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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
U 172/04
Urteil vom 31. Januar 2005
IV. Kammer
Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und nebenamtlicher Richter Bühler; Gerichtsschreiber Arnold
Parteien
R.________, 1962, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Tomas Kempf, Webernstrasse 5, 8610 Uster,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 24. März 2004)
Sachverhalt:
A.
R.________, geb. 1962, war vom 1. August 1999 bis 31. Mai 2000 als Feinmechaniker bei der Firma V.________ AG, angestellt und obligatorisch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 19. Oktober 1999 erlitt er bei einer Auffahrkollision laut Bericht der erstbehandelnden Ärzte der Klinik für Unfallchirurgie des Spitals X.________ vom 22. Oktober 1999 eine Distorsion der Hals- und Lendenwirbelsäule ohne röntgenologisch oder computertomografisch erhobene Anhaltspunkte für frische traumatische ossäre Läsionen, weswegen ihm für die Zeit vom 19. bis 24. Oktober 1999 eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde. Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht und erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggelder). Ab dem 16. November 1999 war R.________ wieder in reduziertem zeitlichen Umfang (bei zusätzlich verminderter Leistungsfähigkeit) an seinem Arbeitsplatz tätig. Nachdem er im November 1999 in der Rheumaklinik, im Institut für Physikalische Medizin sowie in der Psychiatrischen Poliklinik des Spitals X.________ ambulant behandelt worden war, weilte er vom 2. Februar bis 8. März 2000 in der Klinik E.________. Ab dem 13. März 2000 arbeitete er entsprechend der klinikärztlichen Stellungnahme zur Arbeitsfähigkeit, wonach er während zweier Wochen zu 33 1/3 %, danach für die Dauer von sechs Wochen zu 50 % arbeitsfähig war und anschliessend eine neue Beurteilung stattfinden sollte, bei der V.________ AG, bis diese das Arbeitsverhältnis auf den 31. Mai 2000 kündigte. Nach ergänzenden Abklärungen der beruflich-erwerblichen und medizinischen Verhältnisse, worunter insbesondere das interdisziplinäre Gutachten des Zentrum Z.________, vom 16. Mai 2002, stellte die SUVA mit Verfügung vom 16. September 2002 ihre Taggeld- und Heilkostenleistungen per 31. Oktober 2002 ein und verneinte die Ansprüche auf eine Invalidenrente sowie eine Integritätsentschädigung. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Einspracheentscheid vom 28. November 2002 ab.
Mit Verfügung vom 14. November 2002 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich R.________ mit Wirkung ab 1. Oktober 2000 eine ganze Rente zu.
B.
Die gegen den Einspracheentscheid vom 28. November 2002 erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich nach doppeltem Schriftenwechsel, Beizug der Akten der Eidgenössischen Invalidenversicherung sowie des Statthalteramtes W.________ (betreffend den Verkehrsunfall vom 19. Oktober 1999) ab (Entscheid vom 24. März 2004).
C.
R.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und im Hauptpunkt die Zusprechung einer Invalidenrente sowie einer Integritätsentschädigung beantragen; eventuell seien ergänzende Abklärungen anzuordnen.
Die SUVA schliess auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig und zu prüfen ist unter dem Blickwinkel des in Art. 6 Abs. 1 UVG angelegten Anspruchserfordernisses der Kausalität, ob der (allenfalls zu Arbeits-, Erwerbsunfähigkeit, Integritätseinbusse usw. führende) Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nach dem 31. Oktober 2002 in einem rechtserheblichen Kausalzusammenhang zum versicherten Unfall vom 19. Oktober 1999 steht. Das kantonale Gericht hat die dabei rechtsprechungsgemäss erforderlichen Grundsätze zutreffend dargelegt. Es betrifft dies namentlich die Adäquanzprüfung bei psychogenen Unfallfolgen (BGE 115 V 133) sowie bei Folgen von Distorsionsverletzungen der Halswirbelsäule (HWS; BGE 117 V 359), insbesondere bei Beschwerdebildern, in denen die psychische Seite klar im Vordergrund steht (BGE 123 V 99 Erw. 2a). Richtig ist weiter, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 nicht anwendbar ist, da sich der hier zu beurteilende Sachverhalt vor dem 1. Januar 2003 verwirklicht hat (vgl. BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). Darauf wird verwiesen.
2.
2.1 Das kantonale Gericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung die gesamten medizinischen Unterlagen berücksichtigt und in schlüssiger, in allen Teilen überzeugender Weise erwogen, dass der polydisziplinären Expertise der Zentrum Z.________ vom 16. Mai 2002 voller Beweiswert zukommt, da sie alle rechtsprechungsgemässen (BGE 125 V 352 Erw. 3 mit Hinweisen) Kriterien für beweiskräftige ärztliche Entscheidungsgrundlagen erfüllt. Gestützt auf die gutachterlichen Angaben leidet der Beschwerdeführer im Bereich des Nackens an einer chronifizierten Weichteildysbalance, wie sie häufig gesehen werde und in ihrem Ausmass nicht limitierend sei, wobei ein Kausalzusammenhang mit dem Unfall vom 19. Oktober 1999 zudem bloss möglich sei, was für die Begründung eines Leistungsanspruches nach UVG nicht genügt (BGE 119 V 338 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen). Die subtotale Osteochondrose L5/S1, welche zu chronifizierten, belastungsabhängigen Schmerzen am lumbosacralen Übergang geführt habe, sei als ausschliesslich degeneratives Geschehen zu beurteilen, weshalb es auch insoweit an der Anspruchsvoraussetzung der natürlichen Kausalität fehlt. Hinsichtlich des psychischen Gesundheitsschadens ist auf Grund des zitierten Gutachtens sowie der übrigen medizinischen Akten mit der Vorinstanz überwiegend wahrscheinlich, dass das Unfallereignis vom 19. Oktober 1999 zumindest eine Teilursache der entsprechenden gesundheitlichen Störung sowie der daraus resultierenden Einschränkung in der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit bildet, was für die Bejahung des für die Leistungspflicht des Unfallversicherers nach UVG zunächst vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhangs genügt (BGE 119 V 338 Erw. 1, 117 V 360 Erw. 4b).
2.2 SUVA wie Vorinstanz haben indessen die Adäquanz des Kausalentsprechenden Kausalzusammenhangs verneint, wobei sie die Beurteilung nach der Rechtsprechung zu den psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133) und nicht anhand der Kriterien, wie sie für Schleudertraumen der HWS entwickelt wurden (BGE 117 V 359, insbesondere S. 367 Erw. 6a), vorgenommen haben. Das ist bei der gegebenen Aktenlage sachgerecht und ist unter allen Verfahrensbeteiligten zu Recht nicht strittig. Wird mit der Vorinstanz aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer unmittelbar im Anschluss an den Unfall vom 19. Oktober 1999 zumindest teilweise an jenem Beschwerdebild litt, welches typischerweise mit einem Schleudertrauma der HWS einhergeht, auf das Vorliegen eines entsprechenden Verletzungsmechanismus geschlossen, was letztlich offen bleiben kann, ist offensichtlich, dass bereits sehr kurze Zeit nach dem Unfallereignis das psychische Beschwerdebild klar im Vordergrund stand. So wird im Gutachten des Zentrum Z.________ nebst einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom insbesondere eine narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, welche von der konsiliarisch beigezogenen Frau Dr. med. S.________, Spezialärztin FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, basierend auf der Untersuchung des Beschwerdeführers vom 7. Mai 2002 und nach sorgfältiger Darlegung der psychiatrischen Anamnese als schwere Störung beschrieben wird, die eine Arbeitsunfähigkeit im Umfang von 60 % begründet. Im Austrittsbericht der Klinik E.________ vom 27. März 2000 ist im psychosomatischen Konsilium vom 3. Februar 2000 die Rede von einer auffälligen Grundpersönlichkeit mit narzisstischen und schizoiden Zügen. Der Beschwerdeführer besuchte denn auch bereits im November 1999, d.h. wenige Wochen nach dem Unfall vom 19. Oktober 1999, in der psychiatrischen Polyklinik des Spitals X.________ eine ambulante Psychotherapie, welche im Dezember 1999 zur Empfehlung des behandelnden Arztes Dr. med. H.________ führte, zwecks Vermeidung einer Chronifizierung der Schmerzsymptomatik sei ein stationärer Aufenthalt in der Klinik E.________ angezeigt. Das kantonale Gericht ordnete den Unfall schliesslich dem mittleren Bereich im engeren Sinne zu, hielt fest, dem Geschehen könne eine gewisse Eindrücklichkeit nicht abgesprochen werden, verneinte indes das Vorliegen der in BGE 115 V 133 formulierten Kriterien und damit das Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhangs.
3.
Der durch die SUVA verfügte, mit Einspracheentscheid und vorinstanzlich bestätigte Fallabschluss auf den 31. Oktober 2002 (Art. 19 Abs. 1 UVG) - unter Ablehnung des Anspruchs auf Invalidenrente (Art. 18 UVG) und Integritätsentschädigung (Art. 24 UVG) - ist von Bundesrechts wegen (Art. 104 lit. a OG) und auch im Lichte der Angemessenheitskontrolle sowie der fehlenden Bindung an die Tatsachenfeststellung (Art. 132 lit. a, b OG) nicht zu beanstanden. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nichts vorgebracht, was geeignet wäre, an der Bundesrechtskonformität und Angemessenheit der vorinstanzlichen Streiterledigung Zweifel zu wecken, die zu einer abweichenden Beurteilung oder Beweisergänzungen Anlass zu geben vermöchten.
3.1 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht kein Grund zu zusätzlichen Beweisvorkehren. Der Expertise des Zentrum Z.________ vom 16. Mai 2002 kommt, wie bereits erwogen (Erw. 2.1), voller Beweiswert zu. Ob die psychischen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers als mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom sowie als schwere narzisstische Persönlichkeitsstörung beschrieben werden - so im Gutachten des Zentrum Z.________ - oder ob sie als posttraumatische Belastungsstörung beurteilt werden, so etwa im Austrittsbericht der Klinik E.________, ist insofern unerheblich, als der Unfall vom 19. Oktober 1999 ungeachtet der diagnostischen Unterschiede jedenfalls eine Teilursache für die psychischen Beschwerden bildet, mithin - zumindest - der natürliche Kausalzusammenhang zu bejahen ist, während bei der Adäquanzprüfung nach BGE 115 V 133 die entsprechenden diagnostischen Differenzen nicht entscheidend ins Gewicht fallen.
3.2 Mit der Vorinstanz ist der Unfall vom 19. Oktober 1999 dem mittleren Bereich zuzuordnen, wobei er nicht zu den schwereren Fällen im mittleren Bereich zu zählen oder sogar als Grenzfall zu einem schweren Unfall zu qualifizieren ist (vgl. RKUV 1999 Nr. U 330 S. 122 f. Erw. 4b/bb) ). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass dem Unfallereignis wohl eine gewisse Eindrücklichkeit zukommt, der Beschwerdeführer indes nicht einem lebensbedrohlichen Geschehen ausgesetzt war. Sein Fahrzeug wurde an der rechten Heckseite und der linken Frontpartie beschädigt, die Fahrgastzelle blieb aber vollständig intakt, weshalb er ohne fremde Hilfe dem Wagen entsteigen und noch am Unfallort der Polizei Auskunft geben konnte. Das kantonale Gericht hat sodann mit einlässlicher Begründung, auf die verwiesen wird, verneint, dass die Kriterien gemäss BGE 115 V 133 in gehäufter oder auffallender Weise erfüllt sind. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die zum Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhanges bei psychischen Unfallfolgen entwickelten Grundsätze mit Ausrichtung auf ein Unfallereignis definiert worden sind. Sowohl die Einteilung in banale bzw. leichte Unfälle einerseits, schwere Unfälle anderseits und den dazwischen liegenden mittleren Bereich, als auch die einzelnen Kriterien beziehen sich auf einen einzigen Vorfall. Die Judikatur zu den psychischen Unfallfolgen würde mit dem in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgeschlagenen Vorgehen untergraben, wonach der Umstand, dass der Beschwerdeführer offenbar mehrere, teils schwere Unfälle hinter sich hat, im Rahmen des Kriteriums der besonders dramatischen Begleitumstände zu berücksichtigen sei. Ein mehrere Unfälle umfassendes Geschehen mit entsprechender Zuordnung im Prüfungsraster fällt rechtsprechungsgemäss ausser Betracht (Urteil D. vom 22. Februar 2002, U 300/00, publiziert in HAVE 2002 S 219).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.
Luzern, 31. Januar 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: