BGer 2A.536/2004
 
BGer 2A.536/2004 vom 27.04.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
2A.536/2004 /ast
Urteil vom 27. April 2005
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Daniel Staffelbach, Naegeli & Streichenberg Rechtsanwälte,
gegen
Foederatio Medicorum Helveticorum (FMH), Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, handelnd durch die Einsprachekommission Weiterbildungstitel, Elfenstrasse 18, 3000 Bern 16,
Beschwerdegegnerin,
Eidgenössische Rekurskommission für medizinische Aus- und Weiterbildung, Effingerstrasse 39, 3003 Bern.
Gegenstand
Erteilung des Facharzttitels "Allgemeinmedizin",
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil der Eidgenössischen Rekurskommission für medizinische Aus- und Weiterbildung vom 19. August 2004.
Sachverhalt:
A.
Unter dem Namen "FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte", (...), "FMH Foederatio Medicorum Helveticorum" besteht ein schweizerischer Ärzteverein im Sinne von Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (vgl. Art. 1 der Statuten FMH vom 24. Juni 1998 in der revidierten Fassung vom 30. April 2003). Gemäss eigenen Angaben der FMH sind über 90 % der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz Mitglied des Vereins. Rund 14'500 der etwa 26'000 FMH-Mitglieder arbeiten in der freien Praxis, rund 11'500 sind Ärzte ohne Praxistätigkeit, vor allem Spitalärzte.
Der FMH (bzw. der Schweizerischen Ärztekammer als deren Organ) obliegt der Erlass einer Weiterbildungsordnung (vgl. Art. 30 lit. i der Statuten). Die gegenwärtige Ordnung stammt aus dem Jahr 2000 (vgl. Weiterbildungsordnung [WBO] vom 21. Juni 2000, in der Fassung vom 11. Februar 2004). Vom Bundesrat erhielt die FMH die Stellung einer Trägerorganisation im Sinne von Art. 20 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1877 betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweizerischen Eidgenossenschaft (FMPG, SR 811.11). Sie ist deshalb befugt, als privatrechtlicher Verein Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG über die Anrechenbarkeit von Weiterbildungsperioden zu erlassen (Art. 19 lit. a FMPG, vgl. VPB 68.29 [Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für medizinische Aus- und Weiterbildung vom 21. Juni 2003, E. 1.1]).
B.
Dr. med./lic.phil. X.________ (geb. 1951) stellte am 12. Dezember 2002 bei der FMH das Gesuch, es sei ihm die geleistete Arbeit im Rahmen seines Psychologiestudiums (zwischen 1972 und 1977), seine Arbeit in fremden Praxen 1983 bis 1987 sowie teilweise der Erfahrungsaustausch in einer Gemeinschaftspraxis (1982 bis 2002) für den Weiterbildungstitel "Allgemeinmedizin" anzuerkennen. Am 28. Juli 2003 teilte die Titelkommission der FMH X.________ mit, ihm würden noch elf Monate anrechenbare Weiterbildung fehlen, weshalb das Gesuch für die Erteilung des Weiterbildungstitels "Allgemeinmedizin gemäss FMPG" abgelehnt werde.
Hiergegen wehrte sich X.________ bei der FMH-internen Einsprachekommission (vormals Beschwerdekommission) Weiterbildungstitel. Diese wies seine Anträge am 21. November 2003 im Sinne der Erwägungen ab. Die Kommission erwog im Wesentlichen, das Psychologiestudium gelte nicht als Weiterbildung im Sinne der WBO-FMH; ebenso wenig könnten die Praxisassistenzen angerechnet werden, da aus den eingereichten Unterlagen weder deren genaue Dauer hervorgehe, noch ersichtlich sei, ob es sich um Praxisassistenzen oder um Praxisvertretungen gehandelt habe. Auch die Zusammenarbeit mit der Praxiskollegin stelle keine Weiterbildung im Sinne der WBO-FMH dar.
Eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde von X.________ wies die Eidgenössische Rekurskommission für medizinische Aus- und Weiterbildung am 19. August 2004 ab und bestätigte die Verfügung der Einsprachekommission.
C.
X.________ führt mit Eingabe vom 20. September 2004 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, den Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für medizinische Aus- und Weiterbildung vom 19. August 2004 aufzuheben und die Sache an die FMH zur erneuten Prüfung zurückzuweisen.
Die FMH beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Die Eidgenössische Rekurskommission für medizinische Aus- und Weiterbildung und das Eidgenössische Departement des Innern haben sich vernehmen lassen, ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen eine auf öffentliches Recht des Bundes gestützte Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG, die von einer eidgenössischen Rekurskommission als Vorinstanz nach Art. 98 lit. e OG erlassen wurde. Ein Ausschlussgrund gemäss Art. 99 - 102 OG liegt nicht vor. Streitig ist insbesondere nicht eine medizinische Fachprüfung oder die Anerkennung einer Weiterbildungsstätte, worüber die Eidgenössische Rekurskommission für medizinische Aus- und Weiterbildung endgültig entscheidet (vgl. Art. 20 Abs. 3 FMPG). Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist damit zulässig, und der Beschwerdeführer ist hierzu legitimiert (Art. 103 lit. a OG).
1.2 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG).
Soweit sich der angefochtene Entscheid vorliegend auf die von der FMH erlassenen autonomen Normen über die Weiterbildung stützt, sind diese zwar privatrechtlicher Natur. Aufgrund der Akkreditierung der Weiterbildungsprogramme sind diese Normen aber nach ständiger Praxis dem öffentlichen Recht des Bundes gleichzustellen (vgl. VPB 68.29, E. 2.2).
Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an die Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG).
1.3 Das Bundesgericht wendet im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde das Bundesrecht von Amtes wegen an; es ist gemäss Art. 114 Abs. 1 OG an die von den Parteien vorgebrachten Begründungen nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (BGE 128 II 145 E. 1.2.2 S. 150 f.; 127 II 264 E. 1b S. 268 mit Hinweisen).
2.
2.1 Eidgenössische Weiterbildungstitel werden für den Arztberuf erteilt. Wer einen solchen Weiterbildungstitel erworben hat, ist berechtigt, in der ganzen Schweiz den Arztberuf selbständig auszuüben (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1 FMPG). Der Bundesrat bestimmt, welche eidgenössischen Weiterbildungstitel auf welchen Gebieten erteilt werden; er legt für jeden Titel die Weiterbildungsziele fest (Art. 7 Abs. 2 und 3 FMPG). Darüber hinaus ermächtigt Art. 23 FMPG den Bundesrat in allgemeiner Weise, die Ausführungsvorschriften zum Bundesgesetz zu erlassen, was dieser mit der Verordnung vom 17. Oktober 2001 über die Weiterbildung und die Anerkennung der Diplome und Weiterbildungstitel der medizinischen Berufe (Weiterbildungsverordnung, SR 811.113) auch getan hat.
2.2 Der Facharzttitel "Allgemeinmedizin" ist ein eidgenössischer Weiterbildungstitel, der nach den Vorgaben der akkreditierten Weiterbildungsprogramme erteilt wird. Die Weiterbildungsdauer für diesen Titel beträgt fünf Jahre (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a und Anhang 1 Weiterbildungsverordnung). Als anrechenbare Weiterbildung gilt grundsätzlich die nach Erwerb eines anerkannten Arztdiploms ausgeübte Tätigkeit im Rahmen einer Weiterbildungsstelle an anerkannten Weiterbildungsstätten (Art. 28 Abs. 1 WBO-FMH). Im Übrigen richtet sich die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin nach dem entsprechenden Weiterbildungsprogramm der FMH vom 1. Januar 2002 (WBP-FMH).
2.3 Der Facharzttitel ist die Bestätigung für eine abgeschlossene, strukturierte und kontrollierte Weiterbildung in einem Fachgebiet der klinischen oder nicht klinischen Medizin. Sein Inhaber hat die im entsprechenden Weiterbildungsprogramm geforderte Weiterbildung absolviert und besondere Kenntnisse und Fertigkeiten im gewählten Fachgebiet erworben (Art. 12 Abs. 1 WBO-FMH).
2.4 Gemäss der Übergangsbestimmung von Art. 11 Abs. 1 Weiterbildungsverordnung kann ein Arzt, der vor dem 1. Juni 2002 seinen Beruf in der Schweiz bereits selbständig ausgeübt hat, die Erteilung eines eidgenössischen Titels beantragen, sofern er bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen Weiterbildungstitel nach Art. 9 Weiterbildungsverordnung (eidgenössisch anerkannter Weiterbildungstitel) erworben hat. Wer mindestens zwei Jahre eine an den Facharzttitel "Allgemeinmedizin" anrechenbare Weiterbildung absolviert und pro fehlendes Weiterbildungsjahr während zweier Jahre selbständig schwergewichtig in der Grundversorgung praktiziert hat, erhält den Facharzttitel "Allgemeinmedizin" ohne weitere Voraussetzungen (Art. 11 Abs. 4 Weiterbildungsverordnung). Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Weiterbildungstitels nach den Absätzen 2-6 Weiterbildungsverordnung müssen bis spätestens 31. Dezember 2007 erfüllt sein (Art. 11 Abs. 7 Satz 1 Weiterbildungsverordnung).
3.
3.1 Die Eidgenössische Rekurskommission für medizinische Aus- und Weiterbildung hat - für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 2 OG) - festgestellt, der Beschwerdeführer habe in den Jahren 1972 bis 1977 ein Psychologiestudium absolviert und erfolgreich abgeschlossen. Im Dezember 1983 habe er das Arztdiplom erworben und während Jahren eine selbständige ärztliche Berufstätigkeit in der Grundversorgung ausgeübt, so dass er für die Erlangung des Facharzttitels Allgemeinmedizin eine zweijährige Weiterbildung nachweisen müsse. Seine während 13 Monaten ausgeübte Tätigkeit in der privaten Psychiatrieklinik A.________ in B.________ sei nachgewiesen. Die Rekurskommission hat gestützt auf diesen Sachverhalt im Wesentlichen erwogen, das vom Beschwerdeführer absolvierte Psychologiestudium möge zwar den Erwerb medizinischer Kenntnisse im Rahmen der ärztlichen Ausbildung erleichtert und zu seiner beruflichen Befähigung beigetragen haben, eine anerkannte Weiterbildung stelle es aber nicht dar, zumal der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Psychologiestudiums noch über kein medizinisches Grundwissen verfügt habe. Das Studium könne daher auch nicht teilweise angerechnet werden. Gleiches gelte für die ungenügend belegten Praxisassistenzen bzw. die Tätigkeit des Beschwerdeführers in einer Gemeinschaftspraxis. Dem Einwand des Beschwerdeführers, die Nichtanrechnung der erwähnten Tätigkeiten und die Nichterteilung des Facharzttitels sei unverhältnismässig, hielt die Rekurskommission entgegen, von den relativ detaillierten bundesrechtlichen Vorgaben und den Vorschriften der FMH über die Voraussetzungen der Erteilung eines Weiterbildungstitels könne nicht einzelfallweise abgewichen werden; seien die Voraussetzungen - wie im vorliegenden Fall - nicht erfüllt, könne ein Titel nicht erteilt werden.
3.2 Die Rekurskommission hat in ihren Erwägungen im Ergebnis die Auffassung ihrer Vorinstanzen (wonach dem Beschwerdeführer der anbegehrte Facharzttitel nicht erteilt werden könne) geschützt. Sie hat damit kein Bundesrecht verletzt: Der Einwand der Ermessensunterschreitung (vgl. zum Begriff Häfelin/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2002, Rz. 470 ff.) ist nicht stichhaltig. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Weiterbildung sind detailliert normiert (vgl. insbesondere Art. 28 - 37 WBO-FMH sowie Ziff. 2 WBP-FMH und Art. 7 ff. FMPG, vgl. auch oben E. 2) und lassen in den streitigen Punkten gerade keinen Raum für eine Ermessensbetätigung; die FMH ist auch an ihre eigenen Normen gebunden. So wird - wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt - grundsätzlich auch die Tätigkeit als Assistent bei anerkannten freipraktizierenden Ärzten in der Schweiz als Weiterbildung angerechnet (Art. 34 erster Absatz WBO-FMH). Anrechenbar sind aber nur Tätigkeiten während einer ununterbrochenen Dauer von mindestens einem bis maximal sechs Monaten in der gleichen Praxis (Art. 34 zweiter Absatz WBO-FMH). Im unmittelbaren Anschluss an einen mindestens einmonatigen Einsatz als Assistent ist auch eine Stellvertretung von maximal zwei Monaten in der gleichen Praxis als Weiterbildung anrechenbar, sofern dies das entsprechende Weiterbildungsprogramm erlaubt (Art. 34 dritter Absatz WBO-FMH). Wenn die Rekurskommission in diesem Zusammenhang festgestellt hat, der vom Beschwerdeführer eingereichten Liste könne weder entnommen werden, ob er als Assistent oder als Vertretung in den aufgeführten Praxen tätig gewesen sei, noch wie lange diese Tätigkeiten gedauert hätten, so ist dies nicht offensichtlich unrichtig und es kommt damit vorliegend Art. 105 Abs. 2 OG zum Zuge (vgl. E. 1.2). Dass das in den Jahren 1972 bis 1977 an der Universität Zürich absolvierte Psychologiestudium nicht als Weiterbildung anerkannt wird, hält sich ebenfalls noch im Rahmen des Zulässigen. Der Beschwerdeführer hat sein Arztdiplom unbestrittenermassen erst im Jahre 1983 erworben und kann damit nicht geltend machen, er habe sich mit dem vorher absolvierten Psychologiestudium im Sinne der Anforderungen für den Facharzttitel "Allgemeinmedizin" weitergebildet. "Weiterbildung" in diesem Zusammenhang kann sich begrifflich nur auf Aktivitäten beziehen, die nach der Ausbildung zum Arzt stattfinden und einen Bezug zum Arztberuf haben (vgl. auch Art. 12 WBO-FMH).
Soweit gerügt wird, der angefochtene Entscheid verletze die verfassungsrechtliche Garantie der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV), weil der Beschwerdeführer in seiner künftigen Berufsausübung eingeschränkt werde, ist die Beschwerde offensichtlich unbegründet. Die Übergangsbestimmungen in Art. 11 Weiterbildungsverordnung tragen den berührten Interessen ausreichend Rechnung und ermöglichen dem Beschwerdeführer, den anbegehrten Titel noch bis zum 31. Dezember 2007 gemäss den Bestimmungen in der Übergangsregelung zu erwerben (Art. 11 Abs. 6 und 7 Weiterbildungsverordnung).
4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Die FMH hat keinen Anspruch auf Parteikostenersatz, da sie vorliegend öffentlichrechtliche Aufgaben wahrgenommen hat (Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Eidgenössischen Rekurskommission für medizinische Aus- und Weiterbildung sowie dem Eidgenössischen Departement des Innern schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. April 2005
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: