BGer U 35/2002
 
BGer U 35/2002 vom 26.02.2004
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
U 35/02
Urteil vom 26. Februar 2004
III. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger; Gerichtsschreiber Signorell
Parteien
K.________, 1951, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Bürgi, Haus "Zur alten Dorfbank", 9313 Muolen,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau
(Entscheid vom 12. Dezember 2001)
Sachverhalt:
K.________, geb. 1951, von 1973-1998 lacktechnische Laborantin bei der Firma M.________ AG, war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) unfallversichert, welche mit Einspracheentscheid vom 22. Juni 2001 ihre Verfügung vom 21. März 2001 bestätigte, wonach die Zusprechung von Leistungen wegen einer Berufskrankheit abgelehnt wurde.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies eine dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 12. Dezember 2001 ab.
Hiegegen lässt K.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, ihre Lebererkrankung sei als Berufskrankheit anzuerkennen und die SUVA zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen zu erbringen; eventuell sei die Sache zur Beweisergänzung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), verzichtet auf Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Unfallversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (hier: 22. Juni 2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar.
2.
Unter sämtlichen Verfahrensbeteiligten ist zu Recht unbestritten, dass als Anspruchsgrundlage einzig Art. 9 Abs. 2 UVG in Betracht fällt, wonach als Berufskrankheiten auch andere (d.h. nicht in der Liste von Anhang 1 zum UVG aufgeführte) Krankheiten gelten, von denen nachgewiesen wird, dass sie ausschliesslich oder stark überwiegend durch berufliche Tätigkeit verursacht worden sind.
2.1 Die Voraussetzung des ausschliesslichen oder stark überwiegenden Zusammenhanges gemäss Art. 9 Abs. 2 UVG ist nach ständiger Rechtsprechung erfüllt, wenn die Berufskrankheit mindestens zu 75 % durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden ist. Die Anerkennung von Beschwerden im Rahmen dieser von der Gerichtspraxis als Generalklausel bezeichneten Anspruchsgrundlage (vgl. dazu BGE 114 V 111 Erw. 3c) ist an relativ strenge Beweisanforderungen gebunden.
2.2 Im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 UVG ist grundsätzlich in jedem Einzelfall darüber Beweis zu führen, ob die geforderte stark überwiegende (mehr als 75 %ige) bis ausschliessliche berufliche Verursachung vorliegt (BGE 126 V 189 Erw. 4b am Ende). Angesichts des empirischen Charakters der medizinischen Wissenschaft (BGE 126 V 189 Erw. 4c am Anfang) spielt es für den Beweis im Einzelfall eine entscheidende Rolle, ob und inwieweit die Medizin, je nach ihrem Wissensstand in der fraglichen Disziplin, über die Genese einer Krankheit im Allgemeinen Auskunft zu geben oder (noch) nicht zu geben vermag. Wenn auf Grund medizinischer Forschungsergebnisse ein Erfahrungswert dafür besteht, dass eine berufsbedingte Entstehung eines bestimmten Leidens von seiner Natur her nicht nachgewiesen werden kann, dann schliesst dies den (positiven) Beweis auf qualifizierte Ursächlichkeit im Einzelfall aus.
2.3 Die Vorinstanz hat in zutreffender Würdigung der Ergebnisse der Abklärungen über die Arbeitsplatzverhältnisse, namentlich die toxikologische Situation, und der medizinischen Akten zu Recht erkannt, dass die primäre biliäre Zirrhose (PBC) der Versicherten auf jeden Fall nicht im rechtsprechungsgemäss erforderlichen Ausmass von mindestens 75 % auf die frühere Berufsarbeit als lacktechnische Laborantin zurückgeführt werden kann.
Daran vermögen die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts zu ändern. Die biliäre Zirrhose ist eine von den Gallengängen ausgehende Leberzirrhose. Die Form der primären biliären Zirrhose kommt fast ausschliesslich bei Frauen im mittleren Alter (je nach Autor: 35. bis 70. bzw. 25. bis 60. Lebensjahr) vor. Die Ätiologie der Krankheit ist ungewiss; vermutet bzw. als wahrscheinliche Ursache angesehen wird eine Autoimmunreaktion (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 256. Aufl., S. 1848; Hans-Peter Buscher, Chefarzt der Medizinischen Klinik II der DRK-Klinik Berlin-Köpenick, Hypermedialen Nachschlagwerk für Hepatologie, auffindbar bei: www.medicoconsult.de/Hepabook [Krankheitsbilder, Primäre biliäre Zyrrhose, Ätiologie]). Entgegen der Behauptungen der Beschwerdeführerin scheint namentlich die toxikologische Exposition am Arbeitsplatz dabei keine Rolle zu spielen. Buscher ausdrücklich darauf hin, dass für die Annahme einer PBC andere häufige Leberkrankheiten (keine Leberschädigung durch Alkohol, Drogen, Medikamente, Chemikalien, giftige Pilze, Verdacht auf Hepatitisinfektion; sonstige Leberkrankheiten bekannt) ausgeschlossen sein müssen (a.a.O. [Krankheitsbilder, primäre biliäre Zirrhose, Klinik]). Soweit eine Leberschädigung durch Chemikalien belegt wäre, schlösse dies eine PBC-Diagnose gerade aus. Nach der unter Erw. 2.2 hievor dargelegten Rechtsprechung scheidet somit eine Anerkennung als Berufskrankheit im Einzelfall von vornherein aus, weshalb auf die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde diesbezüglich vorgebrachten Einwendungen (einschliesslich des Eventualantrags auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur ergänzenden Beweisergänzung) nicht näher einzugehen ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.
Luzern, 26. Februar 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: