BGer 5P.268/2005
 
BGer 5P.268/2005 vom 02.12.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
5P.268/2005 /blb
Urteil vom 2. Dezember 2005
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiberin Scholl.
Parteien
1. Y.________ GmbH,
handelnd durch X.________,
2. X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
1. V.________,
2. W.________,
Beschwerdegegner,
beide vertreten durch Fürsprecher Franz Stämpfli,
Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, 1. Zivilkammer, Postfach 7475, 3001 Bern.
Gegenstand
Art. 9 und 29 BV (Eigentum),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Appellationshof,
1. Zivilkammer, vom 29. April 2005.
Sachverhalt:
A.
Das Hotel H.________ in S.________ (S.________-Gbbl. xxxx) gehörte ursprünglich der L.________ AG. Im Rahmen von Neu- und Umbauarbeiten wurde die Liegenschaft gemäss Begründungsakt vom 10. September 1982 in 30 Stockwerkeinheiten aufgeteilt, wobei das Hotelgebäude neu zu der Stockwerkeinheit Gbbl. xxxx-yyyy wurde.
Mit Kaufvertrag vom 30. März 1988 verkaufte die L.________ AG der M.________ AG unter anderem das Hotel H.________ (Stockwerkeinheit Gbbl. xxxx-yyyy). Mit Vertrag vom gleichen Tag leaste die L.________ AG das eben verkaufte Grundstück von der M.________ AG zurück. In keinem der beiden Verträge findet sich ein expliziter Hinweis bezüglich des Hotelmobiliars.
Mit Schreiben vom 14. September 1994 teilte die M.________ AG der L.________ AG mit, dass der Anspruch auf Überlassung des Leasingobjekts infolge Nichtbezahlung der Leasingraten definitiv dahinfalle. In der Folge vermietete die M.________ AG das Hotel H.________ mit Vertrag vom 1. April 1995 an das Ehepaar V.________ und W.________. Mit Kaufvertrag vom 23. November 1998 erwarb V.________ schliesslich die Stockwerkeinheit Gbbl. xxxx-yyyy mit dem Hotel H.________ von der M.________ AG.
B.
Bereits am 19. April 1996 schloss die L.________ AG mit E.________ einen Darlehens- und Pfandvertrag ab. Demnach gewährte E.________ der L.________ AG ein Darlehen von Fr. 130'000.--. Im Gegenzug räumte die L.________ AG E.________ am Grossinventar des Hotels H.________ ein Faustpfand ein. Im Vertrag wurde vermerkt, dass sich das Faustpfand im Besitz des jeweiligen Mieters des Hotels H.________ befinde. Zudem sei E.________ bei Fälligkeit des Darlehens berechtigt, das Faustpfand zwangsrechtlich oder freihändig zu verwerten und falls gewünscht auch selber zu erwerben.
Am 3. Juli 1997 kam es daraufhin zur privaten Versteigerung des Hotelmobiliars. Gemäss dem bei dieser Gelegenheit erstellten Protokoll erfolgte die Versteigerung auf Verlangen von E.________, da die nach Darlehensvertrag geschuldeten Zinsvergütungen und Rückzahlungen nicht erfolgt seien. E.________ erklärte sich bereit, das gesamte Grossinventar zum Pauschalpreis von Fr. 60'000.-- zu übernehmen.
Am 30. Oktober 2002 schlossen die Erben des unterdessen verstorbenen E.________ mit der Y.________ GmbH und X.________ einen "Abtretungs- und Übereignungsvertrag" sowie eine "Beteiligungsvereinbarung" ab. Dieser Vertrag enthält folgende Bestimmung:
- Aus verschiedenen Überlegungen überlässt die Erbengemeinschaft des E.________, sel., die Einforderung und allfällige gerichtliche Durchsetzung aller gegen die N.________ AG, einerseits und/oder die Eheleute V.________ und W.________, andererseits, zustehenden Ansprüche bzw. Forderungen im Umfange von 5 % (fünf Prozent) dem Übernehmer 1, Herr X.________, obgenannt, und zu 95 % (fünfundneunzig Prozent) der Übernehmerin 2, Y.________ GmbH, vorgenannt. Demgemäss übertragen die Erben des Herrn E.________, sel., sämtliche der Erbengemeinschaft aus dem durch die Faustpfandverwertung vom 03. Juli 1997 erfolgten Erwerbs des vormals der L.________ AG S.________ (...) gehörenden Hotel-Mobiliars Dritten gegenüber zustehenden dinglichen oder obligatorischen Rechte, Nebenrechte und Ansprüche (...) (ab). Darin eingeschlossen ist somit auch die Übereignung des gesamten (...) Grossinventars (Hotel-Mobiliars), welches sich in den Räumlichkeiten (...) des Hotels H.________, S.________, oder teilweise anderswo befindet (...)."
Bei der in der Bestimmung genannten N.________ AG handelt es sich offenbar um die Rechtsnachfolgerin der M.________ AG.
C.
Am 26. Juli 2004 reichten die Y.________ GmbH und X.________ (nachfolgend: Kläger oder Beschwerdeführer) gegen V.________ und W.________ (nachfolgend: Beklagte oder Beschwerdegegner) Klage ein. Sie verlangten im Wesentlichen, die Beklagten seien zu verurteilen, ihnen das im Hotel/Restaurant H.________ befindlich gewesene bzw. noch befindliche Hotel-Mobiliar (Grossinventar) unverzüglich herauszugeben.
Das Verfahren wurde in der Folge auf die Frage beschränkt, ob die Kläger aktivlegitimiert seien. Mit Urteil vom 29. November 2004 wies der Gerichtspräsident 2 des Gerichtskreises XII Frutigen-Niedersimmental die Klage ab. Auf Appellation der Kläger wies am 29. April 2005 auch das Obergericht des Kantons Bern die Klage ab. Mit Beschluss vom 6. Juni 2005 setzte es zudem die Höhe der von den Klägern an die Beklagten zu leistende Parteientschädigung fest.
D.
Die Y.________ GmbH und X.________ gelangen mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils vom 29. April 2005 bzw. des Beschlusses vom 6. Juni 2005 in Bezug auf die Kostenregelung. Strittig ist im Wesentlichen die Höhe der Entschädigungen bzw. des Streitwertes, auf welchem diese basieren. X.________ stellt zudem für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
In der gleichen Sache haben die Beschwerdeführer beim Bundesgericht auch eine eidgenössische Berufung eingereicht (Verfahren 5C.182/2005).
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich rein kassatorischer Natur. Es kann regelmässig nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheids beantragt werden (BGE 124 I 327 E. 4a S. 332; 131 I 137 E. 1.2 S. 139). Soweit die Beschwerdeführer mehr verlangen, namentlich den Erlass einer Anweisung an das Obergericht, die Akten einem Gerichtspräsidenten ausserhalb des Gerichtskreises XII zuzuweisen, ist darauf nicht einzutreten.
2.
Die Beschwerdeführer machen zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in Zusammenhang mit der Festsetzung des massgeblichen Streitwerts geltend. Sie räumen zwar ein, in ihrer Klageschrift vergessen zu haben, diesbezügliche Angaben zu machen. Indes bringen sie vor, der erstinstanzliche Richter sei nach Art. 142 Abs. 1 ZPO/BE verpflichtet, den Streitwert von Amtes wegen zu ermitteln, allenfalls unter Beizug von Sachverständigen. Es sei auch seine Pflicht, die Kläger anzuhören und die fehlenden Angaben zum Streitwert bei diesen einzuholen.
2.1 Diese Vorwürfe der Beschwerdeführer richten sich gegen das erstinstanzliche Urteil des Gerichtspräsidenten. Anfechtungsobjekt der staatsrechtlichen Beschwerde ist aber grundsätzlich nur der letztinstanzliche kantonale Entscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Die Beschwerdeführer weisen nicht nach, dass sie diese Rügen bereits im Appellationsverfahren vorgebracht haben (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Es kann indes offen bleiben, ob es sich um unzulässige Noven handelt, da die Vorbringen ohnehin unbegründet sind: Die Beschwerdeführer hatten nämlich im obergerichtlichen Verfahren Gelegenheit, sich zum Streitwert zu äussern. Davon haben sie auch Gebrauch gemacht. Die behauptete Gehörsverletzung durch den Gerichtspräsidenten wäre damit ohnehin geheilt, da dem Obergericht im Appellationsverfahren volle Prüfungsbefugnis zusteht (Art. 333 Abs. 2 ZPO/BE; BGE 116 Ia 94 E. 2 S. 95 f.; 127 V 431 E. 3d/aa S. 438).
3.
Weiter machen die Beschwerdeführer Willkür bezüglich der Berechnung des Streitwerts geltend.
3.1 Die Beschwerdeführer bringen vor, dass sie anlässlich der Appellationsverhandlung Angaben zum Streitwert gemacht hätten. Nach Art. 137 ZPO/BE müsse das Obergericht darauf abstellen, sofern es selbst nicht über zuverlässigere Zahlen bzw. Schätzungen verfüge. Soweit das Obergericht namentlich keinen Sachverständigen beigezogen habe, habe es pflichtwidrig gehandelt.
Nach Art. 137 ZPO/BE bestimmt sich der Streitwert nach der Angabe des Klägers, wenn der Streitgegenstand in Geld abschätzbar ist. Indes ist die Angabe des Klägers nur dann bindend, wenn der Anspruch auf eine bezifferte Geldsumme lautet. Geht der Klageanspruch auf etwas anderes als Geld, kann das Gericht die Streitwertangabe von Amtes wegen überprüfen (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 2000, N. 2a u. b zu Art. 137 ZPO/BE).
Bei der von den Beschwerdeführern erhobenen Eigentumsklage lautet das Rechtsbegehren nicht auf einen bestimmten Betrag, sondern auf Herausgabe von Hotelmobiliar. Für den Streitwert ist damit der Verkehrswert des Mobiliars im Zeitpunkt der Einreichung der Klage am 26. Juli 2004 massgeblich (Art. 138 Abs. 3 ZPO/BE). Davon gehen auch die Beschwerdeführer aus. Der Richter ist zur Feststellung des Streitwerts nicht an ein bestimmtes Beweismittel gebunden. Namentlich ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach bernischer Zivilprozessordnung nicht zwingend vorgesehen, sondern liegt im Ermessen des Richters (vgl. Art. 142 Abs. 1 ZPO/BE). Im vorliegenden Fall hat sich das Obergericht auf die in den Akten liegenden Inventare der Gastro-Fachstelle sowie auf die Parteiaussage des Beschwerdegegners 1 gestützt. Dadurch hat es den Streitwert als genügend abgeklärt angesehen. Weshalb das Obergericht das kantonale Prozessrecht in willkürlicher Weise verletzt haben soll, wenn es bei dieser Sachlage auf ein Gutachten verzichtet hat, legen die Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar dar (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
3.2 Weiter halten die Beschwerdeführer den vom Obergericht angenommenen Streitwert für überhöht. Sie machen geltend, dieser liege bei Fr. 24'223.--. Nicht angezweifelt wird das Verzeichnis der Gastro-Fachstelle, welche das Inventar im Jahr 1995 mit rund Fr. 225'000.-- bewertete. Die Beschwerdeführer bringen aber vor, das Mobiliar habe seit diesem Zeitpunkt durch Gebrauch an Wert verloren. Die in der Zwischenzeit getätigten Investitionen der M.________ AG dürften nicht berücksichtigt werden, da sich die Eigentumsklage nur auf die Gegenstände beziehe, die in den Verzeichnissen der Gastro-Fachstelle aufgeführt seien, und daher neu angeschaffte Mobilien bei der Berechnung des Streitwertes ausser Acht bleiben müssen.
Das Obergericht ist bei der Streitwertberechnung von der nicht bestrittenen Schätzung der Gastro-Fachstelle aus dem Jahr 1995 ausgegangen. Es hat nicht verkannt, dass der Wert durch Zeitablauf grundsätzlich abnimmt. Indes hat es angenommen, die M.________ AG habe in den Jahren 1995 - 1998 Investitionen getätigt, welche den Wertverfall ausgeglichen hätten. Es mag zwar zutreffen, dass sich die Eigentumsklage der Beschwerdeführer nur auf die Mobiliarstücke gemäss den erwähnten Inventaren bezieht und damit allfällige Ersatzanschaffungen nicht betrifft. Indes lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, dass das Obergericht unter Investitionen Neuanschaffungen verstanden hat. Denkbar sind auch werterhaltende Investitionen am bestehenden Mobiliar. Damit gelingt es den Beschwerdeführern nicht nachzuweisen, dass die Streitwertberechnung des Obergerichts geradezu willkürlich ist. Was die Beschwerdeführer im Übrigen in Zusammenhang mit der Streitwertberechnung vorbringen, namentlich bezüglich der Anwendung der Abschreibungsrichtlinien der eidgenössischen Steuerverwaltung, geht über appellatorische Kritik nicht hinaus. Darauf kann nicht eingetreten werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
4.
Schliesslich kritisieren die Beschwerdeführer die Höhe der den Beschwerdegegnern zugesprochenen Parteientschädigung für das obergerichtliche Verfahren. Sie führen aus, das Obergericht habe das Honorar des gegnerischen Rechtsvertreters auf 40 % des erstinstanzlichen festgelegt. Auf Grund der Tatsache, dass dem Anwalt kein besonderer Aufwand entstanden sei, rechtfertige sich indes für das zweitinstanzliche Verfahren nur ein Honorar von 30 % der erstinstanzlichen Entschädigung.
Das Obergericht hat das Honorar für den gegnerischen Rechtsvertreter nach Art. 10 lit. d des bernischen Dekrets über die Anwaltsgebühren vom 6. November 1973 (DAG; BSG 168.81) bestimmt. Nach dieser Bestimmung beträgt die Normalgebühr für ein Rechtsmittelverfahren, soweit es vom bisherigen Anwalt geführt wird, 30 - 50 % der Gebühren im ordentlichen (erstinstanzlichen) Verfahren. Das Obergericht hat die Entschädigung auf 40 % des in erster Instanz bestimmten Honorars festgesetzt und damit den gesetzlichen Rahmen nicht überschritten. Was die Beschwerdeführer bezüglich des Aufwandes vorbringen, vermag keine Willkür darzutun. Auf die appellatorischen Ausführungen ist nicht einzutreten (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
5.
Schliesslich rügen die Beschwerdeführer bezüglich der obergerichtlichen Gerichtskosten eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Sie machen geltend, das Obergericht habe diese ohne nähere Begründung oder Darlegung der Bemessungsgrundsätze auf Fr. 16'000.-- bestimmt.
Die Höhe der Gerichtskosten im kantonalen Verfahren hängt vom Streitwert ab, zu dessen Höhe sich das Obergericht geäussert hat. Davon ausgehend hat es die Gerichtskosten bestimmt, indes ohne die anwendbare gesetzliche Grundlage ausdrücklich zu benennen. Darin kann aber noch keine Verletzung der Begründungspflicht erblickt werden, da es für die Beschwerdeführer im vorliegenden Fall erkennbar war, nach welcher Bestimmung die Gerichtskosten berechnet worden sind, zitieren sie doch in ihrer Beschwerdeschrift die einschlägige Norm des bernischen Dekrets über die Gebühren der Zivilgerichte (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102).
6.
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie schulden den Beschwerdegegnern allerdings keine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist.
Der Beschwerdeführer 2 hat für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Diese ist einer Partei zu bewilligen, die bedürftig und deren Sache nicht aussichtslos ist (Art. 152 Abs. 1 OG; BGE 125 II 265 E. 4b S. 275; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.). Die vorliegende Beschwerde enthält zu einem grossen Teil appellatorische Ausführungen, auf welche nicht eingetreten werden kann (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Sie muss daher als von vornherein aussichtslos angesehen werden, so dass das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege des Beschwerdeführers 2 wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. Dezember 2005
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: