eine Integritätsentschädigung entsprechend einer Integritätseinbusse von 5 % zu. A.________ erhob hiegegen Einsprache. Sodann machte er ab 12. Januar 2006 erneut eine Arbeitsunfähigkeit geltend. Mit einer weiteren Verfügung vom 31. Mai 2006 schloss die SUVA den Fall unter Zusprechung einer Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 14 % rückwirkend auf den 1. April 2005 ab. A.________ reichte auch hiegegen Einsprache ein. Mit Einspracheentscheid vom 15. November 2006 hielt die SUVA an den Verfügungen vom 1. April 2005 und 31. Mai 2006 fest. Sie bekräftigte dabei, von weiterer Heilbehandlung ab 1. April 2005 habe keine namhafte gesundheitliche Besserung des somatischen Gesundheitszustandes erwarten können. Sodann sei die ab 12. Januar 2006 eingetretene Arbeitsunfähigkeit mit einer psychischen Störung zu erklären, welche nicht in adäquatem Kausalzusammenhang zum Unfall vom 11. Februar 2002 stehe. Der verfügte Fallabschluss sei daher rechtens. Gleiches gelte für die zugesprochene Invalidenrente und Integritätsentschädigung.
B.
Die von A.________ gegen den Einspracheentscheid geführte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. Mai 2008 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die SUVA zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen, insbesondere Heilbehandlung und Taggeld ab 12. Januar 2006, zu erbringen; eventuell sei die Höhe der am 31. Mai 2006 verfügten Rente neu festzusetzen.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit auf diese einzutreten sei. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
1.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
2.
Im vorinstanzlichen Verfahren war auch umstritten, ob bei der Integritätsentschädigung von einer höheren Integritätseinbusse auszugehen sei. Das kantonale Gericht hat dies verneint. Die letztinstanzliche Beschwerde äussert sich dazu nicht. Bezüglich der Integritätsentschädigung hat es daher mit dem vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden.
3.
Die SUVA beantragt, auf die Beschwerde sei, soweit die weitere Ausrichtung von Heilbehandlung und Taggeld beantragt werde, mangels rechtsgenüglicher Begründung nicht einzutreten.
Tatsächlich ist die Beschwerdebegründung diesbezüglich ausgesprochen knapp ausgefallen. Zumindest sinngemäss lässt sich ihr aber entnehmen, weshalb der Versicherte den vorinstanzlichen Entscheid beanstandet. Weiterungen zur Eintretensfrage erübrigen sich, da die Beschwerde ohnehin vollumfänglich abzuweisen ist, wie die folgenden Erwägungen zeigen.
4.
Streitig und zu prüfen ist, ob die SUVA den Fall zu Recht unter Einstellung von Heilbehandlung und Taggeld sowie Zusprechung einer Invalidenrente auf den 1. April 2005 abgeschlossen hat. Eventualiter wird sodann die Neufestsetzung der ab 1. April 2005 zugesprochenen Invalidenrente beantragt.
Die massgeblichen Bestimmungen und Grundsätze, namentlich zum für einen Leistungsanspruch aus der obligatorischen Unfallversicherung erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden, insbesondere bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall, sowie zum Zeitpunkt des Fallabschlusses und zum Rentenanspruch, sind im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
5.
5.1 Nach Gesetz und Rechtsprechung hat der Unfallversicherer den Fall, unter Einstellung der vorübergehenden Leistungen Heilbehandlung und Taggeld mit gleichzeitiger Prüfung des Anspruchs auf eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung, abzuschliessen, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des - unfallbedingt beinträchtigten - Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (IV) abgeschlossen sind (Art. 19 Abs. 1 UVG; vgl. BGE 134 V 109 E. 4 S. 113 ff.; Urteil 8C_12/2008 vom 27. Oktober 2008 E. 6.3). Nach Festsetzung der Rente durch den Unfallversicherer kann noch - unter bestimmten Voraussetzungen - Heilbehandlung gewährt werden (Art. 21 UVG).
5.2 Eingliederungsmassnahmen der IV stehen hier nicht zur Diskussion. Umstritten ist, ob von einer Fortsetzung der ärztlichen Behandlung ab dem 1. April 2005 noch eine namhafte Besserung des unfallbedingt beeinträchtigten Gesundheitszustandes erwartet werden konnte.
Das kantonale Gericht hat zunächst erkannt, dass dies mit Blick auf die somatische Unfallfolge, die Schädigung an der linken Hand, zu verneinen sei. Das wird letztinstanzlich nicht bestritten und gibt zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass.
Die Vorinstanz hat sodann erwogen, die ab 12. Januar 2006 eingetretene Arbeitsunfähigkeit sei mit einer psychischen Störung zu erklären. Diese sei nicht adäquat unfallkausal und stehe daher dem Fallabschluss nicht entgegen. Demgegenüber bejaht der Beschwerdeführer den adäquaten Kausalzusammenhang. Die SUVA wiederum geht davon aus, die Adäquanz sei nicht gegeben; bei genauer Betrachtung sei aber schon das Vorliegen eines natürlich unfallkausalen psychischen Gesundheitsschadens mit Krankheitswert zu verneinen.
5.3
5.3.1 Für die Prüfung des adäquaten Kausalzusammenhangs bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall ist an das (objektiv erfassbare) Unfallereignis anzuknüpfen (BGE 115 V 133 E. E. 6 Ingress S. 139; vgl. auch BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 112 mit Hinweisen).
Das kantonale Gericht hat den Unfall vom 11. Februar 2002 bei den mittelschweren Unfällen und dort knapp an der Grenze zu den leichten Unfällen eingereiht. Der Beschwerdeführer macht zu Recht keinen schwereren Unfall geltend. Mit Blick auf den augenscheinlichen Geschehensablauf wäre auch eine Einstufung bei den leichten Unfällen vorstellbar. Dies muss aber nicht abschliessend geprüft werden. Denn wie die folgenden Erwägungen zeigen, ist die Adäquanz selbst bei der von der Vorinstanz angenommenen Unfallschwere nicht gegeben.
5.3.2 Von den weiteren massgeblichen Kriterien (gemäss BGE 115 V 133 E. 6c/aa S. 140: besonders dramatische Begleitumstände oder besondere Eindrücklichkeit des Unfalls; die Schwere oder besondere Art der erlittenen Verletzungen, insbesondere ihre erfahrungsgemässe Eignung, psychische Fehlentwicklungen auszulösen; ungewöhnlich lange Dauer der ärztlichen Behandlung; körperliche Dauerschmerzen; ärztliche Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert; schwieriger Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen; Grad und Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit; vgl. auch BGE 134 V 109 E. 6.1 S. 116) müssten für eine Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhanges entweder ein einzelnes in besonders ausgeprägter Weise oder aber mehrere in gehäufter oder auffallender Weise erfüllt sein (BGE 115 V 133 E. 6c/bb S. 141).
Der Beschwerdeführer bringt vor, das kantonale Gericht habe zwei der massgeblichen Kriterien bejaht. Es sei aber auch ein drittes, nämlich die ärztliche Fehlbehandlung, gegeben. Der adäquate Kausalzusammenhang sei demnach erfüllt.
Die SUVA wendet ein, die Vorinstanz habe lediglich ein Kriterium bejaht. Selbst wenn das Kriterium der ärztlichen Fehlbehandlung gegeben wäre, was bestritten werde, müsste die Adäquanz daher verneint werden.
5.3.3 Gemäss dem angefochten Entscheid ist das Kriterium der Arbeitsunfähigkeit, in der einfachen Form, erfüllt. Zum Kriterium des schwierigen Heilungsverlaufs äussert sich die Vornstanz zwar bei der erstmaligen Erwähnung in ihrem Entscheid nicht klar. Aus den abschliessenden Erwägungen geht aber hervor, dass sie dieses Kriterium, in nicht besonders ausgeprägter Weise, für gegeben erachtet. Die anderen Kriterien werden ausdrücklich verneint.
Von diesen weiteren Kriterien macht der Versicherte das der ärztlichen Fehlbehandlung geltend. Die Vorinstanz hat indessen einlässlich und überzeugend begründet, weshalb sie dieses Kriterium für nicht erfüllt erachtet. Letztlich kann aber ohnehin offen bleiben, ob das Kriterium vorliegt. Dass es in besonders ausgeprägter Weise erfüllt wäre, ist jedenfalls zuverlässig auszuschliessen und wird auch nicht geltend gemacht. Sodann wären selbst bei Bejahung der ärztlichen Fehlbehandlung nur drei Kriterien, jeweils in der einfachen Form, gegeben. Das genügt bei der hier (höchstens) anzunehmenden Unfallschwere nicht, um die Adäquanz zu bejahen.
5.3.4 Soweit von einer psychischen Problematik auszugehen ist, fehlt es somit an einem adäquaten Kausalzusammenhang zum Unfall vom 11. Februar 2002. Eine solche Problematik vermöchte daher keinen Leistungsanspruch gegenüber der Beschwerdegegnerin zu begründen und sie stünde dem von dieser ausgesprochenen Fallabschluss nicht entgegen. Damit erübrigen sich Weiterungen zum Einwand der SUVA, es liege keine natürlich unfallkausale psychische Gesundheitsschädigung mit Krankheitswert vor.
6. Zu prüfen bleibt der Eventualantrag betreffend Invalidenrente.
6.1 Die SUVA hat den Grad der Erwerbsunfähigkeit, den sie der zugesprochenen Invalidenrente zugrunde legte, in Anwendung von Art. 16 ATSG mittels Einkommensvergleich bestimmt: Das ohne unfallbedingte Gesundheitsschädigung mutmasslich erzielte Einkommen (Valideneinkommen) setzte sie, ausgehend von dem im Zeitpunkt des Unfalls erzielten Lohn, auf Fr. 66'630.- fest. Bezüglich des trotz unfallbedingter Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch erzielbaren Einkommens (Invalideneinkommen) ging die SUVA davon aus, dass der Versicherte aufgrund der Unfallfolgen zwar die angestammte Tätigkeit eines Chauffeurs (Betonmischer-Fahrers) nicht mehr ausüben könne. Leichte Arbeiten seien aber zumutbar, wobei die dominante rechte Hand vollumfänglich einsetzbar sei. Gestützt darauf bemass die SUVA das Invalideneinkommen anhand von Angaben aus ihrer Dokumentation von Arbeitsplätzen (DAP) auf Fr. 57'322.-. Die Gegenüberstellung der beiden Vergleichseinkommen ergibt eine Erwerbseinbusse von 14 %.
6.2 Das kantonale Gericht hat dieses Vorgehen in allen Teilen bestätigt. Der Beschwerdeführer erhebt einzig bezüglich des Invalideneinkommens Einwände.
6.2.1 Er bringt zum einen vor, beim Hantieren mit Werkzeug werde oftmals Beidhändigkeit vorausgesetzt, über welche er nicht mehr verfüge. Die Vorinstanz ist indessen gestützt auf eine einlässliche und überzeugende Auseinandersetzung zum Ergebnis gelangt, die von der SUVA herangezogenen Arbeitsplatze gemäss DAP seien mit der Behinderung an der linken Hand vereinbar. In der Beschwerde wird nicht weiter begründet, inwiefern dies nicht zutreffen solle. Es kann diesbezüglich vollumfänglich auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden.
6.2.2 Der Beschwerdeführer macht sodann geltend, beim Invalideneinkommen sei ein leidensbedingter Abzug von 15 % vornehmen. Er rügt in diesem Zusammenhang auch, dass sich der angefochtene Entscheid mit diesem, bereits im kantonalen Verfahren geäusserten Vorbringen nicht auseinandersetze.
Letzteres trifft zwar zu. Das Vorbringen betreffend Leidensabzug ist aber ohne weiteres als unbegründet zu betrachten. Denn rechtsprechungsgemäss sind bei der Ermittlung des Invalideneinkommens unter Beizug von DAP-Profilen, anders als bei der Verwendung von statistischen Tabellenlöhnen (vgl. BGE 126 V 75), keine Abzüge vorzunehmen (BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481 f.).
6.3 Die durch den Unfallversicherer vorgenommene und im angefochtenen Entscheid bestätigte Invaliditätsbemessung wird im Übrigen nicht beanstandet und gibt zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Es bleibt damit bei einer Erwerbsunfähigkeit von 14 %. Die Beschwerde ist demnach auch im Eventualpunkt unbegründet.
7.
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 4. Februar 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Ursprung Lanz