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Zitiert durch:
BGE 139 I 195 - Wahlrecht Zug
BGE 138 I 61 - Unternehmenssteuerreform II


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 1
Bearbeitung, zuletzt am 02.08.2022, durch: Philippe Dietschi
 
22. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Scherr und Mitb. gegen Stadt Zürich und Bezirksrat Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
1C_451/2007 vom 17. März 2008
 
 
Regeste
 
Art. 5 Abs. 3 und Art. 29a BV, Art. 49, 82 lit. c, 88 und 130 Abs. 3 und 4 BGG; Rechtsweggarantie, Letztinstanzlichkeit eines kantonalen Entscheids in Stimmrechtsangelegenheiten, unrichtige Rechtsmittelbelehrung.  Erfordernis einer richterlichen Behörde als letzte kantonale Rechtsmittelinstanz in kantonalen und kommunalen Stimmrechtsangelegenheiten (E. 1.2). Das kantonale Ausführungsrecht sieht die Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht vor (E. 1.2.1). Die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung war für die Beschwerdeführer nicht ohne Weiteres erkennbar. Die Stimmrechtsbeschwerde wird dem Verwaltungsgericht zur Behandlung überwiesen (E. 1.3).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 134 I 199 (200)Der Gemeinderat Zürich genehmigte am 16. Dezember 2006 den Entwurf zum Budget der laufenden Rechnung und der Investitionsrechnung für das Jahr 2007 und lehnte dabei einen in der Budgetdebatte gestellten Antrag, die Ausgaben für die Sanierung der Hardbrücke nicht zu genehmigen, ab. Mit Beschlüssen vom 20. Dezember 2006 setzte der Stadtrat von Zürich das Instandsetzungsprojekt Hardbrücke fest und bewilligte als neue Ausgabe einen Objektkredit von 1,85 Mio. Franken für den Bau eines kombinierten Rad-/Gehwegs zwischen Hardplatz und Bahnhof Hardbrücke sowie gebundene Ausgaben von insgesamt 88,5 Mio. Franken für die Instandsetzung der Hardbrücke. Diese Finanzbeschlüsse wurden keinem Referendum unterstellt.
Niklaus Scherr und Mitbeteiligte gelangten gegen die Beschlüsse des Stadtrats mit Stimmrechtsrekurs an den Bezirksrat Zürich, der das Rechtsmittel am 5. Juli 2007 abwies und den für die Instandsetzung der Hardbrücke bewilligten Betrag als gebundene Ausgaben bezeichnete. Einen gegen den Entscheid des Bezirksrats erhobenen Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich mit Beschluss vom 7. November 2007 ab, soweit er darauf eintreten konnte.
Mit als Stimmrechtsbeschwerde bezeichneter Eingabe vom 14. Dezember 2007 beantragen die im kantonalen Verfahren unterlegenen Rekurrenten unter anderem, der Entscheid des Regierungsrats sei aufzuheben.
Das Bundesgericht überweist die Eingabe der Beschwerdeführer dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zur Beurteilung.
 
 
Erwägung 1
 
Vor dem Hintergrund von Art. 29a BV und der Zielsetzungen des Bundesgerichtsgesetzes hat das Bundesgericht entschieden, dass die Kantone als Rechtsmittelinstanz im Sinne von Art. 88 Abs. 2 Satz 1 BGG eine gerichtliche Behörde einsetzen müssen. Diese Pflicht besteht sowohl in kantonalen als auch in kommunalen Stimmrechtsangelegenheiten (Urteile des Bundesgerichts 1P.338/2006 und 1P.582/2006 vom 12. Februar 2007, E. 3.10, publ. in: ZBl 108/2007 S. 313; 1C_185/2007 vom 6. November 2007, E. 1.2 mit Hinweisen).
1.2.1 Die Kantone sind gemäss Art. 130 Abs. 3 BGG verpflichtet, innert zwei Jahren seit Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes die erforderlichen Ausführungsbestimmungen über die Zuständigkeit, die Organisation und das Verfahren der bundesgerichtlichen Vorinstanzen zu erlassen. § 43 Abs. 1 lit. a des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG) schliesst die Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht auf dem Gebiet von Wahlen und Abstimmungen grundsätzlich aus (vgl. ALFRED KÖLZ/JÜRG BOSSHART/MARTIN RÖHL, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, § 43 N. 5). § 43 Abs. 2 VRG sieht jedoch vor, dass die Beschwerde an das Verwaltungsgericht auch in den Fällen von Abs. 1 zulässig ist, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht offensteht oder wenn es sich um eine Angelegenheit gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK handelt. Nach § 5 der Verordnung des Regierungsrats des Kantons Zürich vom 29. November 2006 über die Anpassung des kantonalen Rechts an das Bundesgerichtsgesetz (VO BGG; OS 61,480) ist unter Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht die ordentliche Beschwerde an das Bundesgericht zu verstehen. Diese genannte Verordnung des Regierungsrats trat gleichzeitig wie das Bundesgerichtsgesetz am 1. Januar 2007 in Kraft. Damit hat der Regierungsrat von der ihm in Art. 130 Abs. 4 BGG inBGE 134 I 199 (201) BGE 134 I 199 (202)Verbindung mit Art. 67 der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 (KV/ZH) eingeräumten Kompetenz Gebrauch gemacht, die Ausführungsbestimmungen in die Form nicht referendumspflichtiger Erlasse zu kleiden, sofern dies zur Einhaltung der Fristen nach den Absätzen 1-3 von Art. 130 BGG notwendig ist. Der Regierungsrat hat in § 5 VO BGG keine Vorbehalte in Bezug auf die früher nicht der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterlegenen kantonalen Rechtsmittelentscheide und Stimmrechtsangelegenheiten angebracht (Art. 82 lit. a und c BGG). Dass er die zweijährige Übergangsfrist gemäss Art. 130 Abs. 3 BGG nicht ausgeschöpft hat, ist nicht zu beanstanden.
1.3.1 Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) ist zu beachten, dass der angefochtene Entscheid eine Rechtsmittelbelehrung enthält, nach welcher gegen den Regierungsratsentscheid beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden könne. Aus einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung dürfen den Parteien keine Nachteile erwachsen (Art. 49 BGG; Art. 18 Abs. 2 KV/ZH; BGE 132 I 92 E. 1.6 S. 96). Wird aufgrund einer unrichtigen Belehrung ein falsches Rechtsmittel ergriffen, kann die Sache daher von Amtes wegen an die zuständige InstanzBGE 134 I 199 (202) BGE 134 I 199 (203)überwiesen werden (BGE 123 II 231 E. 8b S. 239 f. mit Hinweisen). Allerdings geniesst nur Vertrauensschutz, wer die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung nicht kennt und sie auch bei gebührender Aufmerksamkeit nicht hätte erkennen können. Rechtsuchende geniessen keinen Vertrauensschutz, wenn der Mangel für sie bzw. ihren Rechtsvertreter allein schon durch Konsultierung der massgeblichen Verfahrensbestimmung ersichtlich ist. Dagegen wird nicht verlangt, dass neben den Gesetzestexten auch noch die einschlägige Rechtsprechung oder Literatur nachgeschlagen wird (vgl. BGE 124 I 255 E. 1a/aa S. 258; BGE 117 Ia 119 E. 3a S. 125, BGE 117 Ia 421  E. 2a, je mit weiteren Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 1P.653/1997 vom 13. Februar 1998, publ. in: ZBl 100/1999 S. 80 ff.).