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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: A. Tschentscher, Marcel Schröer | |||
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2. Art. 131 GG ermächtigte den Bundesgesetzgeber, den Komplex der Rechtsverhältnisse verdrängter Angehöriger des öffentlichen Dienstes nach eigenem gesetzgeberischem Ermessen konstitutiv zu ordnen und dabei auch die Länder und Gemeinden zur Unterbringung dieser Personen heranzuziehen. |
3. Art. 28 GG gewährleistet das Selbstverwaltungsrecht in dem Sinne, daß Einschränkungen durch den zuständigen Gesetzgeber den Wesensgehalt des Selbstverwaltungsrechts unangetastet lassen müssen. Zuständiger Gesetzgeber ist im Rahmen des Art. 131 GG auch der Bundesgesetzgeber. |
4. Art. 33 Abs. 2 GG berührt das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden nicht. |
5. Zur Behebung außerordentlicher Notstände sind auch ungewöhnliche Eingriffe in das Selbstverwaltungsrecht zulässig, wenn sie in der Form des Gesetzes vorgenommen und auf das zeitlich und sachlich unbedingt Notwendige begrenzt werden. |
6. § 91 BVerfGG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. |
7. Eine Zuständigkeit der Landesverfassungsgerichte nach § 91 Satz 2 BVerfGG kommt nicht in Betracht, wenn Gemeinden oder Gemeindeverbände die Unvereinbarkeit von Bundesrecht mit dem Grundgesetz rügen. |
8. Gemeinden und Gemeindeverbände sind im Rahmen des § 91 BVerfGG befugt, die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit einer Norm des Grundgesetzes dann zu rügen, wenn diese Norm ihrem Inhalt nach das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet ist. |
Urteil |
des Ersten Senats vom 20. März 1952 |
- 1 BvR 267/51 - |
Entscheidungsformel: |
Die Verfassungsbeschwerden wird zurückgewiesen. |
Gründe: | |
I. | |
Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches als Folge des zweiten Weltkrieges brachte für eine große Zahl von Angehörigen und Versorgungsempfängern des öffentlichen Dienstes den Verlust ihres Amtes oder den Wegfall der Versorgungskasse, von der sie ihre Bezüge erhielten. Dies galt vornehmlich für Vertriebene, deren Dienststelle nicht mehr vorhanden oder in der einstigen Heimat zurückgeblieben war, und für Berufssoldaten. Die Not dieser Gruppen zu lindern oder zu beheben, war eine unabweisliche staatliche Aufgabe. Die Problematik lag in der Frage, wer an Stelle des einstigen Dienstherrn (z. B. Preußischer Staat, Kommunalverwaltungen in den Ostgebieten) nunmehr zur Fürsorge verpflichtet werden sollte. Um eine einheitliche Lösung dieses Fragenkomplexes zu gewährleisten, ermächtigte Art. 131 GG den Bundesgesetzgeber, "die Rechtsverhältnisse von Personen, einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen, aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet werden", zu regeln. Entsprechendes gilt nach Art. 131 Satz 2 GG für Versorgungsberechtigte in gleicher Lage. Von dieser Ermächtigung hat der Bund mit dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBI. I S. 307) (im folgenden G 131) Gebrauch gemacht.
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Das Grundanliegen dieses Gesetzes ist es, die betroffenen Personen nach Möglichkeit wieder in den öffentlichen Dienst ![]() ![]() ![]() ![]() | 2 |
Die Beschwerdeführerin hat am 28. Oktober 1951 Verfassungsbeschwerde erhoben und trägt folgendes vor:
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Die §§ 11-18 G 131 seien grundgesetzwidrig und daher nichtig. Art. 131 GG ermächtige den Bundesgesetzgeber lediglich, die Rechtsverhältnisse der verdrängten Angehörigen des öffentlichen Dienstes in ihrem Verhältnis untereinander, ihrem Verhältnis zum früheren Dienstherrn und zum Bund zu regeln. Soweit das G 131 auch Dritten, hier den Gemeinden, eine Unterbringungspflicht auferlege, überschreite es die Ermächtigung. Die im G 131 normierten Pflichtanteile (§§ 12, 13) und der Zustimmungsvorbehalt mit seiner Strafsanktion (§ 16) verstießen ferner gegen das in Art. 28 Abs. 2 GG den Gemeinden gewährleistete Recht der Selbstverwaltung. Eine Seite dieses Rechts sei die Personalhoheit. Der Vorbehalt in Art. 28 Abs. 2 GG "im Rahmen der Gesetze" gestatte Beschränkungen der Personalhoheit allenfalls durch den Landesgesetzgeber; dem Bund fehle insoweit eine Gesetzgebungskompetenz. Aber selbst wenn der Bund eine Gesetzgebungskompetenz hätte, sei die Personalhoheit der Gemeinden durch das G 131 so beschnitten, daß das Recht der Selbstverwaltung in seinem Wesensgehalt gekränkt sei. Da der natürliche Abgang an Personal jährlich nur 2-3 v. H. betrage, seien 7-10 Jahre nötig, um die Pflichtanteile zu erfüllen. Auf diese Dauer seien die Gemeinden genötigt, unter Zurücksetzung eigener qualifizierter Kräfte freiwerdende Stellen mit unter Umständen weniger geeigneten Kräften aus dem Kreise der Amtsverdrängten zu besetzen. Darin liege auch eine Verletzung des Art. 33 Abs. 2 GG, der jedem Deutschen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang zu den öffentlichen Ämtern gewährleiste; dies beschwere mittelbar auch die Gemeinden. Vor allem werde ihre Personalhoheit durch die Häufung der Unterbringungspflichten nach dem Stand der heutigen Gesetzgebung über die Grenze des Zulässigen verletzt; denn neben die Pflichtanteile ![]() ![]() ![]() ![]() | 4 |
Die Beschwerdeführerin beantragt,die §§ 11-18 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBI. I S. 307) für nichtig zu erklären.
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Nach § 94 BVerfGG hat das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und der Arbeitsgemeinschaft kommunaler Spitzenverbände Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Von dieser Möglichkeit haben die Bundesregierung und die Arbeitsgemeinschaft Gebrauch gemacht. Beide sind ebenso wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung aufgetreten. Die Arbeitsgemeinschaft kommunaler Spitzenverbände schließt sich den Ausführungen der Beschwerdeführerin, zugleich mit einer Vertiefung nach der grundsätzlichen Seite, an. Die Bundesregierung tritt dem Standpunkt der Beschwerdeführerin mit Rechtsausführungen entgegen und hebt weiter hervor, daß die dem Bundesgesetzgeber in Art. 131 GG gestellte Aufgabe nur in einer Solidarität aller in Betracht kommenden Dienstherren lösbar gewesen sei. Der von der Beschwerdeführerin vornehmlich angegriffene § 14 Abs. 2 G 131 sei als Mittel gedacht, die Erfüllung des Besoldungspflichtanteils zu sichern. Die Frist für die Fälligkeit des laufend zu zahlenden Ausgleichsbetrages sei im übrigen durch Verfügung der Bundesregierung bis zum 15. August 1951 verlängert worden. Von einer fühlbaren Belastung der Gemeinden durch diesen Ausgleichsbetrag könne nicht gesprochen werden, da sie keinesfalls mehr als 5 v. H. des gesamten Besoldungsaufwands der Gemeinden ausmachen könne (§§ 12, 14 Abs. 2 G 131). ![]() | 6 |
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Die in rechter Form und Frist (§ 93 Abs. 2 BVerfGG) erhobene Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Nach § 91 BVerfGG können Gemeinden und Gemeindeverbände die Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, daß ein Gesetz des Bundes oder des Landes die Vorschrift des Art. 28 GG verletze. Eine Zuständigkeit des Hessischen Staatsgerichtshofs nach § 91 Satz 2 BVerfGG (etwa in Verbindung mit Art. 137, 131 der Hessischen Verfassung und §§ 45 ff. des Hessischen Gesetzes über den Staatsgerichtshof vom 12. Dezember 1947, GVBl. 1948, S. 3, 122) kommt hier nicht in Betracht. Die Beschwerdeführerin rügt mit der Verfassungsbeschwerde die Unvereinbarkeit eines Bundesgesetzes mit dem Grundgesetz. § 91 Satz 2 BVerfGG kann aber sinnvoll den Vorrang der Landesverfassungsgerichtsbarkeit nur für den Fall statuieren, daß Gemeinden oder Gemeindeverbände die Unvereinbarkeit von Landesgesetzen mit Art. 28 GG rügen. Die Kontrolle von Bundesrecht auch nur für diesen Einzelfall den Landesverfassungsgerichten zu übertragen, würde der Gesamtstruktur der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit widersprechen. § 91 Satz 2 BVerfGG ist daher nicht anwendbar, wenn eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband die Unvereinbarkeit von Bundesrecht mit dem Grundgesetz rügt (vgl. Arndt, DVBl. 1951, 299; Schäfer, DÖV 1951, 575).
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Die im Schrifttum (Kollmann, DÖV 1951, 145; Schäfer, DÖV 1951, 572) gegen die Rechtsgültigkeit des § 91 BVerfGG erhobenen Bedenken sind unbegründet. Das Institut der Verfassungsbeschwerde ist im Grundgesetz nicht erwähnt. Ihre Einführung und Ausgestaltung im einzelnen durch ein besonderes Bundesgesetz war damit keinen Beschränkungen unterworfen und ist durch Art. 93 Abs. 2 GG gedeckt. Insbesondere steht nichts entgegen, falls man in Art. 28 Abs. 2 GG kein Grundrecht, sondern nur eine institutionelle Garantie erblicken sollte, auch eine solche durch eine Verfassungsbeschwerde justi ![]() ![]() | 8 |
III. | |
1. Die Beschwerdeführerin rügt in erster Linie, daß die §§ 11-18 G 131 mit Art. 28 Abs. 2 GG unvereinbar seien Nach Art. 28 Abs. 2 GG muß den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Obwohl Art. 28 GG im Abschnitt "Der Bund und die Länder" untergebracht ist, sollte den Gemeinden hier das Recht der Selbstverwaltung in ähnlichem Umfang garantiert werden, wie es in dem unter den Grundrechten stehenden Art. 127 der Weimarer Verfassung (RV) der Fall gewesen war. War Art. 127 RV ursprünglich wegen des Gesetzesvorbehalts weithin als "materiell inhaltlos" bezeichnet worden (so noch Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 8. Aufl. 1928, S. 334 f), so setzte sich mehr und mehr die Meinung durch, daß Art. 127 RV das Recht der Selbstverwaltung institutionell garantiere. Der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich gab in seiner Entscheidung vom 10./11. Dezember 1929 (Lammers-Simons Bd. II S. 107) die dann herrschend gewordene ![]() ![]() | 9 |
Zum Recht der Selbstverwaltung gehört auch die Personalhoheit (vgl. Bayer. VerfGH, 21. November 1949, VGHE n. F. Bd. 2 Teil II, S. 162 ff.). Die in §§ 11-18 G 131 enthaltenen Beschränkungen der Personalhoheit der Gemeinden sind daher dann mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar, wenn sie dem Vorbehalt "im Rahmen der Gesetze" entsprechen und wenn sie den Wesensgehalt der gemeindlichen Personalhoheit unangetastet lassen.
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Bedeuten die Worte "im Rahmen der Gesetze" nichts anderes, als daß Beschränkungen des Selbstverwaltungsrechts bis zu der aufgewiesenen Grenze nur durch ein Gesetz erfolgen ![]() ![]() | 11 |
2. Bei den Debatten, die schließlich zur heutigen Fassung des Art. 131 GG geführt haben, spielte die Frage eine große Rolle, ob den verdrängten Angehörigen des öffentlichen Dienstes ein Recht auf Wiedereinstellung von vornherein abgeschnitten und nur Versorgungsansprüche gewährt werden sollten. Der ursprüngliche Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses sprach Rechte auf Wiedereinstellung in der Tat schlechthin ab. Auf Interventionen der Beamtenverbände fiel diese Bestimmung und man einigte sich dahin, in einer allgemein gehaltenen Rahmenvorschrift den Bundesgesetzgeber zur Regelung dieses ganzen Komplexes zu ermächtigen. Die dem heutigen Art. 131 GG fast wörtlich entsprechende Formulierung des Organisationsausschusses (14. Januar 1949) blieb aber weiter wegen der Frage umstritten, ob nur eine Versorgung oder auch eine Wiedereinstellung der Lösung des Verdrängtenproblems eher gerecht würde. Zwischen den entgegenstehenden Auffassungen vermittelte ein Vorschlag des Abgeordneten Dr. Höpker-Aschoff. Er wies darauf hin, daß die völlig ungeklärten Rechtsverhältnisse des unter die Bestimmung fallenden Personenkreises unter allen Umständen eine gesetzliche Regelung verlangten. Die Frage, inwieweit diesen Personen ein ![]() ![]() | 12 |
Art. 131 GG selbst ist nicht verfassungswidrig; insoweit ist der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. März 1951 (BGHZ 1, 274) beizutreten. Dabei kann hier offenbleiben, ob Art. 131 den Bundesgesetzgeber auch zu gesetzlichen Maßnahmen ermächtigt, die ihrerseits Grundrechte, etwa den Gleichheitssatz, verletzen. Solche Verstöße enthalten die §§ 11-18 G 131 nicht.
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Von der durch Art. 131 GG gewährten Befugnis zu konstitutiver Regelung hat der Bundesgesetzgeber grundsätzlich in zulässiger Weise Gebrauch gemacht, wenn er sich im G 131 bemüht, die betroffenen Personen nicht auf eine Versorgung bei weiterer Untätigkeit zu verweisen, sondern die noch Dienstfähigen in möglichst weitem Umfange wieder in den öffentlichen Dienst einzuordnen. Da das von Art. 131 GG betroffene Personal aber bei Dienstherren verschiedener staats- und verwaltungsrechtlicher Rangordnung, namentlich eben auch bei Gemeinden, beschäftigt war, war es sachgerecht und durch die Ermächtigung des Art. 131 gedeckt, daß der Bund auch die Länder und die Gemeinden mit zur Unterbringung der verdrängten Beamten heranzog. Insoweit begründet Art. 131 als lex specialis eine Gesetzgebungsbefugnis des Bundes eigener Art, die in Verbindung mit dem G 131 auch den Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Satz 2 GG auszufüllen vermag.
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Damit erledigt sich auch der Einwand der Beschwerdefüh ![]() ![]() | 15 |
3. Die Rechtsgültigkeit der §§ 11-18 G 131 wäre dennoch zu verneinen, wenn die darin ausgesprochenen Beschränkungen die gemeindliche Personalhoheit in ihrem Wesensgehalt antasteten. Die Beschwerdeführerin will eine solche Kränkung im Wesensgehalt einmal in der Art sehen, in welcher die Unterbringungspflicht geordnet ist, weiter in der Folge, daß ein langer Zeitraum (7-10 Jahre) nötig sei, um die Pflichtanteile zu erfüllen, und schließlich in der Häufung gleichgearteter Unterbringungspflichten auf Grund weiterer Bundes- und Landesgesetze.
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Die Gesamtheit der Normen und Grundsätze, die den historisch gewordenen Begriff der Selbstverwaltung ausmachen, kann nicht in dem Sinne als unabänderlich gelten, daß sie in keiner Hinsicht und zu keiner Zeit in ihrem Bestande angetastet werden dürfte. Gewiß ist ein bestimmter Kern der Selbstverwaltung gegen jede gesetzliche Schmälerung gesichert. Aber es gibt Erscheinungsformen der Selbstverwaltung, die sich in besonderen Notlagen gewisse Einschränkungen gefallen lassen müssen. Der Maßstab, an dem die Zulässigkeit solcher Eingriffe in die Selbstverwaltung zu messen ist, kann kein einheitlicher sein; er ändert sich nach den besonderen Bedürfnissen der Zeit. Was in ruhigen, verwaltungsmäßig unproblematischen Verhältnissen bereits als unzulässiger Eingriff beanstandet werden müßte, muß, wenn es sich um die rasche Behebung außerordentlicher Notstände handelt, als tragbar und sogar geboten angesehen werden. Zu fordern ist lediglich, daß solche ungewöhnlichen Eingriffe in der Form des Gesetzes vorgenommen und daß sie auf das zeitlich und sachlich unbedingt Notwendige begrenzt werden.
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Die Lage der verdrängten Angehörigen des öffentlichen Dien ![]() ![]() | 18 |
Freilich ist die Personalhoheit der Gemeinden durch das G 131 empfindlich verkürzt worden, vor allem deshalb, weil nach der Natur der Sache ein beträchtlicher Zeitraum vergehen kann, bis die Pflichtanteile erfüllt sind. Der Wesensgehalt der Personalhoheit wäre aber nur dann angetastet, wenn es sich nicht nur um vorübergehende, zur Behebung einer besonderen Not auf Zeit unerläßliche Beschränkungen handelte. Ob bei der Außergewöhnlichkeit der zu bewältigenden Aufgabe auf gewisse Zeit eine Unterbringungspflicht ohne Zulassung von Ausnahmen legitim gewesen wäre, kann hier offenbleiben. Davon kann jedenfalls im G 131 keine Rede sein, da die Pflichtanteile nur 20 v. H. von Besoldungsaufwand und Planstellen ausmachen, der Gemeinde das Recht unverkürzt ist, aus der großen Zahl amtsverdrängter Personen diejenigen auszuwäh ![]() ![]() | 19 |
Zuzugeben ist der Beschwerdeführerin, daß die Häufung von Unterbringungspflichten auf Grund anderer Bundes- und Landesgesetze (für Schwerbeschädigte, Spätheimkehrer, Zusicherungsempfänger, Wiedergutmachungsberechtigte, Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins) die Beschränkungen der Personalhoheit bis an die Grenze des noch Zulässigen vorgetrieben hat. Aber selbst diese Häufung tastet die Personalhoheit in ihrem Wesensgehalt noch nicht an, weil diese Unterbringungspflichten zum überwiegenden Teil ihrer Natur nach zeitlich begrenzt sind. Daß die Dauer dieser Beschränkungen dennoch empfindlich bleibt, ist dem Ausmaß des deutschen Zusammenbruchs im Jahre 1945 zuzuschreiben, dessen Folgen nur allmählich und im Zusammenstehen Aller gemildert und behoben werden können.
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Der Umstand, daß bei der Berechnung dcs Besoldungspflichtanteils im Rahmen des § 12 auch der Besoldungsaufwand für technische Angestellte gemeindlicher Eigenbetriebe herangezogen wird, bedeutet keine Ermessensüberschreitung des Bundesgesetzgebers. Gemeindliche Eigenbetriebe und Unternehmen in privatrechtlicher Form mit Beteiligung der Gemeinde erfahren auch sonst eine rechtlich verschiedene Behandlung, ohne daß deshalb eine willkürliche Unterscheidung vorläge.
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4. Die Angriffe der Beschwerdeführerin richten sich schließlich gegen § 14 Abs. 2 G 131. Nach dieser Vorschrift ist von Dienstherren außerhalb der Bundesverwaltung ein Ausgleichsbetrag zu zahlen, soweit nach Ablauf von drei Monaten seit Inkrafttreten des G 131 der Besoldungspflichtanteil nicht erreicht ist. Die Höhe des Ausgleichsbetrages macht 25 v. H. des entgegen § 12 nicht aufgewendeten Besoldungsbetrages aus. Diese Vorschrift ist in der Tat bei den Beratungen des Gesetzes im Bundestag (vgl. Abg. Menzel in der 84. Sitzung, StenBer. ![]() ![]() | 22 |
In das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden greift diese Bestimmung nicht stärker ein als die übrigen von der Beschwerdeführerin gerügten Vorschriften des G 131. Insoweit gilt auch für § 14 Abs. 2 das, was oben allgemein zu den Einschränkungen des Selbstverwaltungsrechts in Notzeiten ausgeführt worden ist.
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Die Beschwerdeführerin rügt aber auch die Verletzung anderer Bestimmungen des Grundgesetzes durch § 14 Abs. 2 G 131 und macht ferner geltend, daß diese Vorschrift nichtig sei, da sie Unmögliches fordere.
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Die Beschwerdeführerin ist im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nach § 91 BVerfGG an sich nur sachbefugt, eine Verletzung des Art. 28 GG zu rügen. Das Bundesverfassungsgericht hält sich aber im Interesse einer endgültigen Ausräumung von Zweifeln für verpflichtet, die Übereinstimmung der angefochtenen Gesetzesbestimmungen mit gewissen anderen Normen des Grundgesetzes zu prüfen. Gemeinden und Gemeindeverbände müssen im Rahmen des § 91 BVerfGG als befugt angesehen werden, die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit einer Norm des Grundgesetzes dann zu rügen, wenn diese Norm ihrem Inhalt nach das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet ist. Erfordert der Sachzusammenhang diese Auslegung des § 91 BVerfGG, so würde andererseits eine noch weitere Ausdehnung der Rügebefugnis von Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht, eine Normenkontrolle zu beantragen (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, 100 GG), entgegen Wortlaut und Sinn des § 91 BVerfGG ungebührlich ausweiten.
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Zunächst ist klarzustellen, was § 14 Abs. 2 G 131 den Gemeinden auferlegt. Die Bestimmung lautet: ![]() | 26 |
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Sinn dieser Bestimmung kann nur sein, eine unterschiedliche Befolgung der Unterbringungspflicht durch verschiedene Dienstherren dadurch auszugleichen, daß Dienstherren, die dieser Pflicht nicht nachkommen, durch die Auferlegung des Ausgleichsbetrages an der alsbaldigen Erfüllung der Unterbringungspflicht interessiert werden. Eine Gemeinde könnte also §§ 12 und 14 G 131 für sich genommen auch so erfüllen, daß sie vorzieht, nur den Ausgleichsbetrag zu zahlen. Die Hauptpflicht (Erfüllung des Besoldungspflichtanteils) kann also durch Zahlung des Ausgleichsbetrages abgewendet werden. Dies hat vor allem dort praktische Bedeutung, wo Gemeinden zur Erfüllung des Planstellenpflichtanteils keine oder ungenügende Gelegenheit haben, weil Planstellen nicht oder in ungenügender Zahl frei werden. Ist dies der Sinn der Bestimmung, so ergibt sich zunächst, daß es sich um eine laufende Zahlungspflicht handelt, die so lange währt, bis der Besoldungspflichtanteil erreicht ist. Darüber hat auch bei den parlamentarischen Beratungen des Gesetzes weithin Übereinstimmung geherrscht. Auch im Wortlaut des § 14 Abs. 2 ("Soweit... nicht erreicht ist" usw.) kommt diese Auslegung zum Ausdruck (vgl. Anders, Kommentar zum G 131, 1951, § 14 Anm. 5; von Arnim, Kommentar zum G 131, 1951, § 14 Anm. 3 am Ende).
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Dann kann aber auch die Dreimonatsfrist nicht mit Grund beanstandet werden, da gar nicht vorausgesetzt ist, daß der Dienstherr bis 30. Juni 1951 den Besoldungspflichtanteil erfüllt hätte. Die Frist hat vielmehr die Bedeutung einer Überlegungs- und Wartefrist, nach deren Ablauf der eine Art facultas alternativa darstellende Ausgleichsbetrag fällig zu werden beginnt.
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Ebenso wie die Strafandrohung des §17 G 131 ist auch ![]() ![]() | 30 |
Zu fragen wäre nur, ob der Bund die ihm nach Art. 120 GG aufgebürdeten Kriegsfolgelasten durch diesen Ausgleichsbetrag nicht in unzulässiger Weise auf Dienstherren außerhalb der Bundesverwaltung abwälzt. Art. 120 GG ist in der Tat eine Norm, deren Verletzung die Gemeinde, wie erörtert, hier rügen kann.
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§ 57 G 131 sagt selbst, daß die nach Kap. I dieses Gesetzes zu leistenden Zahlungen grundsätzlich dem Bunde zur Last fallen. Auch das erste Überleitungsgesetz in der Fassung vom 21. August 1951 (BGBI. I S. 779) bürdet in § 1 Abs. 1 Ziff. 7 die finanziellen Aufwendungen für verdrängte Angehörige des öffentlichen Dienstes als Kriegsfolgelasten im Sinne des Art. 120 GG dem Bunde auf. Dennoch war der Sinn des § 14 Abs. 2 G 131 offenkundig nicht der, einen Teil der Kriegsfolgelasten vom Bunde abzuwälzen. Eine versteckte Überbürdung eines Teiles dieser Lasten auf Dienstherren außerhalb der Bundesverwaltung läge vielleicht dann vor, wenn die Nichterfüllung des Besoldungspflichtanteils in Höhe von 20 v. H. des Besoldungsaufwandes eine Pflicht zur vollen Leistung dieser 20 v. H. oder doch eines erheblichen Teiles davon an den Bund zur Folge hätte. Da § 14 Abs. 2 G 131 aber nur ein Viertel des Unterschiedsbetrages, also höchstens 5 v. H. des gesamten Besoldungsaufwandes erfassen kann, ist die Funktion dieses Ausgleichsbetrages als Mittel der Selbstmahnung und nicht als Beitrag zu den Kriegsfolgelasten deutlich. Dies bestätigt sich auch, wenn man die Gesamthöhe dieser gemeindlichen Ausgleichszahlungen zu der Summe der vom Bund für das G 131 aufzuwendenden Beträge in Vergleich setzt. Während die Gesamtbelastung des Bundes aus dem G 131 im Rechnungsjahr 1951 sich auf etwa 645 Millionen DM beläuft, ist die Be ![]() ![]() | 32 |
5. Zu der Rüge schließlich, die §§ 11-18 G 131 verletzten den Art. 33 Abs. 2 GG (gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern), ist die Beschwerdeführerin aus § 91 BVerfGG nicht befugt; denn Art. 33 Abs. 2 GG gibt nur dem Einzelnen ein Recht gegen den Staat, berührt aber das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden nicht. Wollte man den Gemeinden selbst das Recht zugestehen, neben der Verfassungsbeschwerde aus § 91 auch die aus § 90 BVerfGG zu erheben, so würde der gleiche Gesichtspunkt zur Unzulässigkeit auch dieser Beschwerde führen.
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