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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
K 180/04
Urteil vom 17. Januar 2006
IV. Kammer
Besetzung
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiberin Kopp Käch
Parteien
P.________, 1913, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Marco Biaggi, Aeschenvorstadt 71, 4010 Basel,
gegen
Öffentliche Krankenkasse Basel, Spiegelgasse 12, 4001 Basel, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel
(Entscheid vom 10. November 2004)
Sachverhalt:
A.
Die 1913 geborene P.________ ist bei der Öffentlichen Krankenkasse Basel (nachfolgend ÖKK) krankenversichert. Am 20. März 2003 wurde sie - zusammen mit ihrer 1917 geborenen Schwester L.________ - von ihrem Verwandten Dr. med. B.________, Arzt im Spital X.________, zur "medikamentösen Einstellung und sozialen Abklärung" wegen "Schlaflosigkeit und Unruhe" bei Altersdemenz ins Spital X.________ eingewiesen. Die ÖKK leistete Gutsprache für volle Kostenübernahme auf der allgemeinen Abteilung für die Dauer vom 20. März bis 3. Mai 2003. In der Nacht vom 12. auf den 13. April 2003 stürzte P.________ und zog sich eine doppelte Schambeinastfraktur rechts zu. Nach jeweiligen Orientierungen über den Eintritt des Pflegestatus durch Dr. med. S.________, Leitender Arzt des Zentrums des Spitals X.________, verlängerte die Krankenkasse die Kostengutsprache zunächst bis 11. Mai 2003, in einem weiteren Schritt bis 31. Mai 2003. Am 1. Juli 2003 trat P.________ - zusammen mit ihrer Schwester - aus dem Spital aus und wurde in der Folge zu Hause weiterbetreut. Nachdem das Spital X.________ für den Aufenthalt vom 1. Juni bis 1. Juli 2003 den Differenzbetrag zwischen Akutspital- und Pflegetaxe von Fr. 7676.50 in Rechnung gestellt hatte, verlangte Dr. med. B.________ für P.________ den Erlass einer Verfügung. Die ÖKK hielt mit Verfügung vom 7. Oktober 2003 fest, sie vergüte aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung den Spitalaufenthalt für die Zeit vom 1. Juni bis 1. Juli 2003 zum Tarif für das Pflegeheim in der Höhe von Fr. 55.- pro Tag. Die Differenz zwischen Spital- und Pflegetarif übernehme sie nicht. Daran hielt die Krankenkasse mit Einspracheentscheid vom 23. Dezember 2003 fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher P.________ die Vergütung des Spitalaufenthalts für die Zeit vom 1. Juni bis 1. Juli 2003 zum Spitaltarif, eventualiter die Rückweisung der Sache an die Krankenkasse zur Neubeurteilung beantragen liess, wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 10. November 2004 ab.
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt P.________ die im vorinstanzlichen Verfahren gestellten Anträge erneuern.
Die ÖKK schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Art. 24 ff. KVG) sowie über den für die Vergütung von Spitalaufenthalten anwendbaren Tarif (Art. 49 und 50 KVG) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Akutspital- und Pflegebedürftigkeit im Sinne von Art. 49 und 50 KVG (BGE 126 V 323, 124 V 362) sowie für die einzuräumende angemessene Anpassungszeit für den Übertritt von einem Akutspital in ein Pflegeheim oder in eine Pflegeabteilung (BGE 124 V 367 Erw. 2c mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden.
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin für den Aufenthalt im Spital X.________ in der Zeit vom 1. Juni bis 1. Juli 2003 Anspruch auf Vergütung nach Spitaltarif gemäss Art. 49 Abs. 3 KVG oder nach Tarif für den Aufenthalt in einem Pflegeheim nach Art. 50 KVG hat. Zu beantworten ist dabei die Frage, ob die Versicherte in diesem Zeitraum akutspitalbedürftig war.
2.1 Die Krankenkasse stellt sich gestützt auf die Angaben des Dr. med. S.________, der die Patientin als Leitender Arzt des Zentrums des Spitals X.________ betreut hatte, auf den Standpunkt, spätestens ab Ende Mai 2003 habe keine Akutspitalbedürftigkeit mehr vorgelegen, weshalb sie an den Spitalaufenthalt ab 1. Juni bis 1. Juli 2003 lediglich noch den Pflegeheimtarif vergüte. Die Vorinstanz äussert angesichts der Eintrittsdiagnosen gar Zweifel, ob überhaupt je Spitalbedürftigkeit bestanden habe. Bei der erlittenen Schambeinastfraktur sodann handle es sich nicht um eine derart gravierende Verletzung, welche eine Spitalbedürftigkeit während rund zweieinhalb Monaten zu verursachen vermöchte. Die von Dr. med. S.________ befürwortete Pflegeumstellung per 1. Juni 2003 sei aus medizinischer Sicht begründet. Eine Anpassungsfrist sei schliesslich nicht erforderlich, da die Krankenkasse bereits Ende April 2003 darüber informiert worden sei, dass die Weiterbetreuung der Versicherten nach dem Spitalaustritt zu Hause erfolgen werde.
Die Beschwerdeführerin rügt zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da die Krankenkasse während der Hängigkeit des kantonalen Beschwerdeverfahrens Dr. med. S.________ mündlich gebeten habe, einen Bericht zur Frage der Spitalbedürftigkeit zu verfassen, was dieser denn am 15. April 2004 auch getan habe. Materiell macht sie im Wesentlichen geltend, aus rein psychogeriatrischer Sicht wäre die Pflegeumstellung aufgrund der abgeschlossenen medikamentösen Therapieeinstellung wohl ab 7. Mai 2003 möglich gewesen, die Spitalbedürftigkeit habe aber wegen der Schambeinastfraktur und deren verzögerter Heilung bis Ende Juni 2003 bestanden. Eine einmonatige Anpassungszeit zur Organisation einer Rund-um-die-Uhr-Pflege zu Hause sei sodann angemessen.
2.2 Das kantonale Gericht hat überzeugend dargelegt, dass die Spitalbedürftigkeit der Beschwerdeführerin spätestens ab 1. Juni 2003 zu verneinen ist. Ob sie überhaupt je bestanden hat - woran die Vorinstanz Zweifel geäussert hat - braucht im vorliegenden Verfahren nicht geprüft zu werden, da lediglich der Zeitraum ab 1. Juni 2003 zu beurteilen ist.
2.2.1 Soweit die Beschwerdeführerin vorab eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich die Vorinstanz für die Beurteilung der streitigen Frage keineswegs nur auf den im Laufe des kantonalen Verfahrens eingeholten Bericht des Dr. med. S.________ vom 15. April 2004, sondern insbesondere auf das Verlaufsblatt, auf den Pflegebericht sowie auf den Bericht des Dr. med. S.________ vom 2. Juni 2003 abgestützt hat. Der Bericht vom 15. April 2004 enthält denn auch nichts Neues, sondern fasst lediglich zusammen, was sich bereits aus den andern Akten ergibt. Nach der Rechtsprechung kann sodann eine - nicht besonders schwerwiegende - Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die - wie das Eidgenössische Versicherungsgericht - sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüft (BGE 127 V 437 Erw. 3d/aa, 126 I 72, 126 V 132 Erw. 2b, je mit Hinweisen).
2.2.2 Materiell ist den Kostengutsprachen vom 1. April und 5. Mai 2003 sowie dem Verlaufsblatt zu entnehmen, dass die Pflegeumstellung zunächst per 4. Mai 2003, nach der Schambeinastfraktur per 12. Mai 2003 vorgesehen war, dies in der Annahme, die Beschwerdeführerin werde anschliessend an den Spitalaufenthalt in ein Pflegeheim eingewiesen werden. Die Versicherte wurde darüber mit Schreiben vom 30. April 2003 informiert. Die Verlängerung der Kostengutsprache bis Ende Mai 2003 erfolgte dann aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin nicht wie geplant in einem Pflegeheim, sondern zu Hause weiterbetreut wurde. So hielt Dr. med. S.________ im Verlängerungsgesuch vom 2. Juni 2003 unter "Behandlungsmassnahmen/Behandlungsziel" fest, die Patientin sollte wieder fähig sein, Treppen zu steigen, da sie zu Hause keinen Lift habe. Er qualifizierte dies als Rehabilitationsbehandlung und hielt den Pflegestatus ab 1. Juni 2003 für möglich. Die Feststellung des Arztes im Bericht vom 15. April 2004, wonach die Beschwerdeführerin anfangs Juni 2003 in befriedigendem Ausmass mobil gewesen sei, wird durch den Pflegebericht bestätigt, in welchem unter Eintrag vom 6. Juli (recte: Juni) 2003 vermerkt ist, das Laufen gehe recht gut. Aus der im Austrittsbericht vom 16. Juli 2003 enthaltenen Feststellung, dass die Patientin kurz vor Austritt in der Lage gewesen sei, ohne Rollator 200 Meter zu gehen und Treppen zu steigen, kann - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht gefolgert werden, die Spitalbedürftigkeit habe noch bis zum Spitalaustritt vorgelegen. Dasselbe gilt auch für die Röntgenbeurteilung des Dr. med. U.________, vom 1. Dezember 2004, der eine verlängerte Heilperiode von zehn bis zwölf Wochen, nicht jedoch eine Spitalbedürftigkeit für diesen Zeitraum bestätigt. Mit der Vorinstanz ist somit auf die überzeugende Einschätzung des Dr. med. S.________ abzustellen, zumal dem behandelnden Arzt bei der Frage der Abgrenzung zwischen Spital- und Pflegebedürftigkeit praxisgemäss ein gewisser Ermessensspielraum zusteht (BGE 124 V 366 Erw. 2c mit Hinweisen).
2.3 Was die von der Beschwerdeführerin verlangte einmonatige Anpassungszeit für die Organisation einer Rund-um-die-Uhr-Pflege zu Hause anbelangt, ist mit der Vorinstanz darauf hinzuweisen, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die einzuräumende Anpassungszeit für den Übertritt von einem Akutspital in ein Pflegeheim oder in eine Pflegeabteilung (BGE 124 V 367 Erw. 2c, 115 V 52 Erw. 3d) nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall übertragen werden können, war doch zufolge Entlassung nach Hause kein Pflegeplatz zu suchen. Wohl musste auch die Betreuung zu Hause organisiert werden, doch bedurfte es für die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemachten Dispositionen nicht eines zusätzlichen Monats ab Anfang Juni 2003, nachdem die Angehörigen - wie aus der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hervorgeht - bereits im Anschluss an das Reha-Gespräch vom 23. April 2003, mithin über einen Monat vor der vorgesehenen Pflegeumstellung, die Absicht hatten, die Beschwerdeführerin und ihre Schwester nach Hause zu nehmen und dort zu betreuen. Diese Absicht ist auch auf dem Verlaufsblatt unter dem Eintrag vom 30. April 2003 vermerkt.
3.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG).
Soweit die Beschwerdegegnerin mit dem Antrag auf Auferlegung der ausserordentlichen Kosten an die Beschwerdeführerin um eine Parteientschädigung ersucht, ist dieser Antrag abzuweisen, da die obsiegende Beschwerdegegnerin als Krankenversichererin eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne von Art. 159 Abs. 2 OG wahrnimmt und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zusprechung einer Entschädigung nicht gegeben sind (in BGE 129 V 466 nicht publizierte Erw. 6; BGE 123 V 309 Erw. 10 mit Hinweisen).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 17. Januar 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Vorsitzende der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: