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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
H 4/05
H 7/05
Urteil vom 19. April 2005
IV. Kammer
Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiberin Hofer
Parteien
H 4/05
Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes, Viaduktstrasse 42, 4051 Basel, Beschwerdeführerin,
und
H 7/05
S.________, Beschwerdeführer,
gegen
Verlag X.________ AG, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwältin Monique Schnell Luchsinger, Forchstrasse 452, 8032 Zürich,
Vorinstanz
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal
(Entscheid vom 24. November 2004)
Sachverhalt:
A.
Anlässlich einer am 7. Januar 2004 durchgeführten Arbeitgeberkontrolle stellte die Revisionsstelle der Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes fest, dass die Verlag X.________ AG (nachfolgend: Verlag) für Honorarbezüge der beiden Autoren S.________ und K.________ keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet hat. Mit Verfügung vom 26. Juli 2004 verpflichtete die Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes die Gesellschaft zur Nachzahlung paritätischer AHV/IV/EO und ALV-Beiträge inkl. Verwaltungskosten im Betrage von Fr. 10'609.90 nebst Verzugszins in der Höhe von Fr. 1506.70. Diese Verfügung wurde dem Verlag eröffnet. S.________ und K.________ teilte die Kasse mit Schreiben gleichen Datums mit, sie betrachte die Honorarbezüge bei der genannten Firma als massgebenden Lohn, weshalb sie darauf Sozialversicherungsbeiträge erhoben habe. Gleichzeitig räumte sie den beiden Autoren die Möglichkeit ein, innert 30 Tagen nach Erhalt des Schreibens zur Sache Stellung zu nehmen. Dem Schreiben legte sie eine Kopie der obigen Verfügung bei. Der Verlag erhob dagegen Einsprache. S.________ nahm am 10. August 2004 Stellung, während mit K.________ offenbar ein telefonischer Kontakt stattfand. Mit Einspracheentscheid vom 27. August 2004 wies die Ausgleichskasse die Einsprache des Verlags ab. S.________ und K.________ stellte sie eine Kopie des Entscheids zu.
B.
Der Verlag liess beim Kantonsgericht Basel-Landschaft Beschwerde erheben und beantragen, der Einspracheentscheid vom 27. August 2004 und die Beitragsverfügung vom 26. Juli 2004 seien aufzuheben und es seien S.________, K.________ und die Ausgleichskasse des Kantons Bern in den Prozess beizuladen. Das kantonale Gericht wies den Antrag auf Beiladung mit prozessleitender Verfügung vom 5. Oktober 2004 vollumfänglich ab. Mit Entscheid vom 24. November 2004 hob es in Gutheissung der Beschwerde den Einspracheentscheid und die Beitragsverfügung auf (Dispositiv-Ziffer 1). Zudem sprach es dem Verlag eine Parteientschädigung in Höhe von Fr. 4272.25 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zu (Dispositiv-Ziffer 3).
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt die Ausgleichskasse das Rechtsbegehren, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Verfügung vom 26. Juli 2004 wiederherzustellen. Eventuell sei Dispositiv-Ziffer 3 des kantonalen Gerichtsentscheids aufzuheben und die Parteientschädigung auf ein angemessenes Mass festzusetzen.
Der Verlag schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. Der als Mitinteressierter beigeladene S.________ beantragt Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während der ebenfalls beigeladene K.________ auf eine Stellungnahme verzichtet.
D.
S.________ führt ebenfalls Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.
Das Bundesamt für Sozialversicherung und der als Mitinteressierter beigeladene K.________ verzichten auf eine Stellungnahme. Der Verlag stellt den Antrag, es sei auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten; eventuell sei diese abzuweisen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Da den beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden derselbe Sachverhalt zu Grunde liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und die Rechtsmittel den nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE 128 V 126 Erw. 1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 128 V 194 Erw. 1).
2.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht. Entsprechend dem Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen beschränkt sich das Gericht nicht darauf, den Streitgegenstand bloss im Hinblick auf die von den Parteien aufgeworfenen Rechtsfragen zu überprüfen. Es kann eine Beschwerde gutheissen oder abweisen aus anderen Gründen als vom Beschwerdeführer vorgetragen oder von der Vorinstanz erwogen (Art. 114 Abs. 1 am Ende in Verbindung mit Art. 132 OG; BGE 124 V 340 Erw. 1b mit Hinweisen). Zu dem von Amtes wegen zu überprüfenden Bundesrecht gehört auch der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV).
3.
3.1 Erlässt eine Ausgleichskasse im Gebiet der paritätischen Beiträge eine Verfügung, so stellt sie eine Beitragsschuld sowohl des Arbeitgebers wie des Arbeitnehmers fest (Art. 4 und 5 sowie Art. 12 und 13 AHVG). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind in gleicher Weise betroffen, weshalb die Verfügung im Hinblick auf die Wahrung des rechtlichen Gehörs grundsätzlich beiden zu eröffnen ist. Ausnahmen von diesem Grundsatz hat das Eidgenössische Versicherungsgericht indessen dort zugelassen, wo der Ausgleichskasse aus praktischen Gründen die Zustellung von Verfügungen an die Arbeitnehmer nicht zugemutet werden kann. Dies trifft beispielsweise zu, wenn es sich um eine grosse Zahl von Arbeitnehmern handelt, wenn sich der Wohnsitz der Arbeitnehmer im Ausland befindet oder wenn es sich lediglich um geringfügige Beiträge handelt (BGE 113 V 3 Erw. 2 mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelten nicht nur, wenn das Beitragsstatut oder die Natur einzelner Zahlungen streitig ist, sondern auch bei nachträglichen Lohnerfassungen, wenn umstritten ist, ob bestimmte Vergütungen zum massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG gehören (BGE 113 V 4 Erw. 3a).
Ist eine Beitragsverfügung nur dem Arbeitgeber eröffnet worden und hat dieser Beschwerde erhoben, so hat das erstinstanzliche Gericht - ausser in den genannten Ausnahmefällen - entweder den Arbeitnehmer beizuladen oder die Sache an die Verwaltung zurückzuweisen, damit diese durch Zustellung der Beitragsverfügung an den oder die betroffenen Arbeitnehmer deren Verfahrensrechte wahrt (BGE 113 V 5 Erw. 4a).
3.2 Wurde eine Beitragsverfügung ordnungsgemäss Arbeitgeber wie Arbeitnehmer eröffnet, erhebt aber lediglich eine der beiden Personen Beschwerde, hat die kantonale Beschwerdeinstanz die nicht Beschwerde führende Person beizuladen und ihr das rechtliche Gehör zu gewähren, da diese von ihrem Entscheid gleichermassen betroffen ist wie die Beschwerde führende Person (Urteil K. vom 5. Juli 2000, H 376/98).
3.3 Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Es kommt mit anderen Worten nicht darauf an, ob die Anhörung im konkreten Fall für den Ausgang der materiellen Streitentscheidung von Bedeutung ist, d.h. die Behörde zu einer Änderung ihres Entscheides veranlasst wird oder nicht (BGE 127 V 437 Erw. 3d/aa, 126 V 132 Erw. 2b mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung kann eine - nicht besonders schwerwiegende - Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Die Heilung eines - allfälligen - Mangels soll aber die Ausnahme bleiben (BGE 127 V 437 Erw. 3d/aa, 126 I 72, 126 V 132 Erw. 2b, je mit Hinweisen).
4.
4.1 Das kantonale Gericht hat eine Beiladung der betroffenen Arbeitnehmer abgelehnt mit der Begründung, die Ausgleichskasse habe diesen die Verfügung vom 26. Juli 2004 eröffnet. Die Genannten hätten jedoch davon abgesehen, dagegen Einsprache bzw. Beschwerde zu erheben. Bei einer solchen Konstellation falle eine Beiladung zum versicherungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren ausser Betracht. Indem die Mitbetroffenen nicht innert Frist gegen die ihnen durch die Ausgleichskasse eröffneten Entscheide rekurriert hätten, hätten sie auf eine Parteistellung im Rechtsmittelverfahren verzichtet. Eine unbenützte oder verpasste Rekursfrist könne nicht durch eine Beiladung zum Beschwerdeverfahren geheilt werden.
4.2 Der vorinstanzlichen Betrachtungsweise kann nicht beigepflichtet werden. Wie bereits erwähnt (Erw. 3.2), ist es hinsichtlich des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht von Belang, ob Arbeitgeber oder -nehmer Beschwerde führen. Das kantonale Gericht hat die jeweils nicht Beschwerde führende Person zum Verfahren beizuladen. Unterlässt es dies, ist der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und es ist die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es das rechtliche Gehör gewähre und über die Beschwerde neu entscheide, da die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Heilung der Gehörsverletzung im letztinstanzlichen Verfahren bereits deshalb zu verneinen ist, weil dem Eidgenössischen Versicherungsgericht in Beitragsstreitigkeiten nur eine eingeschränkte Überprüfungsbefugnis zusteht (Urteil K. vom 5. Juli 2000, H 376/98). Dies hat auch im vorliegenden Fall zu gelten, zumal S.________ im letztinstanzlichen Verfahren neue Einwände vorbringt, welche angesichts der eingeschränkten Kognition im letztinstanzlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden könnten.
4.3 Im angefochtenen Entscheid hat das kantonale Gericht erwogen, ob die Verwaltung den Anspruch des Verlags auf rechtliches Gehör verletzt habe und ob sie bei der Erhebung der Beiträge von den richtigen Zahlen ausgegangen sei, könne offen bleiben, nachdem sie zu Unrecht Arbeitgeberbeiträge erhoben habe und die Beschwerde daher gutzuheissen sei. Nicht nur gegenüber dem Verlag, sondern auch gegenüber den von der Nachzahlungsverfügung der Ausgleichskasse betroffenen Arbeitnehmern hat die Verwaltung das rechtliche Gehör zu wahren (BGE 113 V 1). Da dies aus den nachstehenden Gründen nicht in rechtsgenüglicher Weise geschehen ist, hat im vorliegenden Fall die Rückweisung nicht an die Vorinstanz, sondern an die Ausgleichskasse zu erfolgen.
5.
5.1 Die Ausgleichskasse hat die an den Verlag adressierte Nachzahlungsverfügung vom 26. Juli 2004 den beiden betroffenen Arbeitnehmern zwar in Kopie zugestellt. Im Begleitschreiben gleichen Datums hat sie festgehalten, es werde die Möglichkeit eingeräumt, zur Sache Stellung zu nehmen, was S.________ in der Folge auch getan hat. Im Einspracheentscheid vom 27. August 2004 ist die Verwaltung auf seine Vorbringen bezüglich der Höhe der ausgerichteten Honorarzahlungen nicht näher eingegangen. Vielmehr nahm sie im Entscheid ausdrücklich nur auf die Einsprache des Verlags vom 11. August 2004 Bezug. S.________ und K.________ stellte sie eine Kopie des Einspracheentscheids zu.
5.2 Der Arbeitnehmer hat ein selbständiges Einsprache- und Beschwerderecht gegen Verfügungen, mit welchen die Ausgleichskasse Lohnbeiträge nachfordert (vgl. BGE 113 V 5 Erw. 4a). Mit den an S.________ und K.________ gerichteten Schreiben vom 26. Juli 2004 erweckte die Ausgleichskasse diesen gegenüber den Eindruck, sie könnten keine Einsprache erheben, sondern hätten lediglich die Möglichkeit, sich zu äussern. In der Folge hat sie auch keinen Bezug auf die von S.________ erhobenen Einwände gegen die Höhe der Honorare genommen. Nachdem sie die beiden betroffenen Autoren mit ihrem Vorgehen über ihre prozessuale Stellung und die damit verbundenen Rechte im Verfahren im Unklaren liess, kann auch hinsichtlich des Einspracheentscheids nicht von einer ordnungsgemässen Eröffnung ausgegangen werden. Der Einspracheentscheid vom 27. August 2004 ist daher aufzuheben und es wird die Ausgleichskasse angewiesen, Verfügung und Einspracheentscheid den Betroffenen ordnungsgemäss zu eröffnen, damit diese ihre Rechte vollumfänglich wahren können.
6.
Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerden somit gutzuheissen sind und der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben ist, erübrigen sich Ausführungen zu der von der Ausgleichskasse beantragten Herabsetzung der vom kantonalen Gericht festgesetzten Parteientschädigung.
7.
Das Verfahren ist kostenpflichtig, da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht (Art. 134 OG e contrario). Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend gehen die Kosten zur Hälfte zu Lasten der Ausgleichskasse, welche das Verfahren nicht korrekt durchgeführt hat und zur Hälfte an die unterliegende Beschwerdegegnerin.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verfahren H 4/05 und H 7/05 werden vereinigt.
2.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 24. November 2004 und der Einspracheentscheid vom 27. August 2004 aufgehoben werden und die Sache an die Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre.
3.
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 1200.- werden je zur Hälfte der Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes und der Beschwerdegegnerin auferlegt. Mit Bezug auf die Ausgleichskasse sind sie durch den geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 1200.- gedeckt; der Differenzbetrag von Fr. 600.- wird dieser zurückerstattet.
4.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1200.- wird S.________ zurückerstattet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, dem Bundesamt für Sozialversicherung und K.________ zugestellt.
Luzern, 19. April 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: