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Informationen zum Dokument  BGHSt 50, 169 - Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer  Materielle Begründung
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I.
II.
1. Nach dem Tatbestand des § 316 a StGB ist eine zeitliche V ...
2. Liegt nach den genannten Grundsätzen ein Angriff auf den  ...
3. Solche Umstände, die ein Ausnutzen der besonderen Verh&au ...
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: A. Tschentscher  
BGHSt 50, 169 (169)Zur Bedeutung des Tatbestandsmerkmals "unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisses des Straßenverkehrs" (im Anschluß an BGHSt 49, 8)  
StGB § 316 a  
4. Strafsenat  
 
Beschluss
 
vom 28. Juni 2005 g. D. u. B.  
-- 4 StR 299/04 --  
Landgericht Berlin  
 
Aus den Gründen:
 
I.  
Nach den Feststellungen faßte der Angeklagte D. am 20. Juli 2003 gegen 6.00 Uhr während einer Fahrt mit dem Taxi den Entschluß, dessen Fahrerin zu überfallen, um seine Finanzen aufzubessern. Da in der Nähe des zunächst angegebenen Fahrziels in Berlin-Neukölln ein Polizeifahrzeug stand, veranlaßte der Angeklagte die Taxifahrerin weiterzufahren. An der vom Angeklagten genannten Straßenecke stoppte die Fahrerin das Taxi und verlangte bei laufendem Motor den Fahrpreis. Der Angeklagte zog ein Messer hervor und hielt es mit den Worten "Geld her!" vor seinem Körper in Richtung der Fahrerin. Als diese antwortete: "Das ist jetzt nicht Dein Ernst", führte der Angeklagte das Messer bis auf einen Abstand von 20 cm an den Körper der Taxifahrerin heran, die dem Angeklagten daraufhin Geldscheine im Wert von insgesamt 100 Euro aushändigte (Fall II. 1).
1
Bei weiteren fünf Überfällen am 23. Juli 2003 (Fälle II. 2 und II. 3), am 24. Juli (Fälle II. 4 und II. 5) sowie am 25. Juli 2003 (Fall II.BGHSt 50, 169 (169) BGHSt 50, 169 (170)6) ging der Angeklagte in gleicher Weise vor. In vier der Fälle händigten die Taxifahrer dem Angeklagten ihr Bargeld aus. Im Fall II. 5 gelang es dem vom Angeklagten mit einem Messer bedrohten Taxifahrer, den Motor auszustellen, den Schlüssel abzuziehen und aus dem Fahrzeug zu flüchten.
2
Am 26. Juli 2003 erzählte der Angeklagte D. dem Angeklagten B. von den Überfällen. Die Angeklagten faßten den Entschluß, gemeinsam einen weiteren Überfall nach dem vom Angeklagten D. "bereits erfolgreich angewendeten Muster" auszuführen und die erzielte Beute zu teilen. Am 30. Juli 2003 fuhren sie mit einem Taxi zu dem vom Angeklagten D. genannten Fahrziel. Als der Fahrer dort anhielt, ohne den Motor des Fahrzeugs abzustellen, und den Fahrpreis kassieren wollte, drückte der Angeklagte D. dem Fahrer ein Messer in den Bauchbereich und veranlaßte ihn, dem auf dem Rücksitz sitzenden Angeklagten B. Bargeld im Wert von insgesamt 100 Euro auszuhändigen (Fall II. 7).
3
II.  
Auf der Grundlage der Feststellungen hat das Landgericht ohne Rechtsfehler den Angeklagten D. in sechs Fällen und den Angeklagten B. in einem Fall der schweren räuberischen Erpressung sowie den Angeklagten D. in einem weiteren Fall der versuchten schweren räuberischen Erpressung für schuldig befunden.
4
Soweit das Landgericht den Angeklagten D. in allen Fällen und den Angeklagten B. im Fall II. 7 -- tateinheitlich -- auch wegen räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer (§ 316 a Abs. 1 StGB) verurteilt hat, halten die Schuldsprüche dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar nicht verkannt, daß nach der durch das Urteil des Senats vom 20. November 2003 -- 4 StR 150/03 (BGHSt 49, 8, 11 = NJW 2004, 786; vgl. auch BGH NStZ-RR 2004, 171) geänderten Rechtsprechung eine enger am Schutzzweck und den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des § 316 a StGB orientierte Auslegung geboten ist. Gemessen an den danach an die Verwirklichung des Tatbestands des § 316 a StGB zu stellenden Anforderungen sind die Schuldsprüche wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer aber durch die bisherigen Feststellungen nicht belegt.
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1. Nach dem Tatbestand des § 316 a StGB ist eine zeitliche Verknüpfung dergestalt erforderlich, daß das Opfer bei Verüben desBGHSt 50, 169 (170) BGHSt 50, 169 (171)Angriffs entweder Führer oder Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs ist (BGHSt 49, 8, 11 f.). Führer eines Kraftfahrzeugs im Sinne dieser Vorschrift ist, wer das Fahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist (BGHSt 49, 8, 14; BGHR StGB § 316 a Abs. 1 Straßenverkehr 18; vgl. Sowada in LK 11. Aufl. § 316 a Rdn. 17 m.w.N.). Danach ist Führer des Kraftfahrzeugs stets derjenige, der es im Straßenverkehr in Bewegung hält. Befindet sich das Fahrzeug, in dem sich das (potentielle) Tatopfer aufhält, nicht (mehr) in Bewegung, so ist darauf abzustellen, ob das Opfer als Fahrer (noch) mit der Bewältigung von Betriebs- oder Verkehrsvorgängen befaßt ist (vgl. BGHSt 49, 8, 14).
6
a) Bei einem verkehrsbedingten Halt, etwa an einer Rotlicht zeigenden Ampel (vgl. BGHR StGB § 316 a Abs. 1 Straßenverkehr 16), an einer geschlossenen Bahnschranke oder in einem Stau, wird dies in der Regel zu bejahen sein, weil der Lenker eines Kraftfahrzeugs in einer solchen Situation -- unabhängig davon, ob er den Motor weiterlaufen läßt oder kurzfristig ausstellt -- seine Aufmerksamkeit weiter auch auf das Verkehrsgeschehen richten muß (vgl. BGHSt 49, 8, 15 m.w.N.).
7
b) Auch bei einem nicht verkehrsbedingten Halt bleibt der Fahrer, solange er sich in dem Fahrzeug aufhält und mit dessen Betrieb und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, weiterhin Führer des Kraftfahrzeugs im Sinne des § 316 a StGB (vgl. BGHR StGB § 316 a Abs. 1 Straßenverkehr 17, 18, 19; BGH, Beschl. vom 17. Februar 2005 -- 4 StR 537/04). Dies ist allerdings regelmäßig dann nicht der Fall, wenn das Tatopfer sein Fahrzeug zum Halten gebracht und den Motor ausgestellt hat (BGHSt 49, 8, 15; BGH, Beschl. vom 30. März 2004 -- 4 StR 35 und 53/04). So liegt es hier jedoch nicht, denn die Geschädigten hatten in jedem der Fälle den Motor ihres Taxis weiter laufen lassen, und zwar nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe auch im Fall II. 3. Die Annahme des Landgerichts, daß die geschädigten Taxifahrer zum Zeitpunkt des Angriffs weiterhin Führer ihres Kraftfahrzeugs waren, weil sie mit dem Betrieb ihres Fahrzeugs beschäftigt waren, ist unter den hier gegebenen Umständen in keinem der Fälle zu beBGHSt 50, 169 (171)BGHSt 50, 169 (172)anstanden. Damit sind aber die Schuldsprüche wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer noch nicht hinreichend belegt.
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2. Liegt nach den genannten Grundsätzen ein Angriff auf den Führer eines Kraftfahrzeugs im Sinne des § 316 a StGB vor, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Täter "dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs" ausgenutzt hat (vgl. nur BGHR StGB § 316 a Abs. 1 Straßenverkehr 16 bis 19; zur eigenständigen Bedeutung des opferbezogenen Tatbestandsmerkmals der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs vgl. Sowada a.a.O. Rdn. 37; Duttge/Nolden JuS 2005, 193, 197). Danach ist erforderlich, daß der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als Kraftfahrzeugführer unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen wird (BGHSt 49, 8, 11). Das ist objektiv der Fall, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs noch in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, daß er gerade deshalb leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann (vgl. BGHSt 49, 8, 14 f. m.w.N.; BGHR StGB § 316 a Abs. 1 Straßenverkehr 16 bis 19). Für das Ausnutzen der darin liegenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ist in subjektiver Hinsicht allerdings nicht zu verlangen, daß der Täter eine solche Erleichterung seines Angriffs zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht; vielmehr genügt es, daß er sich -- entsprechend dem Ausnutzungsbewußtsein bei der Heimtücke nach § 211 Abs. 2 StGB (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 1 Heimtücke 1, 9, 11, 26) -- in tatsächlicher Hinsicht der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bewußt ist (vgl. Sowada a.a.O. Rdn. 43). Welche Anforderungen an die Darlegung der Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmals in den Urteilsgründen zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab:
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a) Verübt der Täter den Angriff auf den Führer eines Kraftfahrzeugs im fließenden Verkehr, ist dies ein gewichtiges Indiz dafür, daß er dabei auch die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt. Im fließenden Verkehr ist dem Führer eines Kraftfahrzeugs infolge der Beanspruchung durch das Lenken des FahrzeugsBGHSt 50, 169 (172) BGHSt 50, 169 (173)wegen der damit verbundenen Konzentration auf die Verkehrslage und die Fahrzeugbedienung bei einem Angriff eine Gegenwehr erschwert (vgl. BGHSt 38, 196, 197), so daß er gerade deshalb leichter Opfer eines räuberischen Angriffs werden kann (vgl. BGHSt 49, 8, 14 f. m.w.N.). Einer besonderen Begründung durch den Tatrichter bedarf es daher regelmäßig nicht.
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b) Diese Gesichtspunkte gelten auch dann, wenn das Kraftfahrzeug während der Fahrt verkehrsbedingt -- und mit laufendem Motor -- hält und der Fahrer darauf wartet, seine Fahrt zugleich nach Veränderung der Verkehrssituation fortsetzen zu können und sich das Fahrzeug mithin -- trotz des vorübergehenden Halts -- weiterhin im fließenden Verkehr befindet (vgl. BGHSt 38, 196, 197 f.), wie etwa bei einem Halt an einer Rotlicht zeigenden Ampel (vgl. BGHSt 49, 8, 14 f.; BGHR StGB § 316 a Abs. 1 Straßenverkehr 16).
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c) Grundsätzlich kann auch bei einem Halt aus anderen Gründen infolge spezifischer Bedingungen des Straßenverkehrs eine Gegenwehr des angegriffenen Kraftfahrzeugführers erschwert sein. Eine Erschwerung der Gegenwehr, wie sie dem fließenden Verkehr eigentümlich ist (vgl. BGHSt 38, 196, 197), folgt bei einem nicht verkehrsbedingten Halt jedoch nicht ohne weiteres daraus, daß der Motor noch läuft und der Fahrer deshalb zum Zeitpunkt des Angriffs noch mit dem Betrieb des Fahrzeugs beschäftigt ist. So liegt bei einem nicht verkehrsbedingten Halt mit laufendem Motor außerhalb der allgemeinen Fahrbahn (etwa in einer Parkbucht oder einer Einfahrt) ohne eingelegten Gang bei angezogener Handbremse eine Erschwerung der Gegenwehr gerade infolge der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs regelmäßig dann nicht vor, wenn der Kraftfahrzeugführer, wie etwa der Taxifahrer beim Kassieren des Fahrpreises, seine Aufmerksamkeit nicht in erster Linie auf das Führen des Fahrzeugs, sondern auf andere Tätigkeiten richtet.
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Bei einem nicht verkehrsbedingten Halt -- wie er hier jeweils zugrunde lag -- müssen daher, was der Tatrichter im einzelnen darzulegen hat, neben der Tatsache, daß der Motor des Kraftfahrzeuges noch läuft, weitere verkehrsspezifische Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, daß das Tatopfer als KraftfahrzeugführerBGHSt 50, 169 (173) BGHSt 50, 169 (174)zum Zeitpunkt des Angriffs noch in einer Weise mit der Beherrschung des Fahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt war, daß es gerade deshalb leichter Opfer des räuberischen Angriffs wurde und der Täter dies für seine Tat ausnutzte (vgl. BGHR StGB § 316 a Abs. 1 Straßenverkehr 18).
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So kann ein Ausnutzen der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs dann gegeben sein, wenn der Angriff "unmittelbar" im Zusammenhang mit dem Anhaltevorgang verübt wird (vgl. BGH, Beschl. vom 2. Dezember 2003 -- 4 StR 471/03), wenn sich das Fahrzeug nach dem Anhalten mit laufendem Motor während der heftigen Gegenwehr seines angegriffenen Führers plötzlich in Bewegung setzt (vgl. BGH, Beschl. vom 4. Dezember 2003 -- 4 StR 498/03), wenn der Fahrer das Automatikgetriebe auf Dauerbetrieb beläßt und mit dem Fuß auf der Bremse bleibt, um das Weiterrollen des Fahrzeugs zu verhindern (vgl. BGHR StGB § 316 a Abs. 1 Straßenverkehr 17) oder wenn der Fahrer nach einem Blick in den Rückspiegel, um zu prüfen, ob an dieser Stelle ein Anhalten gefahrlos möglich ist, sein Fahrzeug mit laufendem Motor auf einer schmalen Kreisstraße ohne Randstreifen anhält, um einen Anhalter aussteigen zu lassen (vgl. BGH, Beschl. vom 17. Februar 2005 -- 4 StR 537/04).
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3. Solche Umstände, die ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs durch die Angeklagten belegen, hat das Landgericht jedoch nicht festgestellt; sie sind auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht ohne weiteres zu entnehmen.BGHSt 50, 169 (174)
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