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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5P.439/2004 /bnm
Urteil vom 10. März 2005
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Möckli.
Parteien
X.________ (Ehefrau),
Beschwerdeführerin,
gegen
Y.________ (Ehemann),
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Gian Andrea Danuser,
Obergericht des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, Postfach, 8023 Zürich.
Gegenstand
Art. 9 und 29 BV (Rechtsöffnung),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, vom 6. Oktober 2004.
Sachverhalt:
A.
Gemäss Eheschutzverfügung des Bezirksgerichts Meilen vom 3. Juni 2002 hatte Y.________ die eheliche Wohnung bis spätestens 1. Juli 2002 zu verlassen und seiner Frau X.________ "ab Aufnahme des Getrenntlebens, spätestens ab 1. Juli 2002 bis 31. August 2002" Unterhaltszahlungen von Fr. 4'100.--, anschliessend solche von Fr. 3'930.-- sowie für die Tochter Z.________ jeweils ein Aliment von Fr. 1'200.-- zu zahlen.
B.
Gestützt auf diesen Entscheid leitete X.________ gegen ihren Mann für Fr. 15'825.-- die Betreibung ein (Frauen- und Kinderalimente für die Monate Juli und August 2002 von total Fr. 10'600.--, rückständige Beiträge für die Zeit vom 1. Juli bis 1. November 2003 von total Fr. 5'125.-- sowie Prozessentschädigung von Fr. 100.--).
Mit Entscheid vom 17. Februar 2004 erteilte der Einzelrichter des Bezirksgerichts Bülach lediglich für die Prozessentschädigung von Fr. 100.-- Rechtsöffnung, während er das weitergehende Gesuch abwies. Das Obergericht des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, wies die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss vom 6. Oktober 2004 ab.
C.
Gegen diesen Beschluss hat X.________ am 24. November 2004 staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Begehren um dessen Aufhebung. In seiner Vernehmlassung hat Y.________ auf Abweisung der Beschwerde geschlossen. Zudem beantragen beide Parteien die unentgeltliche Prozessführung. Das Obergericht hat auf die Einreichung einer Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerdeführerin macht einzig die fehlenden Unterhaltszahlungen an sich und die Tochter Z.________ für die Monate Juli und August 2002 von total Fr. 10'600.-- zum Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde. Sie wirft dem Obergericht vor, willkürlich entschieden und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt zu haben.
2.
Mit Bezug auf die Alimente für die Monate Juli und August 2002 hat das Obergericht auf die erstinstanzlichen Erwägungen verwiesen. Diesen zufolge handelt es sich um Unterhaltszahlungen gemäss Art. 176 ZGB, da sie an das Auszugsdatum vom 1. Juli 2002 geknüpft seien; ansonsten würde es sich um die Festsetzung von Geldbeiträgen an den Unterhalt der Familie gemäss Art. 173 ZGB handeln. Die Formulierung in der Eheschutzverfügung "ab Aufnahme des Getrenntlebens, spätestens ab 1. Juli 2002" habe deshalb nicht die Bedeutung, dass die Unterhaltszahlungen ab diesem Zeitpunkt sowieso geschuldet wären, sondern habe damit zu tun, dass in der Verfügung auch der Auszug des Beschwerdegegners spätestens ab diesem Datum hätte erfolgen sollen. Nun habe die Beschwerdeführerin gemäss dem Rechtsöffnungsprotokoll vom 26. August 2003 ausgesagt, dass sie und der Beschwerdegegner entgegen der Verfügung des Bezirksgerichts Meilen vereinbart hätten, dass der Auszug aus der ehelichen Wohnung erst am 1. Dezember 2002 stattfinde. Somit hätten die Parteien in den interessierenden Monaten Juli und August 2002 noch zusammengelebt und entsprechend seinen für diese Zeit keine Unterhaltsbeiträge als Nebenfolge des Getrenntlebens geschuldet.
3.
An der Sache vorbei geht zunächst das Vorbringen der Beschwerdeführerin, das Obergericht habe sich kaum mit ihren Argumenten befasst, sondern es bei der Aussage bewenden lassen, die Zahlungspflicht sei an eine Suspensivbedingung geknüpft, nämlich an die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes, und die damit implizit verbundene Rüge der Verletzung der Begründungspflicht, die einen Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör bildet (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102; 129 I 232 E. 3.2 S. 236). Das Obergericht hat zur Begründung auf die ausführlichen Erwägungen des Bezirksgerichts verwiesen und sich dabei auf § 161 GVG/ZH gestützt. Der Verweis auf die vorinstanzliche Begründung ist zulässig, soweit im Rechtsmittelverfahren nicht neue und erhebliche Argumente vorgetragen werden (BGE 103 Ia 407 E. 3a S. 409; letztmals bestätigt im Entscheid 1P.69/2004 vom 7. April 2004, E. 1.1.4), was vorliegend nicht der Fall war. Mit dem zulässigen Verweis wird die erstinstanzliche Begründung zum Bestandteil des angefochtenen Urteils und kann deshalb mit angefochten werden (BGE 128 III 96, nicht publ. E. 1).
4.
In der Sache selbst wirft die Beschwerdeführerin dem Obergericht eine willkürliche Auslegung der Eheschutzverfügung und willkürliche Rechtsanwendung vor. Die Verfügung stelle einen definitiven Rechtsöffnungstitel dar und halte unmissverständlich fest, dass die Unterhaltszahlungen spätestens ab 1. Juli 2002 geschuldet seien.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, der Wortlaut der Eheschutzverfügung sei klar, stösst ins Leere: Die kantonalen Gerichte haben keineswegs übersehen, dass die Zahlungspflicht spätestens auf den 1. Juli 2002 festsetzt worden ist. Sie haben jedoch erwogen, der Eheschutzrichter sei davon ausgegangen bzw. habe verfügt, dass der Beschwerdegegner die eheliche Wohnung spätestens auf dieses Datum zu verlassen habe. Indes hätten die Parteien anschliessend eine hievon abweichende Vereinbarung getroffen, wonach der Auszug erst auf den 1. Dezember 2002 erfolgen soll. Weil nun die Eheschutzverfügung vom 3. Juni 2002 Unterhaltszahlungen nach Art. 176 ZGB festgesetzt habe und diese begriffsnotwendig die tatsächliche Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes voraussetzten, könnten für die Monate Juli und August 2002 keine Unterhaltszahlungen gemäss Art. 176 ZGB geschuldet sein.
Soweit die Beschwerdeführerin diesbezüglich geltend macht, der Rechtsöffnungsrichter dürfe nicht über den materiellen Bestand einer Forderung befinden, übersieht sie, dass mit der Eheschutzverfügung gar nicht über einen materiellen Forderungsbestand entschieden, sondern eine periodische Leistungspflicht begründet worden ist. Mit anderen Worten wurde mit der Eheschutzverfügung nicht über eine bereits vorbestehende Forderung durch Urteil ein definitiver Rechtsöffnungstitel ausgestellt, sondern überhaupt erst die Grundlage geschaffen, um die zur Diskussion stehenden Forderungen periodisch entstehen zu lassen. Die Praxis geht deshalb davon aus, dass Entscheide über Unterhaltsbeiträge bedingt vollstreckbar sind (Panchaud/ Caprez, Die Rechtsöffnung, Zürich 1980, Einleitungstext § 110 II) und der Rechtsöffnungsrichter zu prüfen hat, ob und inwieweit die gesetzlichen Voraussetzungen für gerichtlich zugesprochene Unterhaltsbeiträge noch vorhanden sind (Panchaud/Caprez, a.a.O., § 110 II, Ziff. 1, ferner Ziff. 16 ff.). Es ist deshalb nicht willkürlich, wenn der Rechtsöffnungsrichter umgekehrt geprüft hat, ob die gesetzlichen Voraussetzungen bereits vorhanden waren, und er diese Frage verneint hat mit der Begründung, das tatsächliche Getrenntleben sei Voraussetzung für die Leistungspflicht gemäss Art. 176 ZGB. Ohnehin setzt sich die Beschwerdeführerin entgegen dem aus Art. 90 Abs. 1 lit. b OG fliessenden Rügeprinzip nicht mit der von den kantonalen Instanzen gemachten Unterscheidung zwischen Geldbeiträgen während des Zusammenlebens gemäss Art. 173 ZGB und Leistungen als Folge der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes nach Art. 176 ZGB auseinander. Insofern mangelt es der staatsrechtlichen Beschwerde an einer hinreichenden Substanziierung.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass im angefochtenen Entscheid mit Bezug auf die Unterhaltszahlungen für die Monate Juli und August 2002 keine Willkür zu erkennen ist.
5.
Die weiteren Willkür- und Gehörsrügen (betreffend die superprovisorische Verfügung vom 20. Juni 2003 und die Verfügung des Bezirksgerichts Uster vom 11. Dezember 2003) stehen im Zusammenhang mit den Unterhaltsbeiträgen für die Zeit zwischen 1. Juli und 1. November 2003, die nach der ausdrücklichen Erklärung der Beschwerdeführerin nicht Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde bilden. Sie macht in diesem Zusammenhang jedoch geltend, die Rügen hätten insofern eine Bedeutung, als die kantonalen Verfahrenskosten anders zu verteilen gewesen wären, habe doch ihre ursprüngliche Forderung zur Zeit der kantonalen Entscheide bestanden und hätte ihr deshalb eigentlich Rechtsöffnung erteilt werden müssen. Die Beschwerdeführerin übergeht dabei, dass die kantonalen Instanzen die Kosten nach dem Ausgang des Verfahrens verlegt und damit den für die Kostenverteilung massgeblichen Grundsatz befolgt haben. Was daran willkürlich sein soll bzw. welche prozessrechtliche Bestimmung dabei willkürlich angewandt worden sein soll, zeigt sie nicht auf. Die Rügen sind deshalb unbegründet, soweit sie überhaupt genügend substanziiert sind.
6.
Beide Parteien verlangen die unentgeltliche Rechtspflege.
Die Beschwerdegegnerin verfügt nach eigenen Angaben über Einkünfte von Fr. 6'742.-- (inkl. Unterhaltszahlungen). Diesen stehen ausgehend von den Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums vom 24. November 2000 (publ. in BlSchK 2001, S. 14 ff.) nachgewiesene Ausgaben von Fr. 4'472.-- gegenüber (Grundbetrag Beschwerdeführerin Fr. 1'250.--, Grundbetrag Z.________ Fr. 500.--, Mietkosten Fr. 2'250.--, obligatorische Krankenversicherung Beschwerdeführerin Fr. 248.--, obligatorische Krankenversicherung Z.________ Fr. 224.--). Im Grundbetrag enthalten sind die Kosten für Telefon/Radio/TV. Weil sodann die über den Grundbetrag hinausgehenden Kosten nur anerkannt werden können, wenn deren Bezahlung nachgewiesen ist (vgl. BGE 121 III 20), sind die (ohnehin nicht zusammengestellten) Krankheitskosten von Fr. 500.-- pro Monat, die offenbar nicht von der Krankenkasse gedeckt würden, nicht zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die Steuern und Versicherungsprämien; nach der Zusammenstellung der Beschwerdeführerin sind sie für die Jahre 2003 und 2004 denn auch gar nicht bezahlt. Schliesslich werden die geltend gemachten Kosten für die auswärtige Verpflegung von Z.________ in den nächsten Monaten wegen ihres Klinikaufenthaltes nicht anfallen. Unter Berücksichtigung der geltend gemachten Berufsauslagen der Beschwerdeführerin (Auto und Verpflegung) von Fr. 300.--, ergibt sich ein Überschuss von rund Fr. 2'000.-- pro Monat, der es ihr selbst bei effektiver Bezahlung weiterer Positionen erlaubt, die anfallenden Gerichtskosten (die unentgeltliche Rechtspflege erstreckt sich nicht auf die gegnerischen Anwaltskosten) innert nützlicher Frist zu tilgen, ohne dass sie dabei Mittel beanspruchen müsste, die zur Deckung des Grundbedarfs für sie und ihre Tochter notwendig sind (BGE 127 I 202 E. 3b S. 205; 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232). Die zivilprozessuale Bedürftigkeit als Voraussetzung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 152 Abs. 2 OG) ist somit nicht erstellt.
Der Beschwerdegegner legt seine Einkommensverhältnisse nicht dar, weshalb sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege unsubstanziiert bleibt. Ohnehin würde ihm nach eigenen Angaben ein Überschuss von Fr. 1'000.-- pro Monat verbleiben, womit er die anfallenden Kosten zu tragen vermöchte.
Nach dem Gesagten sind die Gesuche beider Parteien abzuweisen.
7.
Zufolge Abweisung der Beschwerde wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die beidseitigen Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege werden abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. März 2005
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: