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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6S.405/2003 /pai
Urteil vom 5. Februar 2004
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly,
Gerichtsschreiber Heimgartner.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Raess,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, Postfach 760, 6301 Zug.
Gegenstand
Strafzumessung; Aufschub des Strafvollzugs zwecks ambulanter Massnahme (Veruntreuung usw.),
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Strafrechtliche Abteilung, vom 23. September 2003.
Sachverhalt:
A.
X.________ wurde am 20. Dezember 2002 vom Strafgericht des Kantons Zug wegen mehrfacher qualifizierter Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 2 StGB, mehrfachen leichtsinnigen Konkurses nach Art. 165 Ziff. 1 aStGB beziehungsweise mehrfacher Misswirtschaft gemäss Art. 165 StGB sowie mehrfacher Unterlassung der Buchführung nach Art. 166 StGB zu einer Strafe von 3 ½ Jahren Gefängnis verurteilt. Zudem ordnete das Gericht gestützt auf Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 letzter Satz und Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 zweitletzter Satz sowie Ziff. 6 StGB eine ambulante Behandlung an.
B.
Gegen dieses Urteil legte X.________ Berufung ein. Das Obergericht des Kantons Zug hiess diese am 23. September 2003 im Zivilpunkt teilweise gut. Im Übrigen bestätigte es das Urteil des Strafgerichts.
C.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die Vorinstanz habe ihn in Verletzung von Art. 63 StGB zu einer Strafe verurteilt, die nicht seinem Verschulden entspreche.
1.1 Der Richter bemisst die Strafe nach dem Verschulden des Täters; er berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse (Art. 63 StGB). Das Bundesgericht hat die bei der Strafzumessung geltenden Grundsätze letztmals in BGE 129 IV 6 E. 6 erläutert. Es kann darauf verwiesen werden.
1.2 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht seine erhöhte Strafempfindlichkeit aufgrund seiner labilen Gesundheit nicht strafmindernd berücksichtigt. Die Vorinstanz ist der Ansicht, sie habe der Entwicklung des Beschwerdeführers nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft erheblich strafmindernd Rechnung getragen. Die unter dem Aspekt der Strafempfindlichkeit geltend gemachten Umstände erachtet sie damit für ausreichend gewichtet.
Das Bundesgericht hat anerkannt, dass der Strafempfindlichkeit eines Täters unter gewissen Umständen Rechnung zu tragen ist (Urteil 6S.703/1995 vom 26. März 1996, E. c; vgl. Hans Wiprächtiger, Basler Kommentar StGB I, Art. 63 N. 95). Die Berücksichtigung der Strafempfindlichkeit kommt in Betracht, wenn Täter namentlich aus medizinischen Gründen besonders empfindlich sind wie etwa Gehirnverletzte, Schwerkranke, unter Haftpsychose Leidende oder Taubstumme (Urteil 6S.703/1995 vom 26. März 1996, E. c, mit Hinweisen). Der als gesundheitlicher Grund angeführten Persönlichkeitsstörung kommt nicht eine Intensität zu, welche eine strafmindernde Berücksichtigung unter diesem Kriterium als angezeigt erscheinen liesse. Im Übrigen wurden im Rahmen der persönlichen Verhältnisse die Lebensumstände und damit auch der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers erheblich strafmindernd berücksichtigt. Die betreffende Rüge ist abzuweisen.
1.3 Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, er benötige wegen seiner Persönlichkeitsstörung dauernd ein stabiles soziales Umfeld. Bei einer Versetzung in den geschlossenen Strafvollzug würden die durch die ambulante Behandlung erreichten Fortschritte infrage gestellt. Dies gehe aus sämtlichen Gutachten hervor. Die von der Vorinstanz gefällte Strafe verletze daher den Grundsatz, dass Sanktionen zu vermeiden seien, die den Täter aus einer günstigen Entwicklung herausreissen. Aus diesem Grund hätte eine Strafe von 18 Monaten Gefängnis unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs ausgesprochen werden müssen.
Nach der Rechtsprechung hat sich der Richter dort, wo er eine Freiheitsstrafe von nicht erheblich mehr als 18 Monaten in Betracht zieht und die Voraussetzungen des bedingten Strafvollzugs gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB im Übrigen gegeben sind, mit der Frage auseinander zu setzen, ob angesichts der persönlichen Verhältnisse des Täters der Vollzug einer Freiheitsstrafe nicht der angestrebten Resozialisierung als Ziel des Strafvollzugs zuwiderlaufe (BGE 121 IV 97 E. 2c; 118 IV 337 E. 2c).
Gemäss der Praxis des Kassationshofs ist eine Freiheitsstrafe bis 21 Monaten als "nicht erheblich länger" als 18 Monate zu werten (BGE 127 IV 97 E. 3, mit Hinweisen). Die gefällte Gefängnisstrafe von 3 ½ Jahren liegt somit deutlich über dieser Grenze. Aus diesem Grund musste sich die Vorinstanz auch nicht mit der Frage befassen, ob dem Vollzug der Strafe nicht der damit angestrebte Zweck entgegenstehe. Eine Verletzung von Bundesrecht ist demnach nicht ersichtlich, und die Beschwerde ist auch in diesem Punkt abzuweisen.
1.4 Der Beschwerdeführer wendet ferner ein, das Strafgericht habe das angenommene schwere Tatverschulden zu Unrecht auch mit seiner angeblich hohen kriminellen Energie begründet. Die Vorinstanz habe seiner Auffassung nicht widersprochen, ihm habe aufgrund der damaligen Situation eine derartige Energie gefehlt. Trotzdem habe sie die vom Strafgericht ausgesprochene Strafe nicht herabgesetzt. Zudem verkenne die Vorinstanz, dass sich das objektive Tatverschulden nicht nur aufgrund des Tatzeitraums und der Höhe der Deliktssumme bestimme.
Die Vorinstanz hat ausdrücklich festgehalten, dass der Auffassung des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner fehlenden kriminellen Energie nicht gefolgt werden könne. Ferner hat sie bezüglich des objektiven Tatverschuldens nicht nur die Dauer der Delinquenz von vier Jahren und den ausgesprochen hohen Deliktsbetrag, sondern auch das Vorgehen des Beschwerdeführers berücksichtigt. Die betreffende Rüge geht somit fehl und ist abzuweisen.
1.5 Im Übrigen hat sich die Vorinstanz mit den Tat- und Täterkomponenten so auseinander gesetzt, dass die Strafzumessung nachvollziehbar ist. Alle wesentlichen straferhöhenden und -mindernden Momente wurden korrekt bewertet und gewichtet. Das Strafmass liegt auch im gesetzlichen Rahmen. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.
2.
Der Beschwerdeführer macht des Weiteren geltend, der angefochtene Entscheid verletze Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB, weil die Vorinstanz den Vollzug der ausgesprochenen Strafe nicht zugunsten der angeordneten ambulanten Massnahme aufgeschoben habe.
2.1 Erfordert der Geisteszustand des Täters, der eine vom Gesetz mit Zuchthaus oder Gefängnis bedrohte Tat begangen hat, die damit im Zusammenhang steht, ärztliche Behandlung oder besondere Pflege und ist anzunehmen, dadurch lasse sich die Gefahr weiterer mit Strafe bedrohter Taten verhindern oder vermindern, so kann der Richter eine ambulante Behandlung anordnen, sofern der Täter für Dritte nicht gefährlich ist (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Der Richter kann den Vollzug der ausgefällten Strafe aufschieben, um der Art der angeordneten Behandlung Rechnung zu tragen (Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB). Der Richter berücksichtigt dabei einerseits die Auswirkungen des Strafvollzugs, die Erfolgsaussichten der ambulanten Behandlung und die bisherigen Therapiebemühungen, anderseits aber auch das kriminalpolitische Erfordernis, Straftaten der Schuld angemessen zu ahnden beziehungsweise rechtskräftige Strafen zu vollziehen. Der Aufschub der Strafe ist möglich, wenn eine tatsächliche Aussicht auf erfolgreiche Behandlung durch den sofortigen Vollzug der ausgefällten Freiheitsstrafe erheblich beeinträchtigt würde. Auch längere Freiheitsstrafen dürfen zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufgeschoben werden. Der Richter hat eine Abwägung zu treffen zwischen den mit der Behandlung verfolgten spezialpräventiven Zielen einerseits und dem generalpräventiven Anliegen sowie dem Prinzip der Gleichbehandlung andererseits: Je länger die ausgesprochene Freiheitsstrafe ist, umso notwendiger und dringender muss die Behandlung sein (Urteil 6S.363/2002 vom 24. Oktober 2003, E. 3). Der Richter ist gehalten, die Frage, ob der sofortige Vollzug der Strafe den Therapieerfolg erheblich gefährden würde, gestützt auf das Gutachten einer Fachperson zu beantworten (BGE 116 IV 101 E. 1b).
Selbst wenn der Richter zum Ergebnis gelangt, eine Behandlung sei ohne Beeinträchtigung der Erfolgsaussichten vollzugsbegleitend nicht durchführbar, verlangt das Gesetz nicht zwingend, den Vollzug der Strafe aufzuschieben. Die Bestimmung überlässt es vielmehr dem Richter, nach seinem pflichtgemässen Ermessen über den allfälligen Strafaufschub zu befinden. In diesen weiten Beurteilungsspielraum kann das Bundesgericht nur bei Ermessensüberschreitung oder -missbrauch eingreifen (BGE 129 IV 161, mit Hinweisen).
2.2 Der Beschwerdeführer wurde im Auftrag des Verhöramts des Kantons Zug von Dr.med. A.________, Oberarzt beim Forensisch-Psychiatrischen Dienst der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich begutachtet. Das Gutachten datiert vom 30. Juli 1999. Bei den Akten liegen zudem drei Berichte vom behandelnden Arzt, Dr.med. B.________. Weiter besteht ein Ergänzungsgutachten vom 18. Juni 2002 des verantwortlichen Arztes des ambulanten psychiatrischen Dienstes des Kantons Zug, Dr.med. C.________.
2.3 Die Vorinstanz würdigt die amtlichen Gutachten eingehend. Sie stellt zunächst fest, weder das Gutachten noch das Ergänzungsgutachten gingen davon aus, dass der Vollzug der Strafe den Erfolg der Behandlung zunichte machen würden. Gemäss dem Gutachten von Dr.med. A.________ würde eine begleitende Behandlung weder verunmöglicht noch ihr Erfolg erheblich in Frage gestellt. Nach dem Ergänzungsgutachten von Dr.med. C.________ würde zwar der Erfolg der Behandlung in erheblichem Masse in Frage gestellt. Der hinsichtlich der strafbegleitenden Durchführung der ambulanten Behandlung als problematisch angeführte Wechsel des Therapeuten hält die Vorinstanz aber für unbegründet. Sie weist darauf hin, dass dem Beschwerdeführer für die Sitzungen bei seinem jetzigen Therapeuten allenfalls Urlaub eingeräumt werden könne. Auch der im Ergänzungsgutachten aus psychiatrischer Sicht ebenfalls als ungünstig gewertete fehlende Bezug zum Alltag während des Strafvollzugs könne mit Urlauben und mit einer allfälligen bedingten Entlassung entgegen gewirkt werden. Die Vorinstanz zieht bei der Würdigung der Gutachten auch den Umstand in Betracht, dass das Ergänzungsgutachten aktueller ist und damit den bisherigen Verlauf der Behandlung über vier Jahre berücksichtigen konnte. Insgesamt zieht die Vorinstanz aus den Gutachten den Schluss, die therapeutische Behandlung des Beschwerdeführers werde durch den Strafvollzug nicht wesentlich erschwert.
2.4 Ob ein Gericht die im Gutachten enthaltenen Erörterungen für überzeugend hält oder nicht, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die mit der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 BV (Willkür) aufgeworfen werden kann, so dass gemäss Art. 269 Abs. 2 BStP für die Nichtigkeitsbeschwerde kein Raum bleibt (BGE 106 IV 236 E. 2). Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Würdigung der Gutachten und Berichte durch die Vorinstanz wendet, kann somit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
2.5 Aus dem angefochtenen Entscheid geht hervor, weshalb die Strafe gestützt auf das Gutachten - teilweise entgegen dem Ergänzungsgutachten - nicht aufzuschieben ist. Die angeführten Schwierigkeiten für die Fortsetzung einer ambulanten Therapie während des Strafvollzugs werden als nicht derart erachtet, dass der Behandlungserfolg erheblich beeinträchtigt oder gar verhindert würde. Unter diesen Umständen liesse sich der Aufschub einer Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren nicht rechtfertigen. Die Vorinstanz berücksichtigte sowohl den psychischen Zustand des Beschwerdeführers als auch die mit dem Vollzug der Strafe verbundene Beeinträchtigung der Therapie. Ferner stellte sie im Sinne der dargelegten Rechtsprechung die spezialpräventiven den generalpräventiven Bedürfnissen gegenüber. Sie berücksichtigte einerseits das verfolgte Ziel, den Beschwerdeführer zu resozialisieren, um weiteren durch ihn begangenen Verbrechen vorzubeugen, und andererseits die Interessen des Staates an Verbrechensverhütung durch Abschreckung und Schuldausgleich. In Betracht gezogen wurden zudem die Interessen der Geschädigten, die noch keine finanzielle Wiedergutmachung erfahren hätten. Insgesamt ist die Vorinstanz zum Ergebnis gelangt, dass das Interesse am Vollzug der Strafe aufgrund der gesamten Umstände überwiege.
2.6 Der Einwand des Beschwerdeführers, dem Anliegen der Spezialprävention komme grundsätzlich Vorrang zu, ist im Allgemeinen zutreffend (BGE 129 IV 161 E. 4.2., mit Hinweisen). Zu beachten ist indessen, dass gemäss der Praxis des Bundesgerichts die ambulante Massnahme dem Vollzug der ausgefällten Strafe nicht vorgeht (BGE 129 IV 161 E. 4.3., mit Hinweisen). Dies lässt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ableiten, der - im Gegensatz zur stationären Massnahme - ein Aufschub der Strafe nicht zwingend vorschreibt, sondern mittels der Formulierung in Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB, wonach der Richter den Strafvollzug aufschieben kann, für fakultativ erklärt. Im Rahmen ihres Ermessens durfte die Vorinstanz somit generalpräventive Interessen aufgrund der Höhe der Strafe und der möglicherweise längerfristigen Behandlung stärker gewichten. Die Tatsache, dass seine Taten bereits sieben und mehr Jahre zurück liegen, haben in Anbetracht des Ausmasses der Taten, des Deliktsbetrags und der hohen Anzahl Geschädigter keinen wesentlichen Einfluss auf das mit dem Vollzug der Strafe verfolgte generalpräventive Anliegen.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz den Umstand, dass er sich freiwillig einer Therapie unterzogen und gewisse Erfolge erzielt hat, nicht zu seinem Nachteil gewürdigt. Sie hat lediglich festgestellt, dass sein Zustand - auch infolge seiner Therapie - einem Strafvollzug mit begleitender Massnahme nicht entgegen stehe. Im Übrigen hat sie auch die zu seinen Gunsten sprechenden Therapiebemühungen im Rahmen seiner Entwicklung positiv vermerkt. Die betreffende Rüge geht demnach fehl und ist abzuweisen.
2.7 Die Vorinstanz hat somit sämtliche massgebenden Kriterien berücksichtigt und dabei ihr Ermessen weder überschritten noch missbraucht. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Kosten vor Bundesgericht zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug und dem Obergericht des Kantons Zug, Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 5. Februar 2004
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: