BGer 4C.233/2005
 
BGer 4C.233/2005 vom 02.11.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
4C.233/2005 /sza
Urteil vom 2. November 2005
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Arroyo.
Parteien
X.________,
Y.________,
Gesuchsteller und Berufungskläger,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Benno Wild,
gegen
Z.________ AG,
Gesuchsgegnerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Gmünder.
Gegenstand
aktienrechtliche Sonderprüfung,
Berufung gegen den Präsidialentscheid des Kassationsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 26. Mai 2005.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
X.________ und Y.________ (Gesuchsteller und Berufungskläger) sind Aktionäre der Z.________ AG, (Gesuchsgegnerin und Berufungsbeklagte). Auf ihren Antrag entschied der Handelsgerichtspräsident St. Gallen am 10. Juni 2004, es werde eine Sonderprüfung gegen die Gesuchsgegnerin betreffend das Wohnhaus "A.________" durchgeführt. Der Handelsgerichtspräsident betraute am 5. Oktober 2004 die B.________ AG in St. Gallen mit der Durchführung der Sonderprüfung. Der Sonderprüfer legte seinen Bericht am 28. Januar 2005 vor. Den Parteien wurde der Bericht samt Beilagen zur Kenntnis gebracht. Die Gesuchsteller äusserten die Vermutung, der Sonderprüfer sei voreingenommen und verlangten eine Nachbesserung durch einen neuen Sonderprüfer sowie die Beantwortung diverser Fragen.
1.1 Mit Entscheid vom 14. März 2005 schrieb der Handelsgerichtspräsident die Streitsache als erledigt ab. Er kam zum Schluss, der Sonderprüfer habe die gestellten Fragen sachlich und ausreichend beantwortet und es sei kein Anschein der Befangenheit erkennbar. Mit Präsidialentscheid vom 26. Mai 2005 wies das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen die Nichtigkeitsbeschwerde der Gesuchsteller ab, soweit darauf eingetreten werden konnte.
1.2 Neben einer staatsrechtlichen Beschwerde haben die Gesuchsteller mit im Wesentlichen gleich lautender Begründung eidgenössische Berufung eingereicht. Sie beantragen, es sei der angefochtene Entscheid (zugestellt am 3. Juni 2005) aufzuheben und es sei die ergänzende Sonderprüfung (Art. 697e Abs. 3 OR) zur Ermittlung des gesamten Schadens in Landeswährung anzuordnen, den die Gesellschaft durch Erwerb, Planung, Bau, die Finanzierung und die nicht verbuchten Eigenleistungen "(damnum emergens et lucrum cessans)" der Liegenschaft "A.________" erlitten hat.
1.3 Eine Berufungsantwort wurde nicht eingeholt. Das Handelsgericht des Kantons St. Gallen übermittelte die Akten.
2.
2.1 Die Berufung ist gemäss Art. 48 Abs. 1 OG zulässig gegen kantonal letztinstanzliche Endentscheide. Nach ständiger Rechtsprechung gelten Entscheide, die aufgrund eines ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittels ergangen sind, nicht als berufungsfähige Endurteile, es sei denn, die Rechtsmittelinstanz entscheide neu in der Sache selbst (BGE 112 II 95 E. 2 S. 96; vgl. auch BGE 116 II 91; 119 II 297 E. 2a S. 299, je mit Verweisen). Da das Kassationsgericht im vorliegenden Fall nicht neu entschieden hat, kann der Präsidialentscheid vom 26. Mai 2005 nicht mit Berufung angefochten werden. Auf die Berufung gegen den Entscheid des Kassationsgerichts ist nicht einzutreten.
2.2 Daran ändert nichts, dass der Handelsgerichtspräsident in der Rechtsmittelbelehrung des Entscheids vom 14. März 2005 auf die Möglichkeit, dagegen eidgenössische Berufung zu erheben nicht hinwies, sondern lediglich die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht anführte. Das Kassationsgericht hat seinerseits im vorliegend angefochtenen Entscheid vom 26. Mai 2005 die Rüge der willkürlichen Anwendung von Bundesrecht beurteilt, die im kantonalen Verfahren nur unter der Voraussetzung zulässig ist, dass die eidgenössische Berufung nicht zur Verfügung steht. Beide Instanzen sind somit davon ausgegangen, der Entscheid des Handelsgerichtspräsidenten sei hinsichtlich der bundesrechtskonformen Anwendung von Art. 697e Abs. 3 OR (Gewährung der Gelegenheit Ergänzungsfragen zu stellen) nicht berufungsfähig. Dies trifft aber nicht zu, wie im Zusammenhang mit der gleichzeitig eingereichten und beurteilten staatsrechtlichen Beschwerde dargetan wird (vgl. Urteil 4P.183/2005 vom 2. November 2005 E. 3). Der - berufungsfähige - Entscheid vom 14. März 2005, der am 17. März 2005 an die Parteien versandt wurde, kann mit keinem ordentlichen kantonalen Rechtsmittel angefochten werden und ist insofern letztinstanzlich im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG. Die für die Anfechtung des Entscheids geltende Berufungsfrist von 30 Tagen (Art. 54 Abs. 1 OG) war jedoch im Zeitpunkt der Einreichung des Rechtsmittels längst abgelaufen. Die eidgenössische Berufung vom 2. Juli 2005 wäre somit verspätet und aus dem Recht zu weisen, falls sie sinngemäss als gegen den Entscheid des Handelsgerichts gerichtet interpretiert werden könnte.
In diesem Fall würde auch die fehlerhafte bzw. unvollständige Rechtsmittelbelehrung im Entscheid vom 14. März 2005 kein unverschuldetes Hindernis im Sinne von Art. 35 Abs. 1 OG darstellen. Denn nach der Rechtsprechung setzt dies voraus, dass der Betroffene bzw. dessen Rechtsvertreter sich nach den Umständen auf die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung verlassen durfte. Wer jedoch die Unvollständigkeit einer Rechtsmittelbelehrung kennt oder bei gebührender Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, darf sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen (BGE 112 Ia 305 E. 3; 111 Ia 355 S. 357; 106 Ia 15 E. 3a u. b). Für fachkundige Personen ist allgemein bekannt, dass die aufgrund eines ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittels ergangenen Entscheide gemäss Art. 48 Abs. 1 OG grundsätzlich nicht berufungsfähig sind. Der Fehler des Rechtsvertreters, der unrichtigerweise gegen den Kassationsgerichtsentscheid eidgenössische Berufung erhob, ist den Gesuchstellern wie ein eigener anzurechnen (BGE 107 Ia 168 E. 2a; 106 Ia 15 E. 3b S. 18). Von einem fehlenden Verschulden im Sinne von Art. 35 OG kann daher unter diesen Umständen keine Rede sein (vgl. Urteil 5C.160/1994 vom 29. Dezember 1994 E. 2d).
3.
Auf die Berufung ist nicht einzutreten. Die Gerichtsgebühr ist den Gesuchstellern unter solidarischer Haftbarkeit (intern je zur Hälfte) zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da eine Antwort nicht eingeholt wurde, sind der Gesuchsgegnerin keine Parteikosten erwachsen.
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Gesuchstellern unter solidarischer Haftbarkeit (intern je zur Hälfte) auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kassationsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. November 2005
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: