BGer 4C.80/1999
 
BGer 4C.80/1999 vom 20.01.2000
«AZA 3»
4C.80/1999/rnd
I. Z I V I L A B T E I L U N G
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20. Januar 2000
Es wirken mit: Bundesrichter Walter, Präsident, Nyffeler, Ersatzrichter Schwager und Gerichtsschreiber Luczak.
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In Sachen
Elemetal AG, Stationsstrasse 25 F, 3645 Gwatt, Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Fürsprecher Peter Roost, Freienhofgasse 10, 3600 Thun,
gegen
Comvit Industriebau AG, Rosenweg 53, 3645 Gwatt, Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Probst, Postfach 109, 2035 Corcelles,
betreffend
Werkvertrag,
hat sich ergeben:
A.- Die Elemetal AG (Beklagte) widmet sich der Planung und Erstellung von Industriebauten. In den Jahren 1989 - 1991 zog sie auf verschiedenen Baustellen die Comvit Industriebau AG (Klägerin) als Subunternehmerin bei. Zwischen den Parteien kam es in Bezug auf 15 Baustellen zum Streit über die Höhe der Vergütung. Daher reichte die Klägerin Klage beim Handelsgericht Bern ein und verlangte von der Beklagten insgesamt Fr. 374'044.75 nebst Verzugszinsen. Im Verlaufe des Verfahrens reduzierte die Klägerin ihre Forderung auf Fr. 325'393.60, und die Beklagte anerkannte die Forderung im Umfang von Fr. 250'129.95 jeweils zuzüglich Zinsen.
B.- Das Handelsgericht verpflichtete die Beklagte am 23. Oktober 1998, zusätzlich zum anerkannten Betrag Fr. 55'743.65 zu bezahlen nebst Zins von 6.25% auf Fr. 305'618.90 seit dem 1. August 1991.
C.- Gegen dieses Urteil hat die Beklagte staatsrechtliche Beschwerde und Berufung erhoben. Die staatsrechtliche Beschwerde hat das Bundesgericht heute abgewiesen, soweit es darauf eintrat. In der Berufung beantragt die Beklagte, sie sei zusätzlich zum anerkannten Betrag zur Zahlung von Fr. 30'051.35 nebst Zins von 6.25% auf Fr. 279'926.60 seit dem 1. August 1991 zu verpflichten. Im Übrigen sei die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten, und schliesst eventuell auf Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Vor Bundesgericht ist nur noch die Rechnungstellung im Zusammenhang mit der Baustelle "M+F Boden" streitig. Für die entsprechenden Leistungen stellte die Klägerin am 27. Juni 1991 eine provisorische Kostenzusammenstellung über Fr. 282'958.75 auf. Dieser Zusammenstellung waren acht Blätter beigegeben. Bei den ersten vier Blättern handelt es sich um Ausmassblätter (für Leistungen die nach Pauschalpreisen abgerechnet wurden) bei den vier restlichen um Arbeitsrapporte (für die Regiearbeiten). Die Beklagte nahm an dieser Rechnung verschiedene Korrekturen vor und anerkannte lediglich einen Betrag von Fr. 232'353.55. In ihrer Schlussrechnung vom 15. August 1991 verlangte die Klägerin Fr. 346'627.45 und belegte den Mehraufwand durch drei weitere Beiblätter (Blätter 9-11).
b) In der Klageantwort ging die Beklagte auf die neu beigelegten Blätter (9-11) nicht näher ein. Sie wiederholte die Kritik an der provisorischen Kostenzusammenstellung und beharrte auf dem von ihr anerkannten Betrag. Der vom Handelsgericht beauftragte Experte überprüfte die provisorische Kostenzusammenstellung samt den Beiblättern 1-8 und kürzte die Rechnung um Fr. 121.30. Zu den Beiblättern 9-11 äusserte sich der Experte nicht. In ihrem Schlussvortrag bestritt die Beklagte die auf den Beiblättern 10 und 11 aufgelisteten Beträge. Daraufhin überprüfte das Handelsgericht, ob diese Beträge teilweise bereits in den Blättern 1-9 berücksichtigt waren, und brachte zusätzlich Fr. 19'520.-- in Abzug, die doppelt verrechnet worden seien. Im Übrigen hielt es die geltend gemachten Beträge für ausgewiesen.
c) In ihrer Berufung beanstandet die Beklagte lediglich den auf Beiblatt 11 aufgeführten Zuschlag von Fr. 45'212.30 für Unterlängen (15% der Summe gemäss den Beiblättern 1-10). Nach ihrer Auffassung sind die Voraussetzungen für einen Zuschlag nach Art. 373 Abs. 2 OR nicht gegeben.
2.- Die Klägerin hält die Berufung für rechtsmissbräuchlich. Sie vermag aber nicht darzulegen, dass die Beklagte mit der Einreichung der Berufung sachfremde Ziele verfolgt. Es kann insoweit auf die Begründung der staatsrechtlichen Beschwerde verwiesen werden.
3.- a) Es ist eine Frage des Bundesrechts, ob eine Prozesspartei ihre Vorbringen oder Bestreitungen materiell hinreichend substanziiert, um eine Beurteilung nach Bundesrecht zu ermöglichen. Hingegen kann das kantonale Recht festlegen, welchen Anforderungen die Behauptungen und Bestreitungen der Parteien zu genügen haben und in welchem Zeitpunkt sie in den Prozess einzubringen sind (BGE 108 II 337 E. 2c + d). Eine Verletzung dieser kantonalen Bestimmungen ist mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen. Im Rahmen der Berufung prüft das Bundesgericht lediglich, ob die kantonalen Bestimmungen Bundesrecht vereiteln. Bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist das Erfordernis, eine Bestreitung derart konkret zu halten, dass sich daraus ergibt, welche einzelnen Behauptungen der Gegenpartei damit bestritten werden sollen (BGE 117 II 113 E. 2).
b) In der Klageantwort machte die Beklagte geltend,
die Klägerin habe überhöhte Rechnungen gestellt und teilweise den Aufwand mehrfach belastet. Mit den Blättern 10 und 11 setzte sie sich nicht auseinander. Sie berief sich vielmehr auf ihre Kritik an der provisorischen Kostenzusammenstellung. Folgerichtig überprüfte der Gutachter nur die auf dieser provisorischen Zusammenstellung enthaltenen Posten. Die Bestreitungen der Beklagten lassen nicht erkennen, dass der Zuschlag gemäss Blatt 11 grundsätzlich unzulässig sei. Vielmehr durften das Handelsgericht und auch die Klägerin davon ausgehen, dass die Beklagte die Zulässigkeit des Zuschlags grundsätzlich nicht bestritt. Damit blieb lediglich zu prüfen, ob die Klägerin gewisse Leistungen doppelt verrechnet habe, denn diesen Einwand brachte die Beklagte in ihrer Klageantwort ausdrücklich vor. In Bezug auf die doppelt verrechneten Leistungen ist unbeachtlich, dass die Beklagte sich zu dem Beiblatt 11 nicht eingehend äusserte. Wird dieselbe Leistung zweimal in Rechnung gestellt, genügt es, wenn die Gegenpartei eine der Rechnungen substanziiert bestreitet. Der angefochtene Entscheid ist in diesem Punkt bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
4.- Im Rahmen der Dispositionsmaxime können die Parteien selbst entscheiden, welche Probleme sie dem Gericht zur Beurteilung unterbreiten wollen. Die Klägerin hat mangels genügender Bestreitung die grundsätzliche Berechtigung des Zuschlags anerkannt. Damit erübrigt es sich zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach Art. 373 Abs. 2 OR erfüllt sind. Das Handelsgericht hält zu Recht fest, dass die auf den Blättern 10 und 11 enthaltenen Zuschläge ausgewiesen seien, soweit sie nicht doppelt in Rechnung gestellt wurden.
5.- a) Die Berufung erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Der Vertreter der Klägerin verlangt in seiner Kostennote eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- zuzüglich Auslagen exkl. Mehrwertsteuer. Das Bundesgericht setzt indes die Parteientschädigung von Amtes wegen fest (BGE 111 Ia 154 E. 4 S. 156 ff.) und ist diesbezüglich nicht an die Parteibegehren gebunden. Die Parteientschädigung wird praxisgemäss auf Fr. 3'000.-- festgelegt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Berufung wird abgewiesen, und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 23. Oktober 1998 wird bestätigt.
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beklagten auferlegt.
3.- Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 20. Januar 2000
Im Namen der I. Zivilabteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: