BGer U 52/2005
 
BGer U 52/2005 vom 25.08.2005
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
U 52/05
Urteil vom 25. August 2005
IV. Kammer
Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiberin Riedi Hunold
Parteien
S.________, 1950, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Felix Barmettler, Bahnhofstrasse 8, 6403 Küssnacht am Rigi,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
(Entscheid vom 23. Dezember 2004)
Sachverhalt:
A.
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) hat S.________ (geboren 1950) für die Restfolgen des am 17. Juni 2001 erlittenen Verkehrsunfalls eine Integritätsentschädigung von 10 % zugesprochen; diese Verfügung vom 19. Juni 2002 erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Mit Verfügung vom 17. März 2003 sprach sie ihm mit Wirkung ab 1. Juli 2002 eine Invalidenrente auf Grund einer Erwerbsunfähigkeit von 20 % zu. Dabei stützte sie sich in erwerblicher Hinsicht u.a. auf die Angaben der früheren Arbeitgeberin, der Firma G.________ AG, vom 21. Januar 2003 sowie auf fünf Arbeitsplatzprofile aus der Dokumentation Arbeitsplätze (DAP). Die SUVA hielt mit Einspracheentscheid vom 27. Juni 2003 an ihrem Entscheid fest.
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher die Zusprechung einer Invalidenrente gestützt auf eine Erwerbsunfähigkeit von 50 % beantragt wurde, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 23. Dezember 2004 ab.
C.
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und das vorinstanzliche Rechtsbegehren erneuern. Zudem beantragt er die unentgeltliche Rechtspflege. Das kantonale Gericht und die SUVA schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Kranken- und Unfallversicherung, verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz hat die Grundsätze und Bestimmungen über die Anwendbarkeit der materiellrechtlichen Normen des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG; BGE 130 V 445 mit Hinweisen) und den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 UVG; BGE 129 V 472, 126 V 76 Erw. 3b, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
2.
Der Beschwerdeführer rügt, der Gesundheitszustand sei namentlich in Bezug auf die Unfallkausalität der Kraftlosigkeit für den Pinzettengriff (Daumen-Zeigefinger) links, die partielle Medianusläsion links sowie die Parästhesien nicht verlässlich genug abgeklärt worden. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Für die Feststellung des massgebenden Gesundheitszustandes kann ausnahmsweise auf den letztinstanzlich erstmals eingereichten Abklärungsbericht der BEFAS vom 25. November 2004 abgestellt werden. Denn dieser Bericht steht in engem Sachzusammenhang mit der hier zu beurteilenden Frage der Invalidenrente und eignet sich dazu, die Beurteilung im Zeitpunkt des Verfügungserlasses zu beeinflussen (BGE 99 V 102 mit Hinweisen). Im einlässlichen BEFAS-Bericht finden sich keine Hinweise auf die geklagten Beschwerden, insbesondere auch nicht in der Wiedergabe der vom Versicherten geschilderten Leiden. Somit drängt sich der Schluss auf, dass diese Beschwerden für die Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit vernachlässigt werden können. Weitere medizinischen Abklärungen sind demnach nicht erforderlich.
3.
Soweit der Beschwerdeführer die Festlegung des Valideneinkommens durch die Vorinstanz rügt, ist ihm teilweise zuzustimmen. Der von seiner letzten Arbeitgeberin bezahlte Lohn von Fr. 4200.- zuzüglich 13. Monatslohn, den die SUVA sowie das kantonale Gericht ihrer Rentenbemessung zu Grunde legten, stellt eine Momentaufnahme dar. Diese sagt nichts Abschliessendes darüber aus, wie sich die Einkommensverhältnisse ohne die Unfallfolgen, auf welche bei der Invaliditätsbemessung abgestellt wird, wahrscheinlich entwickelt hätten. Zwar entbehren die vom Beschwerdeführer für den Gesundheitsfall geltend gemachten Einkommenszahlen einer hinreichenden Grundlage; doch ist ihm gestützt auf die Akten, insbesondere den BEFAS-Bericht vom 25. November 2004, eine Einkommenserzielung auf weitere Sicht sowohl bei der Bemessung des Validen- wie auch des Invalideneinkommens im Rahmen der Anforderungsstufe 4 der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE; einfache und repetitive Arbeiten) zuzugestehen. Da somit die Ermittlung der zu vergleichenden Einkommen nicht anhand konkreter Arbeitsstellen vorgenommen wird, sondern Validen- und Invalideneinkommen geschätzt werden, muss diese Schätzung nicht unbedingt in einer ziffernmässigen Festlegung von Annäherungswerten erfolgen; vielmehr kann auch eine Gegenüberstellung blosser Prozentzahlen genügen (sogenannter Prozentvergleich; BGE 114 V 313 Erw. 3a mit Hinweisen). Nach dem Gesagten ist beim Valideneinkommen von einem Jahreswert von Fr. 56'734.65 auszugehen, wie ihn das kantonale Gericht in Erw. 5b/cc gestützt auf die LSE für das Jahr 2002 festgelegt hat, und dieses mit 100 % zu bewerten. Hinsichtlich der noch zumutbaren Tätigkeiten ist ebenfalls auf den sich mit dieser Frage ausführlich auseinandersetzenden BEFAS-Bericht vom 25. November 2003 abzustellen, welcher dem Versicherten trotz optimaler Kooperation eine Leistungseinschränkung von 30 % attestiert. Im Gegensatz zu Verwaltung und Vorinstanz ist somit von einer Arbeitsunfähigkeit von 30 % auszugehen. Bei dieser Vorgehensweise entfällt ein weiterer invaliditätsbedingter Abzug (BGE 126 V 75), und es resultiert ihm Rahmen des Prozentvergleichs eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 30 %.
4.
Da es um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten ist daher gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen, soweit der Beschwerdeführer nicht zufolge teilweisen Obsiegens Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung (Art. 159 OG) hat, gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 23. Dezember 2004 und der Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom 27. Juni 2003 insoweit abgeändert, als dass die SUVA dem Beschwerdeführer ab 1. Juli 2002 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 30 % zu erbringen hat. Soweit weitergehend, wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Die SUVA hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 800.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Felix Barmettler aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1700.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
5.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.
6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 25. August 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: