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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
U 176/03
Urteil vom 28. Mai 2004
IV. Kammer
Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Hochuli
Parteien
E.________, 1952, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Michael Ausfeld, Weinbergstrasse 18, 8001 Zürich,
gegen
Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher René W. Schleifer, Stampfenbachstrasse 42, 8006 Zürich
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 4. Juni 2003)
Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 6. Februar 2001, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 26. Juli 2001, stellte die "Winterthur" Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: WINTERTHUR oder Beschwerdegegnerin), bei welcher die 1952 geborene E.________ in ihrer Eigenschaft als Teilzeit-Kinderbetreuerin für F.________ obligatorisch gegen Berufsunfälle versichert war, die aus dem Berufsunfall vom 4. Oktober 1999 zu erbringenden Leistungen per 4. Januar 2000 ein.
Die hiegegen erhobene Beschwerde der E.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 4. Juni 2003 ab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt E.________ sinngemäss unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids und des Einspracheentscheids beantragen, die WINTERTHUR habe ihr weiterhin "über den 4. Oktober 2000 hinaus" die gesetzlichen Leistungen für das versicherte Unfallereignis zu erbringen, und es sei ihr in der Person ihres Rechtsvertreters die unentgeltliche Verbeiständung zu gewähren.
Während die WINTERTHUR auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Kranken- und Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers zunächst vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) zutreffend dargelegt (BGE 119 V 337 Erw. 1 mit Hinweisen). Richtig wiedergegeben sind ferner die Grundsätze über das Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhangs (BGE 125 V 461 f. Erw. 5a mit Hinweisen) sowie über den Beweiswert und die Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 ff. Erw. 3a und b, 122 V 160 Erw. 1c). Gleiches gilt in Bezug auf die Ausführungen zur praxisgemässen Einstellung der Versicherungsleistungen mit Erreichen des Gesundheitszustandes, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat (status quo ante), oder aber desjenigen Zustandes, wie er sich auch ohne den Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status quo sine; RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328 Erw. 3b, 1992 Nr. U 142 S. 75 Erw. 4b, mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (hier: vom 26. Juli 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen).
2.
2.1 In der Prozessgeschichte (Sachverhalt Ziffer 1 S. 2) des angefochtenen Entscheides findet sich die aktenwidrige Feststellung, mit Verfügung vom 6. Februar 2001 habe die WINTERTHUR festgestellt, «dass der Status quo ante am 4. Oktober 2000 erreicht» worden sei. Dem Dispositiv der genannten Verfügung liegt die Erwägung zu Grunde:
«Der Status quo ante (gleicher Zustand wie vor dem Unfall) ist spätestens drei Monate nach dem Unfall vom 04.10.1999, d.h. am 04.01.2000 erreicht. Eine unfallbedingte Heilbehandlung ist gemäss Gutachten von Dr. S._______ vom 06.10.2000 nicht mehr notwendig. Wir stellen daher die Leistungen für Pflegeleistungen und Kostenvergütungen rückwirkend per 04.01.2000 ein.»
In den Erwägungen folgt das kantonale Gericht dann jedoch der Betrachtungsweise der Beschwerdegegnerin, indem es ausführt, gestützt auf die medizinische Aktenlage sei anzunehmen, dass der Status quo sine spätestens nach einem Zeitraum von drei Monaten, somit am 4. Januar 2000 erreicht worden sei. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde findet sich im Rechtsbegehren dann wieder das Datum des 4. Oktobers 2000.
2.2 Verwaltungsverfügungen und Gerichtsentscheide sind - vorbehältlich von Situationen, in welchen der öffentlich-rechtliche Vertrauensschutz erheblich ist - nicht nach ihrem bisweilen unbeholfenen oder unrichtigen Wortlaut, sondern nach ihrem wirklichen rechtlichen Gehalt (BGE 120 V 497 Erw. 1a) zu verstehen. Von daher ist klar, dass hier eine Leistungseinstellung auf den 4. Januar 2000 verfügt und vorinstanzlich bestätigt wurde.
3.
Gegenstand der Prüfung bildet somit vor dem Eidgenössische Versicherungsgericht die Frage, ob die WINTERTHUR zu Recht per 4. Januar 2000 sämtliche Versicherungsleistungen für die Folgen des Unfalles vom 4. Oktober 1999 einstellte.
3.1 Ausweislich der medizinischen Akten hat die Beschwerdeführerin bei ihrem Sturz im Bus der Verkehrsbetriebe X.________ am 4. Oktober 1999 einzig eine Schulterkontusion rechts erlitten (Bericht des Dr. med. Y.________, Innere Medizin und Tropenkrankheiten FMH, vom 17. November 1999). Die gemäss Bericht des Medizinisch Radiodiagnostischen Institutes am Spital B.________ vom 8. November 1999 gleichentags erhobene Magnetresonanz-Arthrographie der rechten Schulter ergab «eine regelrechte Darstellung der Schultergelenkkapsel»; ein «Kontrastmittelaustritt in die Bursa subacromialis» lag nicht vor. Es zeigte sich einzig im Bereiche des AC-Gelenks eine ausgedehnte Signalanhebung in der T2 Gewichtung mit Flüssigkeitsansammlung intraartikulär und eine ödematöse Schwellung des periartikulären Fettgewebes. Die Supraspinatussehne stellte sich regelrecht dar. Sowohl das vordere als auch das hintere Labrum waren unauffällig bei normaler Lage der langen Bizepssehne im solcus bizipitalis. Bei diesen geringfügigen unfallmässigen Primärverletzungen lässt sich eine richtunggebende Verschlimmerung im Sinne einer über drei Monate hinaus andauernden unfallbedingten Behandlungsbedürftigkeit nicht bestätigen, weshalb sie denn auch durch sämtliche in der Folge erhobenen Berichte, insbesondere durch das Administrativgutachten des Dr. med. S.________, Orthopädische Chirurgie FMH, vom 6. Oktober 2000, verneint worden ist. Aus den Berichten des Dr. med. H.________, Neurologie FMH, vom 8. Dezember 2000 und 9. Mai 2002 ergibt sich nichts anderes: Er attestiert keinen behandlungsbedürftigen Befund im Bereich der rechten Schulter, sondern setzt sich einerseits mit den Folgen eines am 9. Februar 2001 erlittenen, unstreitig nicht bei der Beschwerdegegnerin versicherten, Unfalles auseinander und beschreibt andererseits eine Symptomausweitung im Sinne einer Cervicobrachialgie rechts mit Ausstrahlungen entsprechend C7, vor allem aber eine myofasciale Symptomatik mit belastungsabhängiger Schwäche bei Verkürzung der Muskulatur. Diese weiteren Gesundheitsschäden können jedoch eindeutig nicht als natürlich kausale Folgen der am 4. Oktober 1999 erlittenen Schulterverletzung interpretiert werden.
3.2 Die nachträglich von der Beschwerdeführerin behauptete Schwere des unfallmässigen Geschehens erscheint in Anbetracht des bei den Akten liegenden Fotos und der Attestation eines Mitpassagiers als unglaubwürdig. Abgesehen davon ist der Unfallhergang insofern von untergeordneter Bedeutung, als es für die Beurteilung des hier allein streitigen natürlichen Kausalzusammenhanges auf die primären Unfallverletzungen mit ihren Auswirkungen ankommt. Diese beschränkten sich, wie gesagt (Erw. 3.1 hievor), auf eine Schulterkontusion, ohne dass irgendwelche Anhaltspunkte für weitere unfallbedingte irreversible Schädigungen vorliegen würden. Die Kritik an den Darlegungen des Dr. med. A.________, Spezialarzt für Chirurgie FMH, im Bericht vom 31. Oktober 2000 ist unbehelflich und kann vernachlässigt werden, weil auf diesen Bericht für die Beurteilung der Kausalitätsfrage nicht abgestellt werden muss. Was die Versicherte im Übrigen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorbringt, ist nicht stichhaltig und ändert nichts an der zu Recht erfolgten vorinstanzlichen Bestätigung der von der Beschwerdegegnerin verfügten Leistungseinstellung.
4.
Da es um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben.
Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden (Art. 152 OG in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Michael Ausfeld, Zürich, für das Verfahren vor dem Eidgenössische Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.
Luzern, 28. Mai 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: