BGer 4C.396/1999
 
BGer 4C.396/1999 vom 15.02.2000
«AZA 3»
4C.396/1999/rnd
I. Z I V I L A B T E I L U N G
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Sitzung vom 15. Februar 2000
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, Präsident, Leu, Corboz, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler und Gerichtsschreiber Luczak.
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In Sachen
Astra (Schweiz) AG, c/o Reichlin & Hess, Hasenbüelweg 9, 6300 Zug, Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Paul Thalmann, Hasenbüelweg 9, 6300 Zug,
gegen
Astra Pharmaceutica AG, Kanalstrasse 6, 8953 Dietikon, Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Josef Scherrer und Rechtsanwältin Arlette Niemann-Menzi, Falkenstrasse 14, 8008 Zürich,
betreffend
Firmen-, Wettbewerbs- und Namensrecht,
hat sich ergeben:
A.- Die "Astra Pharmaceutica AG" (Klägerin) wurde am 29. Mai 1973 unter der Firma "Pharmastra AG" mit Sitz in Zug gegründet. Seit April 1981 trägt die Klägerin ihren heutigen Firmennamen und hat ihren Sitz in Dietikon/ZH. Ihr Zweck besteht in der Forschung auf dem Gebiet der pharmazeutischen Heilmittel sowie deren Herstellung, Import und Vertrieb. Die "Astra (Schweiz) AG" (Beklagte) wurde am 12. Juni 1995 gegründet und hat ihren Sitz in Zug. Sie erbringt für die Gesellschaften der Astra-Gruppe verschiedene Serviceleistungen.
B.- Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 17. Juli 1995 erfolglos auf die Verwechslungsgefahr hingewiesen und zur Änderung ihrer Firma aufgefordert. Mit Klage vom 19. April 1996 verlangte die Klägerin beim Kantonsgericht Zug, die Beklagte sei zu verpflichten, den Bestandteil "Astra" in ihrer Firma im Handelsregister zu löschen und es sei ihr zu verbieten, diese Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr, einschliesslich Korrespondenz und Werbung, zu verwenden. Das Kantonsgericht verpflichtete die Beklagte am 10. Juli 1997, ihre Firma durch Beifügung eines unterscheidungskräftigen Bestandteiles abzuändern. Beide Parteien legten beim Obergericht des Kantons Zug Berufung ein. Das Obergericht verpflichtete die Beklagte am 28. September 1999, den Bestandteil "Astra" in ihrer Firma innert 30 Tagen seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Handelsregister zu löschen.
C.- Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung erhoben. Sie verlangt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Klage abzuweisen; eventuell sei sie zu verpflichten, innert 30 Tagen ihre Firma durch Beifügung eines individualisierenden Bestandteils abzuändern. Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Die Firma einer Aktiengesellschaft muss sich von jeder in der Schweiz bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheiden (Art. 951 Abs. 2 OR). Da Aktiengesellschaften ihre Firma frei wählen können, stellt die Rechtsprechung an deren Unterscheidungskraft strenge Anforderungen (BGE 122 III 369 E. 1 S. 370; 118 II 322 E. 1 S. 323; 92 II 95 E. 2 S. 97, mit Hinweisen). Eine Verwechslungsgefahr ist nicht erst dann anzunehmen, wenn die Firma eines Unternehmens für diejenige eines anderen Unternehmens gehalten werden kann; es genügt die Gefahr, dass bei Aussenstehenden der unzutreffende Eindruck entsteht, das mit der Firma gekennzeichnete Unternehmen sei mit einem fremden Unternehmen oder mit einer fremden Unternehmensgruppe wirtschaftlich verbunden (BGE 118 II 322 E. 1 S. 323 f., mit Hinweisen).
b) Ob zwei Firmen sich hinreichend deutlich unterscheiden, ist aufgrund des Gesamteindrucks zu prüfen, den sie beim Publikum hinterlassen. Der Gesamteindruck einer Firma wird dabei wesentlich durch diejenigen Firmenbestandteile geprägt, die als individualisierende Merkmale, durch ihren Klang oder Sinn hervorstechen (BGE 122 III 369 E. 1 S. 370). Zur Individualisierung geeignet sind namentlich Phantasiewörter und Personennamen (Ernst A. Kramer, "Starke" und "schwache" Firmenbestandteile, in: FS Pedrazzini 1990, S. 606 ff.). An solchen Firmenbestandteilen werden sich die Firmenadressaten in erster Linie orientieren, während von Zusätzen, die lediglich auf die Rechtsform oder auf den Tätigkeitsbereich des Unternehmens hinweisen, nur eine begrenzte oder gar keine Kennzeichnungswirkung ausgeht (Kramer a.a.O., S. 612 f.). Unterscheiden sich zwei Firmen in ihren prägenden Bestandteilen nicht genügend, so reichen daher bloss beschreibende Zusätze in der Regel nicht aus, um die Verwechslungsgefahr zu bannen (BGE 100 II 224 E. 3 S. 226 f.; 97 II 153 E. 2b-g; 92 II 95 E. 4 S. 99 f.; 98 II 57 E. 4 S. 65; 97 II 234 E. 2 S. 236).
2.- a) Die Vorinstanz hat erwogen, dass beide Firmen den gleichen, prägenden Bestandteil, "Astra", am Anfang ihrer Firmenbezeichnung führen. Den beiden folgenden Bestandteilen, für die Klägerin "Pharmaceutica AG" und für die Beklagte "(Schweiz) AG", komme dagegen nur geringe Kennzeichnungskraft zu. "Astra" habe - anders als ein zum sprachlichen Gemeingebrauch gehörender Begriff - stark prägenden Charakter, der noch dadurch verstärkt werde, dass er am Beginn der Firma steht.
b) Nach Ansicht der Beklagten ist der Firmenbestandteil "Astra" keine Phantasiebezeichnung, sondern ein schwaches Zeichen wie die lateinischen Sachbezeichnungen "sana" oder "aqua". Die häufige und auf verschiedenste Lebensbereiche ausgedehnte Verwendung von "Astra" habe diesem Zeichen die Kennzeichnungskraft und Prägnanz genommen, die ein starkes Zeichen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts aufweisen müsse. Da der Bestandteil "Astra" in der Firma von sehr unterschiedlichen Unternehmen anzutreffen sei, wecke er keine auf einzelne Unternehmungen oder Waren bezogene Assoziationen mehr. Es werde dem Bestandteil, losgelöst von seiner Verwendung, vom Publikum regelmässig ein mindestens ähnlicher Sinngehalt zugeordnet. "Astra" sei wegen seiner vielfältigen Verwendung zu einem Begriff des sprachlichen Gemeingebrauchs geworden. Auch eine lange Aufbauarbeit könne ihm daher nicht zu erhöhter Verkehrsgeltung verhelfen. Die Weiterverwendung eines schon mehrfach verwendeten Zeichens stelle keine schöpferische Leistung dar. "Astra" habe eine schwache Kennzeichnungskraft und werde deshalb von der Klägerin auch zusammen mit dem Bestandteil "Pharmaceutica" verwendet. Es genüge, dass sich die Firma der Beklagten von der den Bestandteil "Pharmaceutica" mitumfassenden Firma der Klägerin genügend unterscheide. Soweit das Obergericht ausführe, die Klägerin könne ihren Anspruch kumulativ zu Art. 951 Abs. 2 OR auch auf Art. 3 lit. d UWG und Art. 29 Abs. 2 ZGB stützen, sei das Urteil unbegründet.
3.- a) Die Parteien führen den Bestandteil "Astra" am Anfang ihrer Firma. Das kurze, zweisilbige Wort, verfügt wegen seines markanten Klanges über eine stark prägende Kraft. Der Bestandteil "Astra" gehört nicht zur heutigen Umgangssprache, sondern hat seinen Ursprung im Latein als Mehrzahl von "astrum" (Sternbilder, Gestirn, Himmel). Indem die Parteien und Dritte das Wort "Astra" nicht in der Bedeutung verwenden, die ihm in der lateinischen Sprache zukommt, erhält es im schweizerischen Sprachraum die Funktion einer Phantasiebezeichnung. Insofern unterscheidet sich "Astra" von "sana", das im schweizerischen Sprachraum mit gleicher Bedeutung wie im Latein für gesund verwendet wird, und von "aqua" für Wasser (BGE 94 II 128 ff.). Obwohl "Astra" Assoziationen an häufig verwendete Fremdwörter wie Astrologie oder Astronomie wecken mag, verbleibt ihm ein, durch diese Assoziationen allenfalls verminderter, Phantasiegehalt.
b) Dass der umstrittene Firmenbestandteil "ASTRA" auch von am Prozess nicht beteiligten Parteien verwendet wird, ist insofern unwesentlich, als nur das Verhältnis zwischen den Prozessparteien zu beurteilen ist. Fraglich ist einzig, ob der Gebrauch des Wortes "ASTRA" durch Dritte diesem die Kennzeichnungskraft ganz oder teilweise zu nehmen vermag.
c) Der Bestandteil "ASTRA" mag durch den Gebrauch Dritter und die damit verbundene Assoziation mit Drittunternehmen an Originalität und Kennzeichnungskraft einbüssen. Gegenüber dem schwachen Bestandteil "Pharmaceutica" und dem noch schwächeren, sogar in Klammern gesetzten, Bestandteil "(Schweiz)" kommt ihm jedoch eindeutig Kennzeichnungsfunktion zu. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist zu beachten, dass die sich gegenüber stehenden Firmen nicht nur bei gleichzeitigem, aufmerksamem Vergleich unterscheidbar, sondern auch in der Erinnerung auseinander zu halten sein müssen (BGE 122 III 369 E. 1 S. 370; 118 II 322 E. 1 S. 324). Das Publikum wird die beiden Firmen meist nicht gleichzeitig wahrnehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die direkt wahrgenommene Firma bloss mit dem mehr oder weniger verschwommenen Erinnerungsbild der früher wahrgenommenen anderen Firma verglichen wird (BGE 121 III 377 E. 2a S. 378). Dabei wird "ASTRA" als kennzeichnugskräftigeres Element dem Publikum in Erinnerung bleiben und bei Abkürzungen oft ausschliesslich verwendet werden. Die Kennzeichnungskraft ist trotz der anderweitigen Verwendung des Bestandteils nicht derart vermindert, dass das blosse Beifügen eines weiteren individualisierenden Bestandteils in der Firma der Beklagten zu genügen vermöchte. Vielmehr wäre auch dann die Gefahr vorhanden, dass beim Publikum der Eindruck der wirtschaftlichen Verbundenheit zwischen den Prozessparteien entsteht. In der Berufung legt die Beklagte denn auch nicht dar, mit welchem Zusatz die Verwechslungsgefahr gebannt werden könnte. Das Zeichen ist nicht zum Allgemeingebrauch geworden oder zu einer Sachbezeichnung. Darauf deutet auch die vom Sinn unabhängige Verwendung des Wortes hin, die bei den Drittbenutzern entgegen der Darstellung der Beklagten keine einheitliche ist. Ob die Klägerin ihren Anspruch auf Abänderung der Firma der Beklagten kumulativ auch auf Art. 3 lit. d UWG und Art. 29 Abs. 2 ZGB stützen könnte, hat auf den Ausgang des Verfahrens keinen Einfluss und kann offen bleiben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts (Zivilrechtliche Abteilung) des Kantons Zug vom 28. September 1999 wird bestätigt.
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird der Beklagten auferlegt.
3.- Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht (Zivilrechtliche Abteilung) des Kantons Zug schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 15. Februar 2000
Im Namen der I. Zivilabteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: