BGer 2A.51/2000
 
BGer 2A.51/2000 vom 03.04.2000
[AZA 0]
2A.51/2000/bol
II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ***********************************
3. April 2000
Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hungerbühler, Müller
und Gerichtsschreiber Feller.
---------
In Sachen
F.________, geb. 13.3.1979, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Urs Lienhard, Kasinostrasse 25, Aarau,
gegen
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
betreffend
Ausweisung, hat sich ergeben:
A.-Der am 13. März 1979 geborene F.________ ist Staatsangehöriger von Mazedonien. Sein Vater lebt seit 1986, seine Mutter seit 1991 in der Schweiz. Beide Eltern haben die Niederlassungsbewilligung. Am 28. Juli 1996 reiste F.________ in die Schweiz ein; gestützt auf Art. 17 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142. 20) erhielt er die Niederlassungsbewilligung (Miteinbezug in die Niederlassungsbewilligung seiner Eltern). Zwei seiner Geschwister leben ebenfalls in der Schweiz.
Im Zeitraum September/Oktober 1997 beteiligte sich F.________ mit anderen Personen an zahlreichen Diebstählen (teils Einbruchdiebstählen). Das Bezirksgericht Aargau erkannte ihn mit Urteil vom 16. Dezember 1998 unter anderem des banden- und gewerbsmässigen Diebstahls, der Hehlerei, der mehrfachen Sachbeschädigung, des mehrfachen Hausfriedensbruchs und der Widerhandlung gegen das Gewässerschutzgesetz (Versenken eines gestohlenen Autos in einem See) schuldig und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von 15 Monaten bedingt (bei einer Probezeit von vier Jahren) und einer Busse von Fr. 800.--. Zudem sprach das Gericht eine bedingte Landesverweisung (Probezeit vier Jahre) aus.
Mit Verfügung vom 13. April 1999 wies die Fremdenpolizei des Kantons Bern F.________ für eine unbestimmte Dauer aus der Schweiz weg. Die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern wies die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde am 13. September 1999 ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die gegen den Direktionsentscheid eingereichte Beschwerde am 20. Dezember 1999 ab, soweit es darauf eintrat, und setzte F.________ eine neue Frist zur Ausreise an bis 31. März 2000.
B.-Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 31. Januar 2000 stellt F.________ die Anträge, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben, von der Ergreifung fremdenpolizeilicher Massnahmen gegen ihn abzusehen, eventuell ihm mit formeller Verfügung die Ausweisung aus der Schweiz anzudrohen, eventuell die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht sowie die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern beantragen, gleich wie das Bundesamt für Ausländerfragen, Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.-a) Gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142. 20) kann ein Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft wurde. Die Ausweisung darf jedoch nur ausgesprochen werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint (Art. 11 Abs. 3 ANAG). Hierbei sind vor allem die Schwere des Verschuldens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz und die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (Art. 16 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum ANAG [ANAV; SR 142. 201]).
Ob die Ausweisung im Sinne von Art. 11 Abs. 3 ANAG und Art. 16 Abs. 3 ANAV "angemessen", d.h. verhältnismässig sei, ist Rechtsfrage, die vom Bundesgericht frei überprüft werden kann (Art. 104 lit. a OG). Dem Bundesgericht ist es jedoch verwehrt, sein eigenes Ermessen - im Sinne einer Überprüfung der Zweckmässigkeit (Opportunität) der Ausweisung - an die Stelle desjenigen der zuständigen kantonalen Behörde zu setzen (BGE 122 II 433 E. 2a S. 435, mit Hinweisen).
b) Verübt ein Ausländer ein Verbrechen oder Vergehen, hat nach geltendem Recht bereits der Strafrichter die Möglichkeit, die strafrechtliche Landesverweisung anzuordnen (Art. 55 StGB). Sieht er hiervon ab oder spricht er bloss eine bedingte Landesverweisung aus, steht dies der fremdenpolizeilichen Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG nicht entgegen. Während für den Strafrichter in dieser Hinsicht der (individuelle) Resozialisierungsgedanke im Vordergrund steht, haben die Fremdenpolizeibehörden vorab das allgemeinere Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu berücksichtigen (BGE 125 II 105 E. 2c S. 109 f.; 122 II 433 E. 2b und c S. 435 ff.). Die von der Rechtsprechung zu Art. 55 StGB entwickelten Grundsätze können daher nicht auf die Ausweisung übertragen werden. Je länger allerdings ein Ausländer in der Schweiz anwesend war, desto strengere Anforderungen sind grundsätzlich an die Anordnung einer Ausweisung zu stellen und desto eher ist im Rahmen der fremdenpolizeilichen Interessenabwägung gemäss Art. 16 Abs. 3 ANAV (Dauer der Anwesenheit, persönliche und familiäre Nachteile) auch dem Resozialisierungsgedanken bis zu einem gewissen Masse Rechnung zu tragen (BGE 125 II 105 E. 2c S. 110). Der Aspekt der Resozialisierung bleibt bei Ausländern, die nicht bereits als Kinder in die Schweiz gekommen sind und die kurz nach ihrer Einreise ausgewiesen werden sollen, ohne entscheidende Bedeutung.
c) Was die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers betrifft, ging das Verwaltungsgericht vom folgenden, für das Bundesgericht verbindlich festgestellten (vgl.
Art. 105 Abs. 2 OG) Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer wuchs in Mazedonien auf und genoss dort die obligatorische Schulausbildung. Er war sieben Jahre alt, als sein Vater von dort in die Schweiz wegzog (1986); seine Mutter zog dem Vater nach, als er zwölf Jahre alt war (1991). Ab jenem Zeitpunkt wurde der Beschwerdeführer in Mazedonien von seinem älteren Bruder betreut. Er reiste erst rund acht Monate, bevor er 18 Jahre alt wurde, zu seinen Eltern in die Schweiz (Juli 1996). Die zu seiner Verurteilung führenden Straftaten beging er ab September 1997, also bereits nach gut einem Jahr Anwesenheit in der Schweiz; er war damals über 18 Jahre alt. Nach seiner Festnahme blieb er bis Mitte Januar 1998 während fast drei Monaten in Untersuchungshaft. Anschliessend weilte er vorerst im Juli 1998 während vier Wochen und im Winter 1998/99 während sechs Wochen in Mazedonien, wo nach wie vor sein Bruder als bisher wichtige Bezugsperson lebt. Nachdem das Strafurteil vom 16. Dezember 1998 rechtskräftig geworden war, leitete die Fremdenpolizei umgehend das Ausweisungsverfahren ein, und die Ausweisung wurde im April 1999 verfügt, bloss zweidreiviertel Jahre nach der Einreise in die Schweiz.
Das Verwaltungsgericht hat diese Gegebenheiten richtig gewertet. Es durfte den Schluss ziehen, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz unter dem Gesichtspunkt der Anwesenheitsdauer und -intensität nicht als integriert gelten kann und umgekehrt mit den Verhältnissen in Mazedonien recht weitgehend vertraut ist. Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Ausführungen in E. 4 und E. 5a seines Entscheids verwiesen werden (vgl. Art. 36a Abs. 3 OG). Bei diesen persönlichen Verhältnissen überwiegt das öffentliche Interesse an der Ausweisung selbst dann, wenn nicht von einem besonders schwerwiegenden Verschulden auszugehen ist.
d) Für die Gewichtung des Verschuldens ist vorab klarzustellen, dass der Beschwerdeführer sich nicht auf die in der Rechtsprechung erwähnte Grenze von 24 Monaten Freiheitsstrafe (vgl. BGE 120 Ib 6 E. 4b S. 13 f.), ab welcher die weitere Anwesenheit in der Schweiz vorbehältlich besonderer Umstände untersagt werden darf, berufen kann. Diese Grenze ist massgeblich bei Ausländern, die ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz aus Art. 7 ANAG ableiten können, weil sie mit einem Schweizer Bürger verheiratet sind. Wer kurz vor dem 18. Altersjahr gestützt auf die Niederlassungsbewilligung seiner Eltern in die Schweiz einreist, befindet sich grundsätzlich und insbesondere bei in die Zukunft gerichteter Betrachtungsweise nicht annähernd in der gleichen Lage wie der Ausländer, dessen Ehegatte (d.h. Lebenspartner) als Schweizer Bürger in der Schweiz lebt.
Gemäss angefochtenem Entscheid sind die Straftaten des Beschwerdeführers dadurch gekennzeichnet, dass er und drei andere Männer - zum Teil mit gestohlenen Autos - in der Schweiz herumreisten und rücksichtslos einbrachen, wo sich eine Gelegenheit bot. Einmal versenkten sie ein gestohlenes Auto im Moossee. Der Beschwerdeführer war als Erwachsener nicht bloss Gehilfe, sondern Mittäter bei einer beträchtlichen Anzahl von Delikten innert weniger Wochen. Es trifft jedenfalls zu, dass nicht mehr von einer einmaligen Entgleisung gesprochen werden kann. Die entwickelte kriminelle Energie ist ungeachtet der gegenteiligen Beteuerungen des Beschwerdeführers insgesamt beträchtlich, und das Verwaltungsgericht hat sein Verschulden zu Recht als erheblich gewertet; Anlass für eine Relativierung der Dauer der Freiheitsstrafe - bei deren Festlegung dürfte jedenfalls der Lebensunerfahrenheit des Beschwerdeführers bereits Rechnung getragen worden sein, wovon er offenbar selber ausgeht (S. 9 der Beschwerdeschrift) - besteht nicht.
Unter den vorliegenden Umständen hat das Verwaltungsgericht Bundesrecht nicht verletzt, wenn es angesichts des Verschuldens des Beschwerdeführers eine Ausweisung für eine unbestimmte Dauer im Sinne von Art. 11 Abs. 3 ANAG bzw.
16 Abs. 3 ANAV als angemessen erachtete und zudem die Auffassung der zuständigen Verwaltungsbehörde teilte, dass die blosse Androhung der Ausweisung (Art. 16 Abs. 3 Satz 2 ANAV) nicht genüge. Insbesondere hat es die Frage der Angemessenheit der Ausweisung im Rahmen seiner Kognition gemäss Art. 80 lit. c des bernischen Gesetzes über das Verwaltungsverfahren umfassend geprüft (zum Begriff der Angemessenheit im Sinne von Art. 11 Abs. 3 ANAG vgl. BGE 125 II 105 E. 2a S. 107, mit Hinweisen).
e) Da der Beschwerdeführer volljährig ist und damit sein Leben grundsätzlich nicht mehr weitgehend im Familienverband mit seinen Eltern gestaltet, steht auch der den Schutz des Familienlebens garantierende Art. 8 EMRK der Ausweisung nicht entgegen. Die in BGE 122 II 433 E. 3 S. 439 ff.
dargestellten Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, worauf sich der Beschwerdeführer beruft, betreffen Ausländer, die im Land, aus dem sie ausgewiesen werden sollten, aufgewachsen oder dort schon als Kinder eingewandert waren und zudem während vieler Jahre zusammen mit Familienangehörigen gelebt hatten und voraussichtlich weiterhin zusammen leben würden. Bei Ausländern mit insgesamt sogar Jahrzehnte langer Anwesenheit aber, die entweder nicht bereits in niedrigem Kindesalter eingereist sind oder aber nicht besonders enge Kontakte mit den im Gastland lebenden Angehörigen pflegen, und die zu Freiheitsstrafen in der Grössenordnung von zwei bis drei Jahren verurteilt worden sind, erachtet der Gerichtshof das Verbot, sich weiter im Land aufzuhalten, als mit Art. 8 EMRK vereinbar (Urteil i.S. Mohamed Baghli c. France vom 30. November 1999; Urteil i.S. Dalia Aïcha c. France vom 19. Februar 1998, Recueil des arrêts et décisions 1998 S. 76). Erst recht verletzt die Ausweisung eines erst unmittelbar vor der Volljährigkeit in das Land eingereisten Ausländers, der bereits kurze Zeit nach seiner Einreise in nicht zu bagatellisierender Weise straffällig geworden ist und im Anschluss daran in das erst kurz zuvor verlassene Herkunftsland (vertraute Umgebung) ausgewiesen wird, diese Konventionsnorm nicht, selbst wenn seine Eltern und - einzelne - Geschwister in der Schweiz niedergelassen sind.
f) Schon in Berücksichtigung des sich aus Art. 105 Abs. 2 OG ergebenden Novenverbots (vgl. BGE 125 II 217 E. 3a S. 221) ist auf den nicht einmal behaupteten, sondern nur vermuteten Sachverhalt allfälliger unterschiedlicher Behandlung anderer Ausländer nicht einzugehen.
2.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist angesichts der überzeugenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts (verwiesen sei insbesondere auf die umfassende Interessenabwägung in E. 5a seines Entscheids) offensichtlich unbegründet und daher - im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG) - abzuweisen.
Da die Beschwerde nach dem Gesagten aussichtslos erscheint, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen (Art. 152 OG); die bundesgerichtlichen Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.-Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.-Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.-Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.-Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Polizei- und Militärdirektion sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.
_____________
Lausanne, 3. April 2000
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: