BGer U 221/2000
 
BGer U 221/2000 vom 13.12.2000
«AZA 0»
U 221/00 Vr
III. Kammer
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiberin Berger
Urteil vom 13. Dezember 2000
in Sachen
ELVIA Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft, Badenerstrasse 694, Zürich, Beschwerdeführerin,
gegen
F.________, 1960, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Kamm, Höschgasse 33, Zürich,
und
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
A.- Der 1960 geborene F.________ arbeitete seit 1. Februar 1990 als Versicherungsinspektor bei der Helvetia Schweizerische Versicherungsgesellschaft, St. Gallen, und war in dieser Eigenschaft bei der ELVIA Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: ELVIA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 4. September 1992 erlitt er einen Verkehrsunfall, bei dem er sich laut Arztzeugnis des Dr. med. S.________, Spital X.________, vom 24. September 1992 ein zweimaliges Schleudertrauma der Halswirbelsäule (HWS) zuzog. Die ELVIA kam für die Heilbehandlung auf und richtete Taggelder aus. Mit Verfügung vom 14. Dezember 1995 eröffnete sie dem Versicherten, dass sie über den 14. Dezember 1995 hinaus keine Leistungen mehr erbringe, weil die Gesundheitsbeschwerden in keinem natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zum versicherten Ereignis mehr stünden. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 18. August 1997).
B.- Die von F.________ dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher er hatte beantragen lassen, es sei ihm weiterhin - auf einer Taggeldbasis von Fr. 184.-, die ab 14. Dezember 1995 zu indexieren sei - ein seiner Arbeitsunfähigkeit von mindestens 30 % entsprechendes Taggeld auszurichten, hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich insoweit gut, als es den angefochtenen Einspracheentscheid aufhob und die Sache an die ELVIA zurückwies, damit sie eine psychiatrische Abklärung veranlasse und über ihre Leistungspflicht ab 14. Dezember 1995 neu verfüge (Entscheid vom 30. März 2000).
C.- Die ELVIA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben.
F.________ lässt beantragen, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei nicht einzutreten; eventuell sei diese abzuweisen. Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Da die Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. Der Beschwerdegegner lässt denn auch unbegründet, was - gemäss seinem Hauptbegehren - einer materiellen Behandlung der Rechtsvorkehr entgegenstünde.
2.- Die Vorinstanz hat die massgebende Gesetzesbestimmung über die Gewährung von Versicherungsleistungen bei Unfällen (Art. 6 Abs. 1 UVG) und die Rechtsprechung zum für die Leistungspflicht des Unfallversicherers zunächst vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) zutreffend dargelegt (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b). Im angefochtenen Entscheid richtig wiedergegeben ist ferner die Rechtsprechung zur weiter vorausgesetzten Adäquanz des Kausalzusammenhangs im Allgemeinen (BGE 123 V 103 Erw. 3d, 139 Erw. 3c), bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133) und Folgen eines Unfalls mit Schleudertrauma der HWS ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle im Besonderen (BGE 117 V 359) sowie zum im Sozialversicherungsrecht im Allgemeinen erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 125 V 195 Erw. 2 mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden.
3.- Wie das kantonale Gericht zu Recht festgestellt hat, ist der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 4. September 1992 und den über den 14. Dezember 1995 hinaus anhaltenden Leiden des Versicherten ohne weiteres zu bejahen, zumal es nach der Rechtsprechung genügt, wenn das Unfallereignis eine Teilursache für die Beschwerden darstellt (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b).
4.- Streitig ist sodann die für die Leistungspflicht des Unfallversicherers weiter vorausgesetzte Adäquanz des Kausalzusammenhangs. Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob für die Beurteilung die für psychische Fehlentwicklungen nach Unfällen geltende Rechtsprechung (BGE 115 V 133) oder die für Unfälle mit Schleudertrauma der HWS ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle massgebende Praxis (BGE 117 V 359) anwendbar ist. Denn in Fällen, in welchen die zum typischen Beschwerdebild eines Schleudertraumas der HWS gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise gegeben sind, im Vergleich zur vorliegenden ausgeprägten psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund treten, ist die Beurteilung unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Fehlentwicklung nach Unfall vorzunehmen (BGE 123 V 99 Erw. 2a mit Hinweisen). Dies wirkt sich bei der Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs bei Unfällen aus dem mittleren Bereich insofern aus, als im Gegensatz zu den bei Schleudertraumen der HWS massgebenden Kriterien (BGE 117 V 366 f. Erw. 6a) nur körperliche Dauerschmerzen sowie der Grad und die Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa) zu berücksichtigen sind.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist der Vorinstanz zufolge des augenfälligen Geschehensablaufs und der Verletzungen, die sich der Versicherte zuzog, beizupflichten, dass es sich beim Ereignis vom 4. September 1992 um einen Unfall im mittleren Bereich handelt. Weiter hat das kantonale Gericht mit ausführlicher und überzeugender Begründung, auf die ebenfalls verwiesen werden kann (Art. 36a Abs. 3 OG), dargelegt, weshalb die vorhandenen medizinischen Unterlagen keine schlüssige Beurteilung der Frage erlauben, ob der Gesundheitsschaden im Sinne eines typischen Beschwerdebildes nach Schleudertrauma der HWS zu interpretieren ist, oder ob die Beschwerden bereits kurze Zeit nach dem Ereignis psychisch überlagert waren und sich in der Folge eine massive psychische Fehlentwicklung manifestierte, welche die dem Schleudertrauma zuzuordnenden Beschwerden weitgehend in den Hintergrund drängte mit der Folge, dass die Adäquanz des Kausalzusammenhangs nach Massgabe von BGE 115 V 133 zu beurteilen wäre. Diese Unterscheidung ist für die Prüfung der Leistungspflicht der Beschwerdeführerin massgebend, wie die vorinstanzliche - zufolge der lückenhaften medizinischen Aktenlage nicht abschliessende - Würdigung der objektiven Kriterien zeigt.
Auf Grund der unklaren Aktenlage hat das kantonale Gericht zu Recht weitere medizinische Abklärungen angeordnet, welche zwar die natürliche Kausalität beschlagen, jedoch darüber Aufschluss geben werden, ob die Adäquanzbeurteilung in Würdigung der medizinischen Entwicklung seit dem Unfall und der gesundheitlichen Situation im massgebenden Zeitpunkt des Einspracheentscheides (18. August 1997; BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweis) in Anwendung der für psychische Unfallfolgen oder der für Schleudertraumen und äquivalente Verletzungsmechanismen der HWS (RKUV 2000 Nr. U 359 S. 29) geltenden Kriterien vorzunehmen ist.
5.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet und wird daher im Verfahren nach Art. 36a OG erledigt.
6.- a) Nach dem Wortlaut von Art. 134 OG darf das Eidgenössische Versicherungsgericht den Parteien im Beschwerdeverfahren über die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in der Regel keine Verfahrenskosten auferlegen. Die parlamentarischen Beratungen im Rahmen der Revision des OG vom 4. Oktober 1991 (zusammengefasst in BGE 119 V 222 Erw. 4b) zeigen, dass der Gesetzgeber Art. 134 OG vor allem im Interesse der Versicherten geschaffen hat, die mit einem Sozialversicherer im Streit stehen. In diesem Sinne hat das Eidgenössische Versicherungsgericht Ausnahmen von der Kostenlosigkeit des Verfahrens zugelassen, wenn zwei Unfallversicherer sich über Leistungen aus Unfallfolgen für eine gemeinsam versicherte Person streiten (BGE 120 V 494 Erw. 3, 119 V 222 f. Erw. 4). Diese Sichtweise hat ihre Gültigkeit auch dort, wo ein Unfallversicherer und eine Krankenkasse im Streit über die Leistungspflicht liegen (vgl. SVR 1998 IV Nr. 3 S. 14 Erw. 2).
Um zu vermeiden, dass der in Art. 134 OG statuierte Grundsatz der Kostenlosigkeit in Anbetracht des vom Gesetzgeber mit Art. 134 OG verfolgten Zwecks zu wenig befriedigenden oder stossenden Ergebnissen führt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in einem kürzlich ergangenen, zur Publikation vorgesehenen Urteil N. vom 27. November 2000, K 137/99, eine Präzisierung der Rechtsprechung vorgenommen. Danach sind Ausnahmen von der Kostenlosigkeit des Verfahrens auch in Fällen zuzulassen, in denen die Verwaltung oder ein Sozialversicherer eine offensichtlich unzulässige (Art. 36a Abs. 1 lit. a OG) oder offensichtlich unbegründete (Art. 36a Abs. 1 lit. b OG) Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben hat.
Vorliegend trägt somit die Unfallversicherung, deren Verwaltungsgerichtsbeschwerde offensichtlich unbegründet ist (Art. 36a Abs. 1 lit. b OG), die Gerichtskosten.
b) Dem Ausgang des letztinstanzlichen Verfahrens entsprechend steht dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung zu (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der ELVIA
Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft auferlegt.
III. Die ELVIA Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft
hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteient-
schädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwert-
steuer) zu bezahlen.
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 13. Dezember 2000
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer:
Die Gerichtsschreiberin: