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Original
 
[AZA]
C 32/00 Vr
IV. Kammer
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger;
Gerichtsschreiber Widmer
Urteil vom 18. Mai 2000
in Sachen
C.________, 1974, Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt K.________,
gegen
Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland, Bahnhofstrasse 32,
Pratteln, Beschwerdegegnerin,
und
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal
A.- Die 1974 geborene, verheiratete C.________, Mutter
eines am 10. September 1995 geborenen Kindes, bezog in der
Zeit von August 1995 bis Juni 1997 verschiedentlich Tag-
gelder der Arbeitslosenversicherung. Im April 1996 war sie
an drei Halbtagen in der Werkstatt X.________ tätig. Vom
13. Mai bis 5. Juli 1996 arbeitete sie teilzeitlich im
Reinigungsdienst der Firma Y.________ AG und vom 9. Juni
bis 5. September 1997 als Aushilfe bei der Z.________ AG.
Am 15. September 1997 stellte sie Antrag auf Arbeitslosen-
entschädigung. Mit der Begründung, dass C.________ inner-
halb der vom 8. September 1995 bis 7. September 1997
dauernden Rahmenfrist für die Beitragszeit nur während
5,1 Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt
und somit die Mindestbeitragsdauer von 6 Monaten nicht er-
füllt habe, lehnte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-
land den geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosenent-
schädigung am 5. November 1997 verfügungsweise ab. Mit
einer weiteren Verfügung vom 20. Januar 1998 lehnte die
Arbeitslosenkasse den Anspruch auf Taggelder ab 8. Septem-
ber 1997 ab, weil die geltend gemachte Erziehungsperiode
nicht als Beitragszeit angerechnet werden könne, da die
Versicherte in der Rahmenfrist für die Beitragszeit teil-
weise erwerbstätig und überdies vermittlungsfähig gewesen
sei.
B.- Die gegen beide Verfügungen eingereichten Be-
schwerden, mit welchen C.________ deren Aufhebung und die
Zusprechung von Arbeitslosenentschädigung hatte beantragen
lassen, wies das Versicherungsgericht des Kantons
Basel-Landschaft ab (Entscheid vom 1. Dezember 1999).
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C.________
das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern.
Eventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung an das kanto-
nale Gericht zurückzuweisen.
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirt-
schaft verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Es steht fest und ist unbestritten, dass die Be-
schwerdeführerin innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist für
die Beitragszeit insgesamt nur während 5,1 Monaten eine
beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat und daher die
Mindestbeitragszeit gemäss Art. 13 Abs. 1 AVIG (in der vor-
liegend anwendbaren, bis 31. Dezember 1997 gültig gewesenen
Fassung) nicht erfüllt.
2.- a) Nach Art. 13 Abs. 2bis AVIG (in Kraft seit
1. Januar 1996) werden Zeiten, in denen Versicherte keine
beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben, weil sie
sich der Erziehung von Kindern unter 16 Jahren widmeten,
als Beitragszeit angerechnet, sofern die Versicherten im
Anschluss an die Erziehungsperiode auf Grund einer wirt-
schaftlichen Zwangslage eine unselbstständige Erwerbs-
tätigkeit aufnehmen müssen. Die Anrechenbarkeit von Er-
ziehungszeiten als Beitragszeiten setzt einen Kausalzu-
sammenhang zwischen der Kindererziehung und dem Verzicht
auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit voraus (BGE 125 V
471 Erw. 1).
Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 125
V 127 entschieden hat, setzt die Anrechenbarkeit einer
Erziehungsperiode als Beitragszeit nicht voraus, dass sie
eine bestimmte Mindestdauer aufweist. Die Anrechnung von
Erziehungsperioden bedeutet, dass die Mindestbeitragsdauer
damit ganz oder teilweise erfüllt werden kann. Dementspre-
chend hat das Gericht im unveröffentlichten Urteil B. vom
15. September 1999, C 243/98, Art. 11a Abs. 2 AVIV (in der
seit 1. Januar 1997 geltenden Fassung), wonach die Erzie-
hungsperiode nur anrechenbar ist, wenn sie in der Rahmen-
frist für die Beitragszeit mehr als 18 Monate gedauert hat,
als gesetzwidrig bezeichnet.
b) Eine wirtschaftliche Zwangslage im Sinne von
Art. 13 Abs. 2bis AVIG liegt laut Art. 13 Abs. 2ter AVIG
vor, wenn das anrechenbare Einkommen der Versicherten und
ihres Ehegatten einen vom Bundesrat festgelegten Grund-
betrag nicht erreicht. Der Bundesrat legt den anrechenbaren
Teil des Vermögens fest. Gestützt auf diese Delegationsnorm
hat der Bundesrat Art. 11b AVIV erlassen. Gemäss Abs. 1
dieser Verordnungsbestimmung kann ein Anspruch nach Art. 13
Abs. 2bis AVIG geltend gemacht werden, wenn das anrechen-
bare Einkommen zusammen mit dem anrechenbaren Teil des Ver-
mögens weniger als 35 % des Höchstbetrages des versicherten
Verdienstes nach Art. 23 Abs. 1 AVIG beträgt. Dieser Pro-
zentsatz erhöht sich um 10 %, wenn der Versicherte verhei-
ratet ist (lit. a) sowie um 10 % für das erste Kind und 5 %
für jedes weitere Kind, für das eine Unterhaltspflicht im
Sinne von Art. 33 besteht, höchstens aber um 30 % (lit. b).
Laut Art. 11b Abs. 2 AVIV werden das anrechenbare Ein-
kommen und der anrechenbare Teil des Vermögens grundsätz-
lich auf Grund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse
der letzten 12 Monate vor Einreichung des Entschädigungs-
antrages berechnet, wobei die gesamten Bruttoeinkommen des
Versicherten und seines Ehegatten (lit. a) und 10 % des
Vermögens des Versicherten und seines Ehegatten (lit. b)
anrechenbar sind.
Art. 11b Abs. 2 AVIV lässt es zu, für die Beurteilung
der Frage, ob eine wirtschaftliche Zwangslage besteht, aus-
nahmsweise auf die im Zeitpunkt der Anmeldung zum Bezug von
Arbeitslosenentschädigung vorliegende finanzielle Situation
abzustellen, wenn innerhalb der vorangegangenen 12 Monate
eine erhebliche Verschlechterung (oder Verbesserung) einge-
treten ist (BGE 125 V 473 Erw. 3).
3.- Den Ausführungen in der Beschwerde an die Vorin-
stanz sowie der Vernehmlassung der Arbeitslosenkasse zu-
folge besteht in der Rahmenfrist für die Beitragszeit zu-
mindest für die Periode vom 6. Juli bis 16. Dezember 1996
ein Kausalzusammenhang zwischen der Kindererziehung und dem
Verzicht auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit, weil das
Kind der Beschwerdeführerin krank war und der Pflege be-
durfte. Erst am 17. Dezember 1996 meldete sich die Versi-
cherte wieder zur Arbeitsvermittlung und zum Bezug von Ar-
beitslosenentschädigung beim Arbeitsamt an. Der erforder-
liche Kausalzusammenhang kann umso mehr bejaht werden, als
nicht nur diejenige Erziehungszeit als Beitragszeit ange-
rechnet werden kann, während welcher für die mit Erzie-
hungsaufgaben befasste Person eine wirtschaftliche Not-
wendigkeit bestand, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, sie
sich aber trotzdem nicht um Arbeit bemühte. Ein solches
Erfordernis ginge weit über den von den gesetzgebenden
Instanzen verfolgten Zweck hinaus, die Anspruchsberechti-
gung auf Personen zu beschränken, die sich im Anschluss an
die Erziehungsperiode in einer wirtschaftlichen Zwangslage
befinden (BGE 125 V 473 Erw. 2b).
Nachdem sie sich im Dezember 1996 wiederum zur Ar-
beitsvermittlung angemeldet hatte, war die Beschwerdeführe-
rin zunächst arbeitslos und vom 9. Juni bis 5. September
1997 als Aushilfe in einem befristeten Anstellungsverhält-
nis bei der Z.________ AG tätig, bevor sie am 15. September
1997 erneut Antrag auf Arbeitslosenentschädigung stellte.
Der Umstand, dass sie nicht unmittelbar im Anschluss an die
Erziehungsperiode, sondern über 8 Monate später, nach
Beendigung eines temporären Arbeitseinsatzes, Arbeitslosen-
entschädigung beantragte, schadet der Beschwerdeführerin
nicht (vgl. BGE 125 V 133 Erw. 8a). Schliesslich trifft es
entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zu, dass die
Versicherte im Zeitraum Juli bis Dezember 1996 vermitt-
lungsfähig war und aus diesem Grund eine Anrechnung der
Erziehungsperiode ausser Betracht fällt. Vielmehr war sie
zwischen dem 6. Juli und dem 16. Dezember 1996 wegen der
Krankheit ihres Kindes nicht beim Arbeitsamt gemeldet und
bezog dementsprechend auch keine Taggelder.
4.- Werden die Beitragszeit von 5,1 Monaten und die
Erziehungsperiode von 5 Monaten und 10 Tagen addiert, er-
gibt sich, dass die Beschwerdeführerin die Mindestbei-
tragszeit von 6 Monaten gemäss Art. 13 Abs. 1 AVIG (in der
vorliegend anwendbaren, bis Ende 1997 gültig gewesenen
Fassung) erfüllt hat. Ihr Anspruch auf Arbeitslosenent-
schädigung ist damit davon abhängig, ob sie auf Grund einer
wirtschaftlichen Zwangslage im Sinne von Art. 13 Abs. 2ter
AVIG und Art. 11b AVIV eine unselbstständige Erwerbstätig-
keit aufnehmen musste.
Wie es sich diesbezüglich verhält, lässt sich anhand
der vorliegenden Akten nicht abschliessend beurteilen. Zwar
hat die Arbeitslosenkasse in ihrer Vernehmlassung eine Zu-
sammenstellung der Erwerbseinkünfte und Arbeitslosenent-
schädigungen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes im
Zeitraum August 1996 bis August 1997 vorgenommen und daraus
geschlossen, dass bei einem Durchschnittseinkommen von
Fr. 4662.40 im Monat keine wirtschaftliche Zwangslage ge-
geben sei. Abgesehen davon, dass die einzelnen Positionen
der Berechnung nur zum Teil belegt sind und Angaben zum
Einkommen des Ehegatten in den Monaten September und Okto-
ber 1996 von der Arbeitslosenkasse offenbar (noch) nicht
erhältlich gemacht werden konnten, sind im Hinblick darauf,
dass der Antrag auf Arbeitslosenentschädigung am 15. Sep-
tember 1997 gestellt wurde, grundsätzlich die Einkommens-
und Vermögensverhältnisse im Zeitraum von September 1996
bis August 1997 massgebend. Wird aber das Unfalltaggeld von
Fr. 4061.-, das dem Ehegatten der Beschwerdeführerin im
August 1996 ausbezahlt und von der Arbeitslosenkasse be-
rücksichtigt wurde, bei der Berechnung ausser Acht gelas-
sen, resultiert ein Gesamtbetrag von Fr. 51'887.90 oder ein
monatliches Einkommen von durchschnittlich Fr. 4324.-;
dieses unterschreitet den von der Arbeitslosenkasse er-
mittelten Grenzbetrag (Fr. 4455.-) bereits. Zudem ist die
der Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum ausgerichtete
Arbeitslosenentschädigung im Betrag von Fr. 11'479.90 aus-
ser Acht zu lassen, kann doch das Bestehen einer für den
Entschädigungsanspruch erheblichen wirtschaftlichen Zwangs-
lage nicht verneint werden unter Hinweis auf früher bezoge-
ne Entschädigungen, die bei Verneinung der Zwangslage ge-
rade nicht mehr ausgerichtet werden. Die Kompensation der
Nichtberücksichtigung von Arbeitslosenentschädigungen aus
der ersten Rahmenfrist für den Leistungsbezug durch Anrech-
nung allfälliger anderer höherer Einkommen und Vermögens-
teile im Rahmen einer Berechnung im Anmeldungszeitpunkt
bleibt vorbehalten (Erw. 2b). Ergänzende Abklärungen zur
Höhe der Einkünfte des Ehegatten der Versicherten sind
unter diesen Umständen unerlässlich. Die Arbeitslosenkasse,
an welche die Sache zurückzuweisen ist, wird die erforder-
lichen Aktenergänzungen vornehmen, welche eine zuverlässige
Beurteilung der Frage erlauben, ob eine wirtschaftliche
Zwangslage gegeben ist. Hernach wird die Kasse über den
Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung neu befinden.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne
gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungs-
gerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 1. Dezember
1999 sowie die Verfügungen vom 5. November 1997 und
20. Januar 1998 aufgehoben werden und die Sache an die
Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland zurückgewiesen
wird, damit diese, nach erfolgter Aktenergänzung im
Sinne der Erwägungen, über den Anspruch auf Arbeits-
losenentschädigung neu befinde.
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III.Die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland hat der
Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidge-
nössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädi-
gung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer)
zu bezahlen.
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungs-
gericht des Kantons Basel-Landschaft, dem Kantonalen
Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Baselland und
dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 18. Mai 2000
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: