BGer 4C.207/2001
 
BGer 4C.207/2001 vom 03.01.2002
[AZA 0/2]
4C.207/2001/rnd
I. ZIVILABTEILUNG
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3. Januar 2002
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter,
Präsident, Klett, Ersatzrichter Geiser und Gerichtsschreiber
Dreifuss.
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In Sachen
A.________, Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Advokat Peter Jossen-Zinsstag, Englisch-Gruss-Strasse 6, Postfach 395, 3900 Brig,
gegen
Spital X.________, Beklagter und Berufungsbeklagter, vertreten durch Advokat Dr. Richard Steiner, Kapuzinerstrasse 29, Postfach 622, 3902 Glis,
betreffend
Arbeitsvertrag; Schadenersatz, hat sich ergeben:
A.- Das Spital X.________ (Beklagter) und A.________ (Kläger) unterzeichneten am 15. Juli 1992 einen Vertrag, mit dem der Kläger im Spital X.________ als Spezialarzt FMH für Urologie "im Belegarztsystem mit einem festzulegenden Wochentag mit entsprechender Sprechstunde" angestellt wurde.
Die Entlöhnung sollte "durch Vergütung des Aktes" erfolgen und war somit von der Anzahl und der Art der durchgeführten Behandlungen abhängig.
Das Spital X.________ kündigte den Anstellungsvertrag fristgerecht auf Ende 1998. Für dieses Jahr wurden für den Kläger Honorarguthaben von total Fr. 16'538. 65 berechnet und diesem auch überwiesen. Davon entfielen Fr. 11'699. 25 auf das erste Quartal. Ab dem zweiten Quartal, d.h. auf den
1. April 1998 stellte das Spital X.________ einen vollamtlichen Chefarzt für Urologie an. Diese Stelle war öffentlich ausgeschrieben worden und A.________ hatte sich dafür nicht beworben.
B.- Am 3. Dezember 1998 reichte der Kläger beim Bezirksgericht in Brig Klage ein. Er beantragte, das Spital X.________ sei zu verpflichten, ihm "für das Jahr 1998 Schadenersatz in der Höhe von Fr. 4'000.-- pro Monat, somit total Fr. 36'000.--, nebst Zins" sowie "eine Abgangsentschädigung von Fr. 50'000.--" nebst Kosten zu bezahlen.
Das Kantonsgericht des Kantons Wallis wies die Klage mit Urteil vom 9. Mai 2001 ab.
C.- Der Kläger beantragt mit Berufung die Aufhebung dieses Urteils. Das Spital X.________ schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.
Auf eine in gleicher Sache erhobene staatsrechtliche Beschwerde des Klägers ist das Bundesgericht mit Urteil vom heutigen Tag nicht eingetreten.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Der Kläger machte im vorinstanzlichen Verfahren geltend, der Beklagte habe den Arbeitsvertrag durch Anstellung eines vollamtlichen Urologen verletzt. Durch den Vertragsbruch sei ihm ein monatlicher Schaden von Fr. 4'000.--, für die Monate April bis Dezember 1998, d.h. von insgesamt Fr. 36'000.-- entstanden.
Das Kantonsgericht erwog, die Beweispflicht für den geltend gemachten Schaden treffe den Kläger. Dieser habe es unterlassen, seine Schadenersatzforderung hinreichend zu substanziieren und zu belegen.
Der Kläger macht geltend, die Vorinstanz habe mit diesem Entscheid Art. 8 ZGB und Art. 97 ff. OR verletzt. Sie habe namentlich die Anforderungen an die Substanziierung des geltend gemachten Schadens überspannt und verkannt, dass in jedem Schadenersatzanspruch ein Element des Schätzens enthalten sei. Damit rügt er eine Verletzung von Bundeszivilrecht, wozu das Rechtsmittel der Berufung offen steht (vgl.
BGE 112 II 172 E. I/2c S. 181; 108 II 337 E. 2b und 3; 105 II 143 E. 6a/aa; 98 II 113 E. 4a).
Das Bundesgericht ist im Berufungsverfahren an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz über den Schaden gebunden (Art. 63 Abs. 2 OG; BGE 122 III 61 E. 2c/bb mit Hinweisen). Soweit der Kläger rügt, die Vorinstanz hätte den geltend gemachten Schaden aufgrund der erhobenen Beweise als erwiesen betrachten müssen, übt er Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz, die im Berufungsverfahren nicht zu hören ist (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 126 III 189 E. 2a; 120 II 97 E. 2b S. 99; 119 II 84 E. 3, je mit Hinweisen).
b) Die Vorinstanz führte aus, der Kläger habe zum Beweis seiner Forderung lediglich die Honorarabrechnungen für das Jahr 1998 hinterlegt. Er habe jedoch keine einzige Behauptung über seine Honorare als Belegarzt am Spital X.________ in den Jahren 1991 bis 1997 substanziiert vorgetragen, was durchaus möglich und zumutbar gewesen wäre. Mit der Einreichung von Honorarabrechnungen für diesen Zeitraum hätte er eine Verdiensteinbusse aufzeigen können. Mit diesen Erwägungen hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt.
Gemäss Art. 42 OR in Verbindung mit Art. 8 ZGB ist der Schaden vom angeblich Geschädigten nachzuweisen. Wie weit die anspruchsbegründenden Tatsachen dabei inhaltlichzu substanziieren sind, damit sie unter die massgeblichen Bestimmungen des materiellen Rechts subsumiert werden können, bestimmt das materielle Bundesrecht. Die jeweiligen Anforderungen ergeben sich einerseits aus den Tatbestandsmerkmalen der angerufenen Norm und anderseits aus dem prozessualen Verhalten der Gegenpartei. Tatsachenbehauptungen müssen dabei so konkret formuliert sein, dass ein substanziiertes Bestreiten möglich ist oder der Gegenbeweis angetreten werden kann. Bestreitet der Prozessgegner das an sich schlüssige Vorbringen der behauptungsbelasteten Partei, kann diese gezwungen sein, die rechtserheblichen Tatsachen nicht nur in den Grundzügen, sondern so umfassend und klar darzulegen, dass darüber Beweis abgenommen werden kann (vgl. zum Ganzen BGE 127 III 365 E. 2b mit Hinweisen).
Vorliegend fehlte es im kantonalen Verfahren schon an schlüssigen Sachvorbringen des Klägers über seinen angeblich erlittenen, vom Beklagten jedoch bestrittenen Schaden.
Nach den Feststellungen der Vorinstanz beliefen sich die Honorare des Klägers in den ersten drei Monaten des Jahres 1998, d.h. bis zur plötzlichen Verminderung des Arbeitspensums, nach den eingereichten Belegen auf Fr. 11'699. 25, was einen monatlichen Durchschnitt von Fr. 3'899. 75 ergibt. Bei Annahme eines gleichbleibenden Durchschnittsverdienstes ergäbe sich für die weiteren neun Monate des Jahres 1998 ein Totalbetrag von Fr. 35'097. 75. Da dem Kläger für diese Zeit lediglich Fr. 4'839. 40 ausgerichtet wurden, wäre von einem Minderverdienst von Fr. 30'258. 35 auszugehen. Dies entspricht indessen nicht der eingeklagten Summe. Die Differenz zwischen dem geltend gemachten Schaden von Fr. 4'000.-- pro Monat und dem zu errechnenden Schaden ist noch grösser, wenn auf die Parteibehauptungen des Klägers über seinen Verdienst in den Jahren vor 1998 abgestellt wird. Die Vorinstanz hat hierzu zutreffend festgehalten, dass für den Zeitraum von 1991 bis 1997 nach den Parteiaussagen des Klägers, er habe in diesen Jahren durchschnittlich Fr. 40'000.-- bis Fr. 42'000.-- verdient, von einem monatlichen Verdienst von lediglich rund Fr. 3'400.-- auszugehen wäre. Das Kantonsgericht hat den geltend gemachten Schaden unter diesen Umständen zu Recht nicht als hinreichend substanziiert betrachtet.
Soweit der Kläger geltend macht, die Vorinstanz hätte den Schaden schätzen müssen, verkennt er die Tragweite des damit sinngemäss angerufenen Art. 42 Abs. 2 OR. Diese Bestimmung will dem Geschädigten nicht die Möglichkeit eröffnen, ohne nähere Angaben Schadenersatzforderungen in beliebiger Höhe zu stellen. Art. 42 Abs. 2 OR zielt lediglich auf eine Beweiserleichterung und nicht etwa darauf, dem Geschädigten die Beweislast generell abzunehmen. Der Geschädigte hat vielmehr alle Umstände, die für den Eintritt eines Schadens sprechen und dessen Abschätzung erlauben oder erleichtern, soweit möglich und zumutbar zu behaupten und zu beweisen (BGE 122 III 219 E. 3a S. 221). Dieser Substanziierungsobliegenheit ist der Kläger nach dem Dargelegten nicht nachgekommen. Das Kantonsgericht hat die Schadenersatzklage insoweit zu Recht abgewiesen.
c) Das angefochtene Urteil hat sich lediglich zur Frage ausgesprochen, ob dem Kläger Schadenersatz aus der behaupteten Vertragsverletzung zustehe. Darüber, ob der Kläger einen Erfüllungsanspruch auf Lohnzahlung nach Art. 324 OR hat, weil ihm während der Kündigungsfrist im Vergleich zu den Vormonaten in wesentlich geringerem Umfang Arbeit zugewiesen wurde, hat das Kantonsgericht nicht entschieden. Ein solcher Anspruch würde allerdings namentlich voraussetzen, dass der Kläger seine Arbeit im bisherigen Umfang gehörig angeboten und damit den Beklagten in Annahmeverzug gesetzt hat (BGE 116 II 142 E. 5a S. 143; 115 V 437 E. 5a; Staehelin, Zürcher Kommentar, N 5 zu Art. 324 OR; Rehbinder, Berner Kommentar, N 11 zu Art. 324 OR). Das Kantonsgericht hat hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen (Art. 63 Abs. 2 OR).
2.- Was der Kläger mit Bezug auf seine Forderung nach einer Abgangsentschädigung beziehungsweise nach einer Genugtuung vorbringt, vermag in keiner Weise zu überzeugen. Die Voraussetzungen für eine Abgangsentschädigung nach Arbeitsvertragsrecht (Art. 339b Abs. 1 OR) sind offensichtlich nicht erfüllt. Der Kläger macht zur Begründung seiner Genugtuungsforderung zu Recht nicht geltend, die Kündigung sei missbräuchlich gewesen. Worin vorliegend eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung liegen soll, die einen Anspruch auf eine Genugtuung nach Art. 49 OR begründen könnte, ist nicht zu sehen. Das Kantonsgericht hat die Klage auch insoweit zu Recht abgewiesen.
3.- Die Berufung ist abzuweisen und das angefochtene Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis vom 9. Mai 2001 zu bestätigen. Diesem Verfahrensausgang entsprechend ist die Gerichtsgebühr dem Kläger aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Er hat dem Beklagten überdies eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis (Zivilgerichtshof I) vom 9. Mai 2001 bestätigt.
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Kläger auferlegt.
3.- Der Kläger hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Wallis (Zivilgerichtshof I) schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 3. Januar 2002
Im Namen der I. Zivilabteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: